Edmund G. Gardner
Die hl. Caterina von Siena
Eine Studie über Religion, Literatur und Geschichte
des 14. Jahrhunderts in Italien
9. Kapitel
Aus dem Babylon des Westens
Caterina brach gegen Ende Mai von Florenz aus auf. Begleitet wurde sie von Fra Bartolommeo di Domenico, Stefano Maconi, Gherardo Buonconti und seinen Brüdern Tommaso und Francesco und einer Reihe anderer Schüler; Alessa, Cecca und Lisa schlossen sich ebenfalls an. Es gibt keinen ausführlichen Bericht über die Reise, und sogar die Route, die sie nahmen, ist ungewiss. Eine lokale Überlieferung spricht davon, dass Caterina über Bologna gezogen sei, während ein Abschnitt in einem Brief Giovannis dalle Celle an Fra Giovanni da Salerno vermuten lässt, dass sie den Weg entlang der Riviera gewählt hat. Auf jeden Fall wissen wir aus einem ihrer Briefe, dass sie Avignon am 18. Juni 1376 erreichte.
In dieses Babylon des Westens kamen die mystische Braut Christi und ihre Gefährten wie Boten aus einer anderen Welt. Avignon hatte sich kaum verändert, seit Petrarca das Feuer vom Himmel auf die Stadt herabbeschworen hatte. „Ich weiß aus Erfahrung“, schrieb er, „dass es hier keine Frömmigkeit gibt, keine Nächstenliebe, keinen Glauben, keine Ehrfurcht vor Gott noch Furcht vor Ihm, nichts Heiliges, nichts Gerechtes, nichts Menschenwürdiges. Liebe, Reinheit, Anstand und Aufrichtigkeit sind von hier verbannt. Alles strotzt vor Lüge und Heuchelei. Engelszungen verbergen teuflische Pläne.“[1] Die einzige Aussicht auf Besserung, seit Petrarca diese Worte geschrieben hatte, bestand darin, dass anstelle eines starken Hirten, der sich dem Laster und dem Luxus verschrieben hatte, nun ein schwacher Papst auf dem päpstlichen Thron saß, der in seiner aufrichtigen, aber wirkungslosen Art um Gerechtigkeit bemüht war.
Zwei Tage nach ihrer Ankunft gewährte der Papst Caterina eine Privataudienz, bei der offenbar nur Fra Raimondo anwesend war. Gregor sprach nicht italienisch, und Caterina konnte kein Latein; daher fungierte der Ordensmann als ihr Dolmetscher. Trotz des Briefwechsels, der zwischen ihnen stattgefunden hatte, war der Papst gegen sie voreingenommen gewesen. Nun aber, da er sie von Angesicht zu Angesicht sah, konnte er dem Zauber ihrer Persönlichkeit nicht mehr widerstehen. „Damit du klar siehst“, sagte er, „dass ich den Frieden will, lege ich die Angelegenheit ganz in deine Hände. Sei lediglich besorgt um die Ehre der Kirche.“ Er wies ihr zu, was Stefano Maconi „ein vornehmes Haus mit einer wunderschön geschmückten Kapelle“ nannte, wo er sie und ihre gesamte Gefolgschaft während ihres dreimonatigen Aufenthalts in Avignon unterbrachte und auf eigene Kosten versorgte.[2]
Doch die Florentiner Gesandten erschienen nicht, und Gerüchte erreichten den päpstlichen Hof – Gerüchte, die von den Prälaten der Kurie begierig aufgenommen und verbreitet wurden –, dass in Florenz dem Klerus neue und drückende Steuern auferlegt würden. Die drei Gesandten – Pazzino Strozzi, Alessandro dell‘ Antella und Michele Castellani – waren im Mai ernannt worden, und ihr Kommen wurde dem Papst offiziell mitgeteilt. Ihr ursprünglicher Auftrag bezog sich nur auf die Aufhebung der kirchlichen Zensur, wurde aber auf Anraten von Bernabo Visconti auf die gesamte Angelegenheit des Friedens erweitert.[3] Dennoch waren die Räte der Signoria gespalten, und zumindest einige der Acht waren nicht bereit, eine Einigung mit der Kirche zu erzielen, bevor deren weltliche Macht völlig zerstört war. Die Angelegenheit zog sich so den ganzen Juni hin. Caterina, die davon ausgegangen war, dass die Gesandten ihr sofort folgen würden, um sich mit ihr zu beraten und durch sie mit dem Papst Bedingungen auszuhandeln, und dass in der Zwischenzeit alle Feindseligkeiten von Seiten der Florentiner ausgesetzt würden, war erstaunt und bestürzt. „Glaube mir, Caterina“, sagte der Papst, „Sie haben dich getäuscht und werden dich täuschen. Sie werden keine Gesandten schicken, oder wenn sie es doch tun, so wird es eine Mission sein, die zu nichts führen wird.“ Schon wurde ein neuer Prozess gegen sie vorbereitet, in dem ihnen die furchtbarsten geistlichen und zeitlichen Strafen angedroht wurden, darunter das päpstliche Anathema und die Ausrufung eines Kreuzzugs gegen sie in der ganzen Welt. Die Florentiner ihrerseits bereiteten sich energisch darauf vor, den Feldzug voranzutreiben, sowohl gegen Albornoz in den Marken als auch gegen den Kardinal von Genf, der jeden Tag in Bologna erwartet wurde.
Am 28. Juni schrieb Caterina einen eindringlichen Brief an die Acht und flehte sie an, nicht umzukehren, sondern sich dem Papst mit aufrichtiger Demut des Herzens zu nähern „und das Leben von ihm zu erflehen wie der Sohn, der tot war.“ Sie beklagt sich heftig über die neue Steuer, die dem Klerus auferlegt wurde, wenn es denn stimmt, dass sie auferlegt wurde, weil sie dazu dienen würden, die friedliebenden Kardinäle zu verärgern und den Zorn des Papstes noch mehr gegen sie zu entfachen. „Ich sage Euch, liebste Väter, und ich bitte Euch, die Gnade des Heiligen Geistes nicht zu behindern, die unser lieber Christus auf Erden in seiner Milde bereit ist, Euch zu gewähren, obwohl Ihr sie nicht verdient. Zudem würdet Ihr mir damit Schande und Vorwürfe bereiten. Denn was außer Schande und Verwirrung könnte das Ergebnis sein, wenn ich ihm die Sache so darstelle und Ihr das Gegenteil tut? Ich bitte Euch, lasst das nicht noch einmal geschehen. Nein, bemüht Euch in Wort und Tat zu zeigen, dass Ihr Frieden und nicht Krieg wollt. Ich habe mit dem Heiligen Vater gesprochen. Er hat mich gnädig angehört, durch Gottes Güte und seiner eigenen, und zeigte sich liebend gerne dem Frieden zugeneigt wie ein guter Vater, der nicht so sehr die Sünde beachtet, die sein Sohn gegen ihn begangen hat, als vielmehr darauf sieht, ob er demütig geworden ist, so dass er ihm vollständig verzeihen kann. Worte können nicht beschreiben, wie ungemein froh er darüber war. Nachdem ich geraume Zeit mit ihm gesprochen hatte, sagte er am Ende unseres Gesprächs, er wäre bereit, Euch wieder als seine Kinder anzunehmen und so zu handeln, wie ich es für richtig erachte, wenn sich alles so verhielte, wie ich es ihm erklärt hatte. Der Heilige Vater wollte keine definitivere Antwort geben bis zur Ankunft Eurer Gesandten. Ich bin erstaunt, dass sie noch nicht hier sind. Sobald sie eintreffen, werde ich mit ihnen zusammenkommen und mich dann zum Heiligen Vater begeben. Und dann schreibe ich Euch, was dabei herausgekommen ist. Aber Ihr mit euren neuen Steuern verderbt mir alles, was ausgesät wurde. Tut das nicht wieder, um der Liebe des gekreuzigten Christus willen und zu eurem eigenen Vorteil.“[4]
Die drei Botschafter hatten sich wahrscheinlich schon auf den Weg gemacht, als dieser Brief in Florenz eintraf. Eine neue Signoria war am ersten Juli an die Macht gekommen und hatte beschlossen, die drei als Konsultoren bezeichneten Bürger zu entsenden, „um mit dem Papst oder mit seinem Beauftragten einen Waffenstillstand oder Frieden zu schließen, unter Bedingungen, die ihnen angemessen erscheinen.“ Ihr Beschluss wurde im Rat des Capitano und des Volkes vom 4. Juli und im Rat des Podestà und der Kommune am 5. Juli bestätigt. Am 7. Juli richtete die Signoria ein Schreiben an die Kardinäle Orsini und Corsini, in dem sie Gott zum Zeugen anrief, dass sie nur gehandelt hätten, um ihre eigene Freiheit zu verteidigen, und sie bat die beiden, ihren Einfluss beim Papst zu Gunsten ihrer Gesandten geltend zu machen, denen sie in Kürze den Auftrag zur Friedensverhandlung übermitteln würden.[5] Sobald sie in Avignon eingetroffen waren, ließ Caterina die Drei zu sich bitten und erinnerte sie in Gegenwart von Fra Raimondo daran, was die vorherige Signoria ihr zugesagt hatte. Sie erklärte ihnen, dass der Papst den Frieden in ihre Hände gelegt hätte und dass sie annehmbare Bedingungen erhalten würden, wenn sie sie ernsthaft wollten. Die Gesandten antworteten brüsk, dass sie weder den Auftrag hätten, mit ihr zu verhandeln noch die von ihr empfohlenen Gesten der Unterwerfung vorzunehmen.[6] Kein Schatten von Verbitterung oder persönlicher Kränkung scheint auf Caterinas Seele gefallen zu sein, als sie sich so fallen gelassen sah. Obwohl sie von dem, was ihr als Hinterhältigkeit der Republik erscheinen musste, bitter enttäuscht war, fuhr sie fort, den Papst flehentlich zu bitten, er möge ihnen mit Güte begegnen und sie nicht als Richter, sondern als Vater behandeln.
Dennoch meinten es die Florentiner möglicherweise ernst. Der Vertreter Mantuas am päpstlichen Hof, Cristoforo da Piacenza, schrieb am 17. Juli an seinen Herrn, Lodovico Gonzaga, und berichtete ihm von der Ankunft der Botschafter und dass sie sehr auf Frieden aus wären. Sie hätten den Papst noch nicht sehen können, seien aber bei den Kardinälen vorstellig geworden und erwarteten eine formelle Audienz. Drei Gesandte aus Pisa (darunter Benedetto Gambacorti, einer von Pieros Söhnen) und zwei aus Lucca waren bereits früher erschienen, um den Papst zu bitten, mit den Florentinern Frieden zu schließen. Die Pisaner hatten nichts erreicht. Aber den Gesandten aus Lucca, die beteuerten, dass die Bewohner Luccas nie vergessen hätten, dass die Kirche sie aus den Händen des Pharaos befreit habe, gab der Papst eine äußerst gnädige Antwort. Er sagte, er liebe ihre Stadt, und er sei überzeugt, dass sie der Liga nur unter Zwang beigetreten seien; aber er sehe keine Möglichkeit für einen Frieden zwischen der Kirche und den Florentinern, da sie nicht in der Lage wären, die Städte und Ortschaften, die sie zur Rebellion gegen die Kirche angestiftet hätten, wiederherzustellen und sie für alles, was sie verloren und erlitten haben, zu entschädigen. Der Stellvertreter Christi sei verpflichtet, nur mit den Reumütigen Frieden zu schließen, und dürfe die Sünder nicht in ihren Sünden bestärken.[7] Allerdings beauftragte Gregor – wohl auf die gemeinsamen Bitten Caterinas und der Gesandten aus Lucca –, am Ende doch zwei Kardinäle, Pierre d’Estaing und Gilles Aycelin de Montaigu, mit den florentinischen Gesandten zu verhandeln.
Caterina spürte jedoch, dass ihr eine höhere Mission zugedacht war als jene, die sie von Florenz erhalten hatte. Von den Acht desavouiert, blieb sie weiterhin als Botschafterin Christi in Avignon, um den Papst aufzufordern, nach Rom zurückzukehren und die Kirche zu erneuern. Gleichzeitig drängte sie ihn unausgesetzt zu dem, was ihr als heiliges und Frieden stiftendes Werk erschien: zum Kreuzzug. Nachdem seine ersten Vorurteile überwunden waren, hörte Gregor sie gerne an, wobei der treue Raimondo stets als Dolmetscher fungierte. In einem ihrer ersten Gespräche machte Caterina ihrem Herzen Luft über die abscheulichen Laster der römischen Kurie, und der Papst hörte – nach einem schwachen Versuch, sie zurechtzuweisen – schweigend zu und gab am Ende keinen Kommentar ab, obwohl Raimondo über die Kühnheit und Autorität, mit der sie gesprochen hatte, erstaunt war. Bei anderer Gelegenheit befragte Gregor sie über seine Rückkehr nach Rom. „Es ist nicht angebracht“, antwortete sie, „dass eine kleine, elende Frau dem obersten Pontifex Ratschläge erteilt.“ Und der Papst: „Ich frage dich nicht um Rat, sondern was der Wille Gottes in dieser Sache ist.“ Und während sie noch nach Ausreden suchte, befahl er ihr im Gehorsam, ihm zu sagen, ob sie den Willen Gottes in dieser Angelegenheit kenne. „Darauf neigte sie demütig ihr Haupt und sagte: ‚Wer wüsste das besser als Eure Heiligkeit, da Ihr doch Gott gelobt habt, es zu tun?‘ Als er dies hörte, war er von Staunen überwältigt, weil – wie er sagte – kein lebender Mensch außer ihm selbst davon wusste, dass er dieses Gelübde abgelegt hatte.‘“[8]
Es gab die üblichen kleineren Anfeindungen und Proteste, denn die korrupten Mitglieder des päpstlichen Hofes und die von ihnen abhängigen Angehörigen waren natürlich gegen sie. Bald nach ihrer Ankunft erschienen drei Prälaten der Kurie bei Caterina und unternahmen wiederholte Versuche, ihr im Gespräch Fallen zu stellen, offenbar in der Hoffnung, ihren wachsenden Einfluss beim Papst zu diskreditieren, indem sie sie beschuldigten, unter falschen Angaben als Botschafterin von Florenz gekommen zu sein oder ketzerische Lehren zu vertreten. Nachdem ihre Absicht vereitelt worden war, berichteten sie dem Papst freimütig, dass sie noch nie eine so demütige und erleuchtete Seele angetroffen hätten; aber der Versuch, vor allem im Hinblick auf eine Anklage wegen Häresie, war als ernst zu nehmend zu betrachten. „Ich versichere Euch“, sagte der Arzt des Papstes, Francesco Casini, zu Stefano Maconi, „wenn sie diese Jungfrau Caterina nicht auf so festem Grund stehend gefunden hätten, hätte sie niemals eine unglücklichere Reise gemacht.“[9] Dieser Francesco di Bartolommeo Casini, von Geburt Sieneser, der einer von Petrarcas Freunden und Briefpartnern gewesen war, schloss sich nun Caterinas Kreis an. Er war ein Mann von hervorragendem Ruf innerhalb seiner eigenen Zunft und von beachtlichem Einfluss am päpstlichen Hof; seine Freundschaft kam der gesamten Gefolgschaft zugute. Eine andere einflussreiche Persönlichkeit, die große Zuneigung und Verehrung für Caterina empfand, war die Schwester des Papstes, die Gräfin von Valentinois, die den Wunsch äußerte, beim Empfang der Kommunion anwesend sein zu dürfen. Als sie am Sonntagmorgen auf Einladung von Fra Raimondo ins Haus kam, brachte sie neben einigen anderen auch die junge Frau des Neffen des Papstes, die Dame Elys de Turenne, mit. Nach der Messe, als Caterina in Ekstase versunken war, dachte diese junge Frau, sie würde das nur vortäuschen, beugte sich unter dem Vorwand, ihre Füße küssen zu wollen, darüber und stach sie mit einer Nadel oder einem anderen spitzen Gegenstand durch und durch. Caterina blieb empfindungs- und bewegungslos. Als sie aber wieder zu sich kam, litt sie so große Schmerzen durch die Wunden, dass sie kaum auftreten konnte; jetzt erst sahen ihre Gefährten, was geschehen war.[10] Bei einer anderen Gelegenheit bestand die Mätresse eines Kardinals – entweder aus Neugier oder um die Eingebungen der Heiligen auf die Probe zu stellen – darauf, mit ihr zu sprechen, und stellte sich sehr theatralisch als eine Person geistlichen Lebens dar. Aber Caterina hielt entschlossen ihr Gesicht abgewandt, und die unselige Frau musste gehen, ohne ihre Gesichtszüge gesehen zu haben.
Merkwürdigerweise gibt es keine Aufzeichnungen oder Überlieferungen darüber, dass Caterina mit einem der französischen Kardinäle in Kontakt kam, obwohl sie zweifellos die persönliche Bekanntschaft von d’Estaing machte, den sie zuvor brieflich kennen gelernt hatte. Vielleicht ahnte sie von Anfang an, dass sie alle anderen bald als dimoni incarnati, als fleischgewordene Teufel, einstufen würde. Die politische Situation müsste sie mit zwei Italienern ins Gespräch gebracht haben, Jacopo Orsini und Piero Corsini, wobei ersterer der offizielle (von der Republik besoldete) Protektor Sienas am päpstlichen Hof war. Mit ziemlicher Sicherheit begegnete sie auch dem Kardinal von Aragon, Pedro de Luna, in den die „Diener Gottes“ (um die malerische Ausdrucksweise jener Epoche zu übernehmen) große Hoffnungen setzten, und war von ihm zweifellos beeindruckt. Wir erfahren auch von einem anderen Prälaten, der kein Kardinal war, der sich ihr zunächst widersetzte, sich aber schließlich auf ihre Seite schlug. Es handelt sich um Bartolommeo Prignano, den damaligen Erzbischof von Acerenza und Assistent des Vizekanzlers beim Heiligen Stuhls, der eine herausragende Rolle im Drama ihrer letzten Tage spielen sollte.
In der Zwischenzeit trieb Gregor scheinbar seine Vorbereitungen für die Reise nach Italien voran. Aber die aufmerksamen Beobachter bezweifelten, dass er die geistige Kraft haben würde, die Hindernisse zu überwinden, die sich ihm in den Weg stellten. In seiner Depesche vom 17. Juli teilte Cristoforo da Piacenza Lodovico Gonzaga mit, dass einige päpstliche Beamte bereits aufgebrochen seien und dass sich Francesco Orsini auf dem Weg nach Rom befände, um die Römer mit den Absichten des Papstes vertraut zu machen und die Lehnsträger der Kirche anzuweisen, sie mögen sich bereithalten, um Seine Heiligkeit mit gebührenden Ehrenbezeugungen am 20. September in einem Hafen in der Nähe von Rom zu empfangen. „Dennoch stellen sich seiner Abreise große Hindernisse entgegen, denn alle Kardinäle dieser Nation sind dagegen, ebenso sein eigener Vater und seine Brüder, und ich hörte, dass der Herzog von Anjou auf dem Weg hierher ist, um seine Abreise nach Möglichkeit zu verhindern. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich sehe viele Anzeichen, die auf seinen Aufbruch hindeuten: Herr Otto ist bereits mit sieben Galeeren und sieben kleineren Schiffen eingetroffen, die nun in Marseille liegen. Außerdem habe ich erfahren, dass die Galeere, die der Kommune von Ancona gehört und auf der der Papst reisen soll, ebenfalls in Marseilles ist.“[11]
Louis, Herzog von Anjou, Bruder des französischen Königs, ein ehrsüchtiger und labiler Fürst, traf am päpstlichen Hof ein und sah, dass Caterina den Papst beeinflusste. Gregor erklärte ihm, dass er unter allen Umständen, trotz seiner Liebe zu seinem Heimatland, gezwungen sei, im Interesse der Kirche Gottes nach Rom zurückzukehren. Entweder weil sein Herz tatsächlich berührt war oder weil er hoffte, ihren Einfluss seinen eigenen Zwecken dienlich machen zu können, überredete Louis Caterina, ihn von Avignon aus in sein Schloss nach Villeneuve[12] zu begleiten, um seine Frau mit ihrer liebevollen Fürsorge zu trösten. Caterina blieb drei Tage in Villeneuve und begeisterte den Herzog so sehr für den Kreuzzug, dass er versprach, sollte der Papst ihn dazu auffordern, werde er selbst eine Armee aufstellen und sie auf eigene Kosten über die Meere führen. Er bat sie, ihn zum König von Frankreich zu begleiten. Als sie sich demütig weigerte, veranlasste er sie, dem König jenen beredten Brief zu schreiben, den wir noch besitzen und in dem sie ihn aufforderte, sein Königreich zu erneuern und nicht länger zuzulassen, dass seine Kriege mit England die Befreiung des Heiligen Landes behindern, sondern Frieden zu schließen und dem Herzog zu ermöglichen, sein heiliges Vorhaben zu verwirklichen.[13] Gleichzeitig schrieb sie voll Freude an den Papst, dass Gott endlich die Mittel gesandt habe, „den heiligen Kreuzzug“ zu beginnen, da sie einen Fürsten gefunden hätten, der ein guter Führer sein würde. Gott befehle ihm aber noch einen anderen Kreuzzug zu beginnen: nämlich das Banner des Kreuzes gegen die verderbten und bösen Geistlichen zu erheben und der Kirche stattdessen gute Hirten und Lenker zu geben.[14] Kurze Zeit später, nach ihrer Rückkehr nach Avignon, als Caterina erfuhr, dass Louis bei einem Bankett durch den Einsturz einer Mauer nur knapp dem Tod entgangen war, ermahnte Caterina ihn in einem Brief, das Geschehene stets als ein Zeichen Gottes für die Vergänglichkeit irdischer Freuden im Gedächtnis zu behalten, sein Herz und sein Verlangen fest an das Kreuz zu heften und das Kreuz in Gegenwart des Papstes in aller Form zu übernehmen, bevor dieser abreise.[15] Doch die Entschlossenheit und die Ambitionen des Herzogs schwanden bereits dahin, und sein späterer Lebenslauf hätte Caterina – so sie ihn noch erlebt hätte – als Verrat aller Hoffnungen erscheinen müssen, die sie in ihn gesetzt hatte.
Caterina war nach Avignon zurückgekehrt, um mit den französischen Kardinälen einen verzweifelten Kampf um die Seele des Papstes aufzunehmen. Trotz seiner Vorbereitungen war Gregor schwankend. „Sag ihm“, hatte sie Christus in ihrem Herzen sprechen hören, als er nach einem Zeichen verlangte, „dass Ich ihm dies als besonderes Zeichen gebe, dass es Mein Wille ist, dass er gehen soll: Je mehr man sich seinem Weggehen widersetzt und ihm widerspricht, desto mehr wird er eine solche Stärke in sich fühlen, die ihm niemand nehmen kann, was ganz gegen seine sonstige Gewohnheit ist.“[16] Im Heiligen Kollegium unterstützte nur Kardinal d’Estaing als einziger seiner Landsleute den Papst in seinen Vorbereitungen; Orsini, Corsini und Pedro de Luna waren neutral. Aber die Übrigen widersetzten sich vehement der Abreise, und der massive Einfluss des Königs von Frankreich stärkte ihnen den Rücken.
Es hat den Anschein, dass der Papst diese zu sehr fürchtete, um Caterina noch offen zu sich kommen zu lassen. Die Kommunikation zwischen ihnen beschränkte sich nun eine Zeit lang auf Boten und Briefe. Einmal sandte ihr der Papst eine kurze Nachricht, in der er ihr mitteilte, dass die Kardinäle behaupteten, Papst Clemens IV. hätte nichts ohne den Rat des Heiligen Kollegiums unternommen und wäre stets ihrem Rat gefolgt, auch wenn er selbst anderer Meinung war. „O weh! Heiligster Vater“, antwortete sie, „diese Männer verweisen Euch auf Papst Clemens IV., aber sie sagen Euch nichts über Papst Urban V., der ihren Rat einholte, wenn er im Zweifel war, ob es besser sei, etwas zu tun oder nicht; aber wenn ihm eine Sache völlig klar war, wie es für Euch die Abreise ist (von der Ihr überzeugt seid), so schenkte er ihrem Rat keine Beachtung, sondern folgte seinem eigenen und kümmerte sich nicht darum, wenn sie auch alle dagegen waren. Folgt dem Rat derer, die die Ehre Gottes, das Heil der Seelen und die Erneuerung der heiligen Kirche im Sinn haben, nicht dem Rat derer, die nur ihr eigenes Leben, ihre Ehren, ihren Status und ihre Annehmlichkeiten lieben. Ich bitte Euch im Namen des gekreuzigten Christus: Lasst es Eurer Heiligkeit ein Anliegen sein, und zwar so schnell wie möglich. Greift zu einer heiligen Täuschung: Gebt Euch den Anschein, als würdet Ihr noch einige Zeit zuwarten, und tut es dann rasch und plötzlich, denn je schneller es geschieht, desto eher werdet Ihr von diesen Qualen und Schwierigkeiten befreit. Schon einmal haben sie Euch in die Falle gelockt, als Ihr Euer Kommen verzögert habt, Schlingen, die der Böse ausgelegt hat, damit eben jener Verlust und jenes Böse entstehen sollte, das entstanden ist. Als ein weiser Mann, der vom Heiligen Geist geleitet wird, werdet Ihr Euch nicht nochmals in dieser Schlinge verfangen.“[17]
Gregor trug Raimondo auf, sie möge Gott um Erleuchtung bitten, um zu sehen, ob ihm irgendein Hindernis begegnen würde. Sie antwortete, sie habe bereits gebetet, vor und nach der heiligen Kommunion, und sie hätte keine Gefahr irgendeiner Art auf dem Weg erkannt. „Ich habe gebetet und werde unseren lieben, guten Jesus bitten, er möge alle knechtische Furcht von Euch nehmen und nur die heilige Furcht belassen. Ein solches Feuer der Liebe möge in Euch glühen, dass Ihr nicht auf die Stimmen jener fleischgewordenen Dämonen hört, noch diesen falschen Ratgebern folgt, die nur von ihrer Eigenliebe getrieben werden. Wie ich erfahre, versuchen sie Euch Angst zu machen und Euer Kommen zu verhindern, indem sie behaupten, Ihr würdet getötet werden. Ich aber sage Euch im Namen des gekreuzigten Christus, liebster und heiligster Vater, fürchtet Euch nicht im Geringsten! Kommt voll Zuversicht im Vertrauen auf den lieben Jesus Christus. Denn wenn Ihr Eure Pflicht erfüllt, wird Gott über Euch wachen, und niemand wird gegen Euch sein. Auf, seid tapfer, Vater! Denn ich versichere Euch, dass Ihr nichts zu befürchten habt – es sei denn, Ihr würdet Euch weigern und nicht tun, was Ihr tun sollt, dann hättet Ihr allerdings Grund zur Furcht. Ihr seid verpflichtet zu kommen: Also kommt! Kommt, voll Liebe, ohne jede Furcht. Und wenn jemand aus Eurer Umgebung Euch zurückhalten will, sagt ihm kühn, was Christus dem Petrus sagte, als dieser Ihn aus Sorge von Seinem Leiden zurückhalten wollte: Weg von mir, Satan! Du bist mir ein Ärgernis: Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern das, was die Menschen wollen.“[18]
Das schöne Gebet, das Caterina bei dieser Gelegenheit sprach, wurde von Tommaso Petra, einem italienischen Protonotar am päpstlichen Hof, der einer ihrer Schüler wurde und später Sekretär von Gregors Nachfolger war, aufgezeichnet und ist uns so erhalten geblieben: „O höchste und unaussprechliche Gottheit“, betete sie zum Schluss, „ich habe gesündigt, und ich bin nicht würdig, zu Dir zu beten, aber Du hast die Macht, mich würdig zu machen. Strafe also meine Sünden, o Herr, und sieh nicht auf mein Elend. Den Leib, den ich habe, gebe ich Dir zurück und biete ihn Dir dar; hier ist mein Fleisch, hier ist mein Blut. Lass meine Adern geöffnet, meinen Leib vernichtet und meine Gebeine verstreut werden für all jene, für die ich zu Dir bete. Wenn es Dein Wille ist, lass meine Knochen zermalmt werden für Deinen Stellvertreter auf Erden, den einzigen Bräutigam Deiner Braut. Für ihn bitte ich Dich, erhöre mich! Gib, dass Dein Stellvertreter Deinen Willen erkennen, lieben und erfüllen möge, damit wir nicht zugrunde gehen! Schenke ihm ein neues Herz, damit er ständig in der Gnade wachse, stark genug, um das Banner des heiligsten Kreuzes aufzurichten.“[19]
Von Beginn an hatten die Florentiner den Krieg vorangetrieben, wozu sie angesichts der heranrückenden Bretonen auch gezwungen waren. Rodolfo Varano, Herr von Camerino, ein Lehnsmann der Kirche, war zum Generalkapitän der Liga ernannt und nach Bologna entsandt worden. Bartolommeo di Smeduccio wurde ebenfalls in die Dienste der Republik gestellt und mit dem Feldzug in den Marken betraut. Bartolommeo war ein persönlicher Feind von Rodolfo, und die beiden würden nicht zusammenarbeiten; aber er hegte einen tödlichen Hass gegen Gomez Albornoz, der versucht hatte, ihn durch Verrat um San Severino zu bringen, und es war ihm zuzutrauen, dass er alle seine Kräfte zur Einnahme der Zitadelle von Ascoli einsetzen würde. Die Bretonen waren am 12. Juli in Borgo di Panicale im Umland von Bologna eingefallen, hatten Crespolano eingenommen und geplündert und verwüsteten das gesamte Land rundum mit Feuer und Schwert, wobei der Kardinal von Genf sie noch darin bestärkte und ihren schlimmsten Ausschreitungen Lob zollte. Rodolfo, obwohl an der Spitze einer mächtigen Streitmacht, begnügte sich damit, Bologna zu halten, und unternahm keine ernsthaften Anstrengungen, gegen sie ins Feld zu ziehen. Auch andernorts bekamen die Florentiner das Gewicht der päpstlichen Sanktionen zu spüren. Durch die Ausweisung ihrer Kaufleute und die Inhaftierung ihrer anderen Bürger in Avignon waren sie von ihrem Gewinn bringenden Handel mit der Provence und dem päpstlichen Hof abgeschnitten. Obwohl Frankreich, Spanien und England die päpstlichen Dekrete nicht buchstabengetreu befolgten, wurde in den beiden erstgenannten Ländern genug getan, um dem Handel der Republik schweren Schaden zuzufügen, und die vertriebenen florentinischen Kaufleute kehrten aus allen Teilen der Welt in die Stadt zurück.[20] Die Pisaner weigerten sich, in dieser Sache aktiv zu werden; die Königin von Neapel aber entschloss sich nach einigem Zögern, alle Florentiner aus ihrem Hoheitsgebiet zu verjagen und im Namen der Kirche die Waffen zu ergreifen. Als die Nachricht am 16. August Florenz erreichte, wurden Ristoro Canigiani und Benedetto Strozzi sofort als Gesandte der Kommune nach Neapel entsandt, um Johanna zur Rücknahme ihrer Entscheidung zu bewegen. Die Einbeziehung Messer Ristoros in diese Misison ist ein bemerkenswertes Zeichen für die Einigkeit aller Parteien in Florenz zur Verteidigung der Republik.[21] Ihre Mission blieb erfolglos; aber im September wurden die Streitkräfte der Königin, die zur Verteidigung von Ascoli vorrückten, durch Bartolommeo di Smeduccio völlig aufgerieben und zurückgedrängt. Zu Beginn desselben Monats wurde eine Verschwörung aufgedeckt, Bologna an den Kardinal von Genf und den Marquis von Ferrara zu verraten. Mehrere Bologneser Bürger wurden hingerichtet, andere unter Arrest gestellt.
Der faktische Abbruch der Verhandlungen ging vom Papst aus. Den Florentinern zufolge verlangten die gestellten Bedingungen die Preisgabe ihrer Alliierten, der aufständischen Städte des Kirchenstaates, und die Zahlung einer Entschädigungssumme von drei Millionen Florinen. Selbst den päpstlichen Legaten, den Kardinälen d’Estaing und Aycelin, schien das übertrieben, und sie schlugen gewisse Abänderungen vor, auf die Gregor antwortete, er würde lieber das Martyrium des heiligen Bartholomäus erleiden als zuzustimmen. Er sandte den Kämmerer, Pierre de Cros, mit dem strikten Aufforderung zu den Gesandten, den Hof in Avignon unverzüglich zu verlassen. Die drei erreichten Florenz am 22. September; ihr Bericht, den sie offiziell der Signoria und einem Rat, der sich aus einer Reihe von führenden Bürgern zusammensetzte, vorlegten, sorgte in der ganzen Stadt für äußerste Empörung und Beunruhigung. Am Tag nach ihrer Ankunft schrieben die Acht an Bernabo Visconti, dass das Kommen des Papstes nach Italien nun sicher sei und es daher mehr denn je notwendig wäre, ihre Kräfte zu verstärken; denn ehe nicht seine Macht vollständig gebrochen sei, würden sie niemals in der Lage sein, einen annehmbaren Frieden von ihm zu erzwingen. Einige Tage später schrieb die Signoria an den Kaiser, den König von Ungarn, den Dogen von Venedig und den Dogen von Genua und fügte Abschriften der vom Papst angebotenen Bedingungen bei, in denen sie erklärte, dass selbst wenn die Stadt einer langen Belagerung ausgesetzt wäre und der Sieger bereits innerhalb ihrer Mauern herrschen würde, diese Bedingungen ungeheuerlich wären. Es wurde beschlossen, das Eigentum der Kirchen zu beschlagnahmen und zu verkaufen, um damit den Krieg zu finanzieren.[22]
„O weh! O weh! Liebster Bruder“, schreibt Caterina an Buonaccorso di Lapo Giovanni, „ich bin tief betrübt über die Art und Weise, in der man vom Heiligen Vater den Frieden begehrt. Denn man hat mehr mit Worten als mit Taten argumentiert. Ich sage das, weil sie, als ich damals zu Euch und Euren Herren kam, mit ihren Worten zeigten, dass sie ihre Fehler bereuten, und es schien, als wollten sie sich demütigen und vom Heiligen Vater Gnade erflehen. Denn als ich zu ihnen sagte: ‚Seht, meine Herren, wenn ihr wirklich Demut in Taten und Worten beweisen wollt und wenn ich Euch dem Vater darbringen soll wie Söhne, die tot waren, will ich mir äußerste Mühe geben, euren Wunsch zu erfüllen. Auf keine andere Weise würde ich gehen‘, antworteten sie mir, dass sie einverstanden wären.
O weh! O weh! Liebste Brüder, das wäre der angemessene Weg und die Pforte gewesen, durch die Ihr hättet eintreten können. Es gibt keine andere. Wäret Ihr diesem Weg in Taten wie in euren Worten gefolgt, so hättet Ihr den herrlichsten Frieden erlangt. Ich sage das nicht ohne Grund, denn ich kenne die Einstellung des Heiligen Vaters. Aber da wir von diesem Weg abwichen, den ausgeklügelten Methoden der Welt folgten und ganz anders handelten, als es von Euch vereinbart worden war, hatte der Heilige Vater allen Grund, bestürzt und nicht friedensbereit zu sein. Als Eure Gesandten hierherkamen, wollten sie sich nicht an das halten, was ihnen die Diener Gottes empfohlen hatten. Ihr habt auf Eure Weise weitergemacht, und ich konnte mich nie mit ihnen beraten, obwohl Ihr mir das versprochen hattet, als ich um ein Empfehlungsschreiben bat. Ihr gabt mir zur Antwort, Ihr würdet sie anweisen, dass wir über alles gemeinsam beraten sollten. Eure demütigen Worte entstammten mehr der Furcht und nicht dem Geist der Liebe und Tugend. Aber seht Ihr denn nicht, wie viel Böses und wie viele unerwünschte Dinge aus Eurer Starrköpfigkeit entstanden sind?
O weh! O weh! Löst Euch aus der Fessel des Stolzes, verbindet Euch mit dem demütigen Lamm und verachtet nicht dessen Stellvertreter; handelt nicht gegen ihn! Nicht weiter so, um des gekreuzigten Christus willen! Verschmäht nicht Sein Blut, sondern tut jetzt, was Ihr bisher nicht getan habt. Seid nicht verbittert und entrüstet, wenn es Euch scheint, dass die Forderungen des Heiligen Vaters hart und unmöglich zu erfüllen seien. Er wird nicht mehr verlangen, als in Euren Kräften steht, sondern er handelt nur wie ein echter Vater, der seinen Sohn straft, wenn er Unrecht tut. Er tadelt ihn streng, damit er demütig wird und seinen Fehler eingesteht; und der gute Sohn ist seinem Vater nicht böse, weil er erkennt, dass dies nur aus Liebe zu ihm geschieht. Deshalb sage ich Euch im Namen des gekreuzigten Christus: So oft ihr von Eurem Vater, dem Christus auf Erden, abgewiesen werdet, so oft müsst Ihr wieder zu ihm zurückkehren. Vertraut auf ihn, denn er hat seine Gründe.
Und nun kommt er zu seiner Braut, an den Ort der heiligen Apostel Petrus und Paulus. Seht zu, dass Ihr sofort zu ihm geht mit wahrer Demut im Herzen und voll Reue über Eure Fehler, indem Ihr den heiligen Vorsatz befolgt, mit dem Ihr begonnen habt. Wenn ihr so handelt, werdet ihr inneren und äußeren Frieden finden. Wenn ihr aber anders handelt, werden wir in solche Schwierigkeiten geraten, wie es unsere Vorfahren niemals erlebt haben. Denn wir werden den Zorn Gottes auf uns herabrufen und am Blut des Lammes nicht mehr teilhaben. Mehr sage ich nicht.
Seid so eifrig bemüht, wie ihr könnt, jetzt, da der Heilige Vater sich nach Rom begeben wird. Ich habe alles getan und werde alles tun, was ich vermag, selbst bis zum Tod, zur Ehre Gottes und für Euren Frieden, damit dieses Problem beseitigt wird, denn es verhindert den süßen und heiligen Kreuzzug; denn selbst wenn dies das einzige Übel wäre, das aus unserer Rebellion entstünde, so würden wir dafür tausend Mal die Hölle verdienen. Seid getrost in Christus, unserem lieben Jesus, denn ich hoffe, dass Ihr dank seiner Güte einen wahren Frieden haben werdet, wenn Ihr den Weg einschlagt, den Ihr einschlagen sollt.“[23]
Caterina hätte Avignon schon gerne früher verlassen, aber der Papst, der seine spirituelle Verfassung offenbar noch als zu schwach empfand, wollte sie bis zum Tag seiner Abreise bei sich haben. Und das nicht ohne Grund. Die französischen Kardinäle unternahmen einen letzten Versuch, ihn zurückzuhalten, und verfassten einen offensichtlich anonymen Brief, den sie jedoch einer Person zuschrieben, die für ihre Heiligkeit und ihre prophetische Gabe bekannt war (möglicherweise dem Franziskaner Peter von Aragon, den er sehr schätzte) und in dem sie die Absicht des Papstes, nach Rom zurückzukehren, lobten, ihn jedoch davor warnten, dass man versuchen würde, ihn zu vergiften, wenn er nach Italien käme, und ihm daher rieten, den Aufbruch zu verschieben, bis die Angelegenheit untersucht sei, und auf jeden Fall zuerst den Kreuzzug auszurufen.
Der Brief wurde offenbar Caterina gezeigt, wahrscheinlich von Frau Raimondo, auf Bitte des Papstes. Sie schrieb umgehend an Gregor und entlarvte den Brief unmissverständlich als Werk eines fleischgewordenen Teufels, „der das schlimmste Gift ausstreut, das seit langem in der heiligen Kirche ausgesät wurde“, und als eine handfeste Fälschung seitens teuflischer Ratgeber, die die Erneuerung der Kirche aus persönlichen Gründen verhindern wollten. „Abschließend würde ich also zusammenfassen: Ich glaube nicht, dass der an Euch gerichtete Brief von jenem Diener Gottes stammt, der Eurer Heiligkeit genannt wurde, noch dass er weit weg von Euch geschrieben wurde. Im Gegenteil, ich denke, dass er ganz in der Nähe entstanden ist, verfasst von den Dienern des Teufels, die wenig Furcht vor Gott haben. Aber gesetzt den Fall, dass er dennoch von diesem Mann käme, so würde ich ihn nicht für einen Diener Gottes halten, sofern ich nur dies von ihm zu sehen bekäme. Verzeiht mir, Vater, wenn ich allzu vermessen gesprochen habe. Ich bitte Euch demütig um Verzeihung und um Euren Segen. Bleibt in der heiligen und süßen Liebe Gottes. Um der Ehre Gottes willen erbitte ich von seiner unendlichen Güte die Gnade, dass ich Euch bald sehen kann, wie Ihr den ersten Schritt über die Schwelle des Palastes setzt in Frieden und Ruhe und im inneren Gleichklang von Seele und Leib. Ich bitte Euch, lieber Vater, gewährt mir eine Audienz, wann immer es Eurer Heiligkeit gefällt, denn ich möchte Euch gerne persönlich sehen, bevor ich abreise. Weil die Zeit kurz ist, sollte es möglichst bald sein, wenn es Euch recht ist.“[24]
Wir haben keine Aufzeichnungen darüber, was bei diesem Gespräch zwischen Caterina und Gregor geschah – ihren Abschied von ihm, bis sie einander auf italienischem Boden wiedersehen sollten (wenngleich nur einmal, wie sich herausstellen sollte). Zuletzt stand der Entschluss des Papstes fest. Die Galeeren, die seit Wochen vergeblich in Marseille warteten, wurden in aller Heimlichkeit bereit gemacht, und Gregor verkündete plötzlich zum ungläubigen Entsetzen des Heiligen Kollegiums seine Absicht, unverzüglich abzureisen.
Am 13. September 1376 verließ Gregor den päpstlichen Palast in Avignon, um an den Sitz der Apostel zurückzukehren. Eine trauernde Menge beobachtete schweigend seine Abreise. Am Tor des Palastes warf sich ihm sein betagter Vater, Graf Guillaume de Beaufort, zu Füßen und rief: „Mein Sohn, wohin gehst du? Werde ich dich nie mehr sehen?“ „Es steht geschrieben“, antwortete der Papst, „über Nattern und Ottern wirst du schreiten“ [Vulg. Ps 91,13]. Und er stieg über den ausgestreckten Körper seines Vaters – so gut hatte er die Lektion gelernt, die Caterina ihm von Anfang an einzuprägen versucht hatte, dass nämlich die tenerezza dei parenti – die Anhänglichkeit an die Eltern und Verwandten – zu den ersten Dingen gehörte, die Christus seinem Stellvertreter aus dem Herzen verbannen wollte.[25]
Von Anfang an schienen böse Vorzeichen die Abreise des Papstes zu begleiten. Sein Maultier scheute und war nicht von der Stelle zu bewegen, aber ein anderes wurde gebracht und Gregor setzte unbeirrt seinen Weg fort. Sechs Kardinäle – darunter der Kardinal von Pamplona (Pierre de Montirac, Vizekanzler der Kirche), Gilles Aycelin und Anglico de Grimoard (der als Erzbischof der Stadt weiterhin sein Amt versah) – blieben in Avignon zurück. Die Übrigen begleiteten den Papst zusammen mit den päpstlichen Beamten in einem feierlichen Zug, der sich in kleinen Etappen in Richtung Marseille bewegte, wo sie am 20. September ankamen. Hier lag die päpstliche Flotte – zweiundzwanzig Galeeren und eine Reihe kleinerer Schiffe unter dem Oberkommando des Großmeisters des Johanniterordens – in Bereitschaft. Aber der Papst ging erst am 2. Oktober an Bord. Es scheint, als hätte er seine Abreise aus seinem geliebten Heimatland so lang wie möglich aufschieben wollen. „O Gott“, schreibt Pietro Amelio da Alete, der Augustiner-Bischof von Senigallia, „wer könnte sich je vorstellen, wie zahlreich und bitter die Rufe, das Weinen und die Klagen waren, die ausbrachen! Nie zuvor gab es solchen Kummer. Der Papst selbst weinte. Jede Wange war nass von Tränen. Die Herzen aller schienen brechen zu wollen.“[26] Die Flotte fuhr langsam von Hafen zu Hafen entlang der Riviera, geriet auf See in ein schweres Unwetter und erreichte schließlich am 18. Oktober Genua.
Hier warteten Caterina und ihre Begleiter auf die Ankunft des Papstes. Sie hatte Avignon am Tag seiner Abreise, dem 13. September, verlassen und war auf dem Landweg gereist, wofür sie der Papst und der Herzog von Anjou mit den nötigen Mitteln ausgestattet hatten. Auf ihrer Reise begegnet sie uns zuerst in Toulon, wo „obwohl wir alle darüber schwiegen“, wie Fra Raimondo schreibt, „die Steine selbst zu rufen schienen, dass die heilige Jungfrau in die Stadt gekommen sei“, und wo sie auf wunderbare Weise ein Kind heilte; dann in Voragine (dem heutigen Varazze), das sie durch die Pest entvölkert vorfand. Sie sagte den Überlebenden eine glücklichere Zukunft für ihre Stadt voraus und empfahl sie dem besonderen Schutz der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und der Madonna.[27] Anfangs Oktober erreichte sie Genua, wo sie mit ihrer ganzen Gefolgschaft einen Monat lang im Haus einer vornehmen Dame der Stadt, Madonna Orietta Scotti, wohnte, deren Ehemann, Messer Barnaba Scotti, angeblich von einem schottischen Glücksritter abstammen soll, der zur Zeit Karls des Großen nach Italien gekommen war.
Die unruhige Fahrt übers Meer hatte die Nerven des Papstes angegriffen, und die Nachrichten, die er bei seiner Landung erhielt, verstärkten seine Bestürzung. Am 12. Oktober hatten die Acht aus Florenz an die Römer geschrieben und sich erstaunt gezeigt über ihren Glauben an das Kommen des Papstes, der sich in Marseille aufhalte und nach einem Vorwand suche, um nach Avignon zurückkehren zu können: „Und wenn er kommt, wird es nicht auf friedfertige Weise sein, sondern begleitet von kriegerischer Wut. Wir sind fest davon überzeugt, dass seine Anwesenheit euch nichts anderes als Krieg und Verwüstung bringen wird.“[28] In Rom kam es zu Volksaufständen; und die Florentiner führten den Krieg um Bologna und Ascoli weiter. Obwohl der Empfang der Kurie durch die Genueser herzlich und enthusiastisch war, erklärte sich der Doge sogar in Anwesenheit des Papstes außerstande, die päpstlichen Maßnahmen gegen die Florentiner in der Stadt zu veröffentlichen. Die französischen Kardinäle übertrieben alle Berichte, stellten das stürmische Wetter als göttliche Warnung dar und drängten den Papst, die Situation nochmals zu überdenken. Ein Konsistorium wurde einberufen, bei dem vorgeschlagen wurde, sie sollten nach Avignon zurückkehren, und Gregor war nahe daran nachzugeben.
Aber der Papst dachte noch immer an Caterina, der er offenkundig seit seiner Ankunft noch nicht begegnet war. Er fürchtete sich, sie zu sich zu rufen, weil dies unter den Kardinälen Kritik und Widerspruch hervorrufen würde. Zudem hielt er es für eine Beeinträchtigung seiner Würde, sie offen am Tage aufzusuchen, wenn sich die Menschen drängten, um sie zu sehen und ihre Worte zu hören. Am Abend, am Tag des Konsistoriums, kam er verkleidet ins Haus von Orietta Scotti. Caterina fiel ihm zu Füßen; er forderte sie auf, sich zu erheben, da er selbst ein Bittsteller sei, und bat sie, ihm die Gnade der Erleuchtung zu erbitten, welchen Weg er einschlagen solle. Nach einer langen Unterredung mit ihr verabschiedete sich Gregor, voll Erbauung und mit wieder erstarktem Mut.[29] Er informierte sofort die Kardinäle von seiner Entscheidung zur Weiterfahrt und befahl der Flotte in See zu stechen. Am 29. Oktober verließ er Genua, und Caterina sollte ihn nie mehr in ihrem Leben wiedersehen.
Caterina selbst hielt sich nach der Abreise des Papstes noch einige Wochen in Genua auf, teils wegen ihrer unermüdlichen Arbeit für die Rettung der Seelen, teils wegen des Ausbruchs einer Krankheit unter ihrer Gefolgschaft. Stefano Maconi berichtet uns, dass sie nahezu alle krank wurden und dass Madonna Orietta äußerst besorgt über sie wachte und jeden Tag zwei Ärzte zu ihrer Betreuung kommen ließ. Neri di Landoccio und Stefano selbst, der die anderen gepflegt hatte, litten am meisten von allen, wobei der erstere schon mit einem Fuß im Grabe stand, und beide schienen durch Caterinas Gebete und ihre geistliche Kraft auf wundersame Weise wieder gesund zu werden.[30] „Seid ganz getrost und habt Geduld“, schrieb sie an Stefanos Mutter, Giovanna Maconi, „und seid nicht besorgt, weil ich Stefano zu lange zurückgehalten habe. Ich habe gut auf ihn Acht gegeben. Durch Liebe und Zuneigung bin ich eins mit ihm geworden, und deshalb habe ich das Eure so behandelt, als ob es das Meine wäre. Ich bin gewiss, dass Ihr nicht wirklich böse seid. Für Euch und für ihn zusammen würde ich bis zum Äußersten gehen, selbst bis zum Tod. Ihr, Mutter, habt ihn einmal geboren; und ich möchte ihn und Euch und Eure ganze Familie unter Tränen und Mühen gebären, durch ständiges Gebet und durch das Verlangen nach Eurem Heil.“[31]
Und an ihre eigene Mutter Lapa, die die lange Abwesenheit ihrer Tochter beklagte und sich beschwerte, man habe sie im Stich gelassen, schrieb sie einen liebevollen Trostbrief „mit dem Wunsch, Dich als wahre Mutter nicht nur meines Leibes, sondern meiner Seele zu sehen.“ „Liebste Mutter, Du weißt, dass ich dem Willen Gottes gehorchen muss, und ich weiß, dass Du willst, dass ich gehorche. Es war Gottes Wille, dass ich abgereist bin – was nicht ohne Geheimnis war und gute Früchte brachte. Es war auch Gottes Wille, dass ich geblieben bin, und nicht der Wille eines Menschen; und wenn jemand das Gegenteil behauptet, ist es falsch und nicht die Wahrheit. Und so werde ich weiter gehen müssen, um seinen Spuren zu folgen, auf welchem Weg und zu welcher Zeit es seiner unermesslichen Güte gefällt. Wie eine gute und liebe Mutter sollst Du zufrieden sein und Dich nicht betrüben, wenn Du alle Lasten zur Ehre Gottes und zu Deinem und meinem Heil trägst. Erinnere Dich daran, dass Du das um der zeitlichen Güter willen getan hast, als Deine Söhne Dich verließen, um irdischen Besitz zu erwerben. Jetzt aber, wo es darum geht, das ewige Leben zu erwerben, scheint es Dir eine solche Last zu sein, dass Du meinst, Du müsstest vergehen, wenn ich Dir nicht sofort antworte. Das alles geschieht, weil Du den Teil, den ich von Dir empfangen habe, nämlich Dein Fleisch, mit dem Du mich bekleidet hast, mehr liebst als den Teil, den ich von Gott empfangen habe. Erhebe, erhebe Dein Herz und Dein Gemüt zu diesem süßen und heiligen Kreuz, vor dem jede Last leicht wird. Sei bereit, einen kleinen endlichen Schmerz zu ertragen, um dem unendlichen Schmerz zu entgehen, den wir für unsere Sünden verdient haben. Sei nun getrost, um der Liebe des gekreuzigten Christus willen, und halte Dich nicht für verlassen, weder von Gott noch von mir. Nein, Du wirst getröstet werden und vollen Trost erhalten. Wie groß auch Dein Kummer gewesen sein mag, Deine Freude wird gewiss noch viel größer sein. Mit Gottes Hilfe werden wir bald nach Hause kommen.“[32]
Anfang November verließen Caterina und ihre Begleiter Genua auf dem Seeweg. Nachdem sie unterwegs knapp einem Schiffbruch entgangen waren, landeten sie in Livorno und zogen von dort aus weiter nach Pisa, wo Lapa, Fra Tommaso della Fonte und die anderen sie erwarteten. Von Pisa aus sandte Caterina Stefano mit Briefen und Botschaften nach Siena, um den Weg für ihre Rückkehr vorzubereiten;[33] und vermutlich gegen Mitte Dezember befand sie sich wieder in ihrer Vaterstadt.
Inzwischen hatte Gregor seine Reise fortgesetzt, verfolgt von Stürmen auf See und durch finstere Gerüchte beunruhigt, wo immer er an Land ging. In Livorno, das er am 10. November erreichte, wurde er von Piero Gambacorti und seinen Söhnen empfangen, die ihn gemeinsam mit den Gesandten aus Lucca nochmals dringlich baten, mit den Florentinern Frieden zu schließen. Aber der Papst wollte kein Wort darüber hören, sondern ordnete an, neue Anklagen gegen sie zu veröffentlichen. Ein furchtbares Unwetter zog auf und zerstreute die Flotte; die Galeeren der Kardinäle von Amiens und Glandèves sanken, aber ihr Leben wurde gerettet. Der größere Teil der Schiffe gelangte nach Port‘ Ercole. Gregor selbst wurde mit sechs Galeeren auf die Insel Elba verschlagen, von wo aus er einen Brief an die Kardinäle sandte, um sie zu ermutigen, „weil diese Stürme, denen er auf See standgehalten hatte, Zeichen eines großen Sieges seien und kein Fürst je nach Italien gelangt sei, ohne Stürme und Widrigkeiten auf See zu erdulden, wenn er sich später als Eroberer erweisen sollte, wie es das Beispiel des Aeneas und des Königs Karl gezeigt hatte.“[34] Schließlich erreichte der Papst am 4. Dezember die Küste des Kirchenstaates und ging im Hafen von Corneto an Land.
In Corneto blieb der Papst etwa sechs Wochen, um Weihnachten zu feiern und sich mit den Römern zu einigen, die von den Florentinern zum Aufstand angestachelt wurden. Hier erhielt er einen typischen Brief Caterinas, der kurz nach ihrer Rückkehr nach Siena verfasst worden war und in dem sie ihn zu Standhaftigkeit, Tapferkeit und Geduld aufforderte, ihn des Wohlwollens der Sieneser versicherte und ihn drängte, mit Zuversicht voranzugehen.[35] Doch es gab auch schlechte Nachrichten. Am 14. Dezember wurde die Zitadelle von Ascoli, aus der Gomez Albornoz entkommen war, um vergeblich Verstärkung zu holen, zur Übergabe an die Streitkräfte der Liga gezwungen. Eine Woche später scheiterte der Versuch, Città di Castello für die Kirche zurückzuerobern; Uguccione und Francesco, die Söhne des Marchese Angelo del Monte Santa Maria, wurden enthauptet; und Benedetto Strozzi und Ristoro Canigiani (ein weiterer Beweis der Solidarität aller Parteien in Florenz in der Verteidigung der Republik) wurden „mit einer Nachricht von den Acht des Krieges“ entsandt, um die Stadt in ihrer freundschaftlichen Beziehung mit der Kommune von Florenz zu bestärken.[36] Bolsena revoltierte gegen die Kirche, und Anfang Januar wurde eine päpstliche Streitmacht, die gegen Viterbo gezogen war und aus von der Königin von Neapel beigestellten Truppen bestand, von Francesco di Vico und den Florentinern vollständig besiegt.[37]
Doch dies alles wurde durch die Unterwerfung Roms mehr als wettgemacht. Am 21. Dezember wurde zwischen den Kardinälen d’Estaing, Corsini und Tebaldeschi im Namen der Kirche, der Regierung und des Volkes von Rom eine Vereinbarung getroffen, durch die den genannten Kardinälen als Vertretern des Papstes das gesamte Hoheitsgebiet der Stadt angeboten wurde, und zwar in derselben Art und Weise, wie sie vormals Urban V. angeboten worden war. Ganz Trastevere und die leoninische Stadt wurden Kardinal Tebaldeschi als päpstlichem Legaten übergeben. Der Papst verpflichtete sich seinerseits, die Signoria der Bandaresi – „die Vereinigung der Vollstrecker des Rechts und vier Räte, die Bogenschützen und Schildträger“ – zu bewahren und zu erhalten, wobei gleichzeitig gefordert wurde, dass ihm das Recht zuerkannt würde, die besagte Vereinigung zu erneuern.[38] Somit war das letzte Hindernis für die Rückkehr des Papstes zum Sitz der Apostel beseitigt. Am 13. Januar segelte die Flotte von Corneto ab. Eine angenehme und erfolgreiche Reise nach Ostia ließ die Hoffnungen und Erwartungen des Papstes und seines Hofstaates wachsen. Am 16. Januar segelten sie den Tiber aufwärts nach San Paolo fuori le Mura, wo sie mit allen Anzeichen von Begeisterung und Jubel durch die Bandaresi und das Volk von Rom empfangen wurden. Am nächsten Tag, am 17. Januar 1377, hielt Gregor seinen triumphalen Einzug in der Ewigen Stadt: „Wahrhaft“, schreibt der Bischof von Senigallia, „ich hätte nie im Leben erwartet, dass ich eine solche Herrlichkeit mit eigenen Augen sehen würde.“
[1] Epist. sine titulo, XVI.
[2] Legenda, III. vi. 26 (§ 420); Processus, S. 1337; Epistola Domni Stephani, § 11 [Prozess, S. 387].
[3] Gherardi, op. cit., Dok. 221, 228.
[4] Brief 230 (197); im Harley-MS.
[5] Gherardi, op. cit., Dok. 273, 274; Diario d‘Anonimo Fiorentino, S. 309.
[6] Legenda, III. vi. 27 (§ 421).
[7] Bericht datiert Avignon, 17. Juli. Osio, I. Dok. 124. Es ist merkwürdig, dass der Verfasser keine Erwähnung von Caterina macht.
[8] Legenda, II. iv. 7 (§ 152); Processus, S. 1325; [Prozess, S. 446]. Gregor hatte während des Konklaves ein Gelübde abgelegt, dass er nach Rom zurückkehren werde, sollte er zum Papst gewählt werden.
[9] Epistola Domni Stephani, §§ 22–24.
[10] Epistola Domni Stephani, § 11. Fra Bartolommeo, Processus, S. 1327 [Prozess, S. 449] erklärt allerdings, dass die erlittenen Verletzungen schwerwiegender waren, als Stefano sie beschreibt, und dass Caterina an den Folgen viele Tage hindurch litt.
[11] Osio, I. Dok. 124. Der Söldnerführer Herzog Otto IV. von Braunschweig-Grubenhagen (Fürst von Tarent) war der vierte Ehemann der Königin von Neapel.
[12] [Die 1942 von Laurent veröffentliche lat. Textausgabe des Prozesses benennt auf S. 317 die Burg Roquemaure, deren Ruinen einige Kilometer stromaufwärts heute noch zu sehen sind [vgl. Prozess, S. 469, Anm. 33].
[13] Processus, S. 1337; Brief 235 (186).
[14] Brief 238 (9).
[15] Brief 237 (190).
[16] Brief 238 (9).
[17] Brief 231 (7). Eine lateinische Übersetzung dieses Briefes, wahrscheinlich das, was Raimondo tatsächlich dem Papst vorgelegt hat, ist in der Palatina MS. 59 enthalten. Aber es gibt nicht die leiseste Begründung für die Behauptung von Augusta Drane (I. S. 378 n.), dass alle Briefe, die Caterina in Avignon an Gregor geschrieben hat, „auf Latein und nicht auf Italienisch“ geschrieben wären.
[18] Brief 233 (8). Sie hatte bereits früher an ihn geschrieben: „Gott hat Euch Autorität gegeben und Ihr habt sie angenommen. Ihr seid verpflichtet, Eure Macht und Stärke zu gebrauchen. Wenn Ihr sie aber nicht gebrauchen wollt, wäre es mehr zur Ehre Gottes und zu Eurem Seelenheil, wenn Ihr auf das, was Ihr angenommen habt, verzichten würdet.“ Brief 255 (13); Harley-MS.
[19] Orationi I. und II.
[20] Der Bischof von London, William Courtenay, veröffentlichte eine Bulle gegen die Florentiner, wurde jedoch von König und Kanzler gezwungen, diese Veröffentlichung wieder zurückzuziehen. Vgl. Dict. of National Biography, XII. S. 343. Im darauffolgenden Juni 1377 erfahren wir, dass sich die Signoria beim König und beim Herzog von Lancaster für die Gunst, die den Florentinern in England gewährt wurde, bedankt. Gherardi, op. cit., Dok. 357.
[21] Diario d‘ Anonimo Fiorentino, S. 313, 314. In Bezug auf einen anderen Schüler Caterinas ist jedoch zu bemerken, dass die Acht am 19. August an die Bologneser schrieben und ersuchten, die Wahl von Pietro, Marchese del Monte Santa Maria, zu ihrem Capitano auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, nicht weil er auf Grund seiner Tugend nicht der höchsten Ehren würdig wäre, sondern nur wegen seiner besonderen Ergebenheit gegenüber der Kirche und weil er in enger Beziehung zu den Ubaldini, ihren Todfeinden, stehe. Gherardi, op. cit., Dok. 294.
[22] Gherardi, op. cit., Dok. 304–307 (23. bis 28. September 1376); Diario d‘Anonimo Fiorentino, S. 323, wo dem Papst die Worte zugeschrieben werden: „O io disfarò al tutto Firenze, o Firenze disfarebbe la santa Chiesa –Entweder werde ich Florenz völlig vernichten, oder Florenz wird die heilige Kirche vernichten.“
[23] Brief 234 (215).
[24] Brief 239 (10), korrigiert durch das Harley-MS.
[25] Vgl. Capecelatro, S. 262, 263. Die Geschichte wird in der Quarta Vita Gregorii XI, Baluze, I. S. 481, berichtet, in der das Vorgehen des Grafen fälschlich der Mutter des Papstes zugeschrieben wird, die bereits tot war.
[26] Itinerarium Domini Gregorii Papae XI, eine lange und ausführliche Dichtung in leoninischen Versen, in: Rer. It. Script. iii. 2.
[27] Vgl. Augusta Drane, II. S. 6–8.
[28] Gherardi, op. cit., Dok. 309.
[29] Dieses Ereignis wird nur von Fra Tommaso im Supplementum berichtet; Tantucci, S. 48., 49 [Suppl. II, 1, 1]. Vgl. Oratione III., das Gebet, das die Heilige bei dieser Gelegenheit sprach.
[30] Epistola Domni Stephani, § 13 [Prozess, S. 390]; Legenda, II. viii. 21–24 (§§ 261–264).
[31] Brief 247 (355).
[32] Brief 240 (169).
[33] Zwei Briefe von Stefano in Siena an Neri in Pisa („al luogo de‘ frati di San Domenico, o vero di Santa Caterina“), datiert mit 29. November und 8. Dezember 1376, wurden von Grottanelli in den Lettere dei discepoli, 5 und 6, voll von kleinen scherzhaften Anspielungen, veröffentlicht.
[34] Bericht von Cristoforo da Piacenza an Lodovico Gonzaga, datiert: Rom, 13. Dezember 1376. Pastor, Acta Inedita, Dok. I.
[35] Brief 252 (11).
[36] Diario d‘Anonimo Fiorentino, S. 327.
[37] Luigi delle Vigne, ein Bruder Fra Raimondos, war einer der Ritter der Königin, die bei dieser Gelegenheit gefangen genommen wurden. Im Brief 254 (284) an Pietro di Jacomo Tolomei ersucht ihn Caterina, seinen Einfluss auf den Präfekten geltend zu machen, damit Luigi ohne Lösegeld freigelassen würde.
[38] Übereinkunft in Raynaldus, vii. S. 283.