Edmund G. Gardner

Die hl. Caterina von Siena

Eine Studie über Religion, Literatur und Geschichte
des 14. Jahrhunderts in Italien

16. Kapitel

Caterinas literarisches Werk

 

An ihrem Lebensende machte sich Caterina Gedanken über das geschriebene Wort, das sie hinterließ, damit es auch nach ihrem Tod noch zu vernehmen sein würde. Wir haben gesehen, wie sie in ihrem letzten Brief Fra Raimondo und den anderen literarischen Sachwaltern ihre Werke empfahl: il Libro e ogni scrittura la quale trovaste di me – das Buch und alle Schriften, die Ihr von mir vorfindet. Der literarische Wert dieser Hinterlassenschaft war vermutlich das Letzte, woran die Heilige, „diese selige Jungfrau und Mutter von Tausenden von Seelen“, wie Barduccio sie nennt, gedacht hätte; sie war niemals in irgendeinem herkömmlichen Sinn des Wortes eine „Literatin“. Dennoch zählen ihre geistlichen und mystischen Schriften zu den Klassikern in der Sprache ihres geliebten Heimatlandes und nehmen in der Tat eine Stellung von einzigartiger Bedeutung innerhalb der Literatur des vierzehnten Jahrhunderts ein.

In der kurzen Zeit zwischen ihrem Weggang aus Florenz und der Reise nach Rom, in den wenigen Monaten relativer Ruhe, die sie im Spätsommer und Frühherbst des Jahres 1378 in Siena verbrachte, hatte Caterina ihr wunderbares Buch fertiggestellt: den Dialogo oder Trattato della Divina Provvidenza – Traktat über die göttliche Vorsehung, auch bekannt als Libro della Divina Dottrina – Buch über die göttliche Lehre. „Als der Friede verkündet worden war“, schreibt Fra Raimondo, „kehrte sie in ihre Heimatstadt zurück und widmete sich mit aller Kraft der Fertigstellung eines Buches, das sie, vom Heiligen Geist inspiriert, in ihrer Muttersprache diktierte. Sie bat ihre Sekretäre (die es gewohnt waren, die Briefe zu schreiben, die sie nach allen Richtungen aussandte), aufmerksam zu beobachten, wenn sie wie gewöhnlich ihrer leiblichen Sinne entrückt war, und alles, was sie dann diktierte, sorgfältig aufzuschreiben. Das taten sie mit großer Aufmerksamkeit und stellten so jenes Buch voll hoher und heilsamer Lehren zusammen, die ihr von Gott offenbart worden waren und von ihr mündlich in der Umgangssprache diktiert worden waren.“[1] In ihrem letzten Brief bezeichnet Caterina es einfach als il libro nel quale io trovava alcuna recreazione – das Buch, in dem ich ein wenig Erholung fand. Obwohl ihre Freunde und Schüler beschreiben, dass sie es ihren Sekretären diktiert hat, während sie „ihrer leiblichen Sinne entrückt“ war, ist nicht ersichtlich, dass sie selbst irgendeine übernatürliche Autorität dafür beansprucht hätte oder es als etwas anderes betrachtet hätte als die frommen Betrachtungen eines Geistes, „der mit großem Verlangen nach der Ehre Gottes und dem Heil der Seelen dürstet“ und der – um es mit ihren eigenen Worten zu sagen – „in der Zelle der Selbsterkenntnis verweilte, um die Güte Gottes besser zu erkennen“.

Das Buch befasst sich mit dem gesamten geistlichen Leben des Menschen in Form eines ausführlichen Dialogs oder einer Reihe von Dialogen zwischen dem ewigen Vater und der leidenschaftlichen menschlichen Seele, die hier eindeutig Caterina selbst meint. Es scheint klar gegliedert in sechs Abhandlungen oder Trattati: eine Einleitung (Kap. 1 bis Kap. 8), den Trattato della Discrezione (Kap. 9 bis Kap. 64), den Trattato della Orazione (Kap. 65 bis Kap. 86), den Trattato delle Lagrime (Kap. 87 bis Kap. 134), den Trattato della Divina Provvidenza (Kap. 135 bis Kap. 153) und den Trattato dell‘ Obbedienza (Kap. 154 bis Kap. 167).[2]

Es beginnt mit einem bemerkenswerten Abschnitt über das, was wir als die Essenz der Mystik – als die Möglichkeit einer Vereinigung der Seele mit Gott in der Liebe – bezeichnen können: „Wenn eine Seele sich erhebt und mit großem Verlangen nach der Ehre Gottes und dem Heil der Seelen dürstet, übt sie sich eine Zeit lang in ständiger Tugend und verweilt in der Zelle der Selbsterkenntnis, um die Güte Gottes besser zu erkennen – denn auf die Erkenntnis folgt die Liebe; und wenn sie liebt, sucht sie der Wahrheit zu folgen und sich mit ihr zu bekleiden. Aber auf keine andere Weise kann das Geschöpf diese Wahrheit so sehr verkosten und von ihr erleuchtet werden als mit Hilfe des demütigen und beständigen Gebetes, das auf der Selbsterkenntnis und der Gotteserkenntnis beruht. Denn das Gebet, das die Seele in dieser Weise einübt, vereinigt sie mit Gott, wenn sie den Spuren des gekreuzigten Christus folgt. Und so wird sie durch Verlangen, Hingabe und Liebeseinigung in Ihn verwandelt. Das scheint Christus gemeint zu haben, wenn Er sagte: Wen jemand Mich liebt, wird er Meine Gebote halten; und wieder: Wer Mich liebt, wird von Meinem Vater geliebt werden, und Ich will ihn lieben und Mich ihm offenbaren, und er wird eins sein mit Mir und Ich mit ihm. An vielen Stellen finden wir ähnliche Aussagen, aus denen wir entnehmen können, dass es wahr ist, dass die Seele durch die Liebeshingabe zu einem anderen Er [ein anderer Christus] wird.“[3]

Der Rest des Buches ist praktisch die Ausdeutung jener Offenbarung, die Caterina in einer Vision hatte, nachdem sie am Fest der heiligen Jungfrau im Herbst des vorausgegangenen Jahres die heilige Kommunion empfangen hatte – eine Offenbarung, die sie teilweise bereits in einem Brief an Fra Raimondo dargelegt hatte.[4] Es handelt sich gewissermaßen um eine Zusammenfassung der in ihren Briefen verstreuten geistlichen Lehren. Insgesamt liest es sich etwas weniger ekstatisch, so als wäre es mit größerer Überlegung geschrieben worden als die Briefe, und es ist zuweilen beachtlich in die Länge gezogen und schreitet manchmal nur sehr langsam fort. Die Wirkung ist die einer geheimnisvollen Stimme aus der Wolke, die in eine große Stille hineinspricht. Das Ergebnis ist monoton, weil die Aufmerksamkeit des Zuhörers überfordert wird. Hier und da ist es fast eine Erleichterung, wenn die göttliche Stimme schweigt und Caterina selbst das Wort ergreift. An anderer Stelle hat man jedoch das Gefühl, hinter den Schleier zu blicken, der das Allerheiligste verbirgt, und in Wahrheit die in Worte gefasste Übersetzung der unaussprechlichen Dinge zu hören, die Caterina in jener halben Stunde des Schweigens im Himmel durch Intuition erfahren hat.

Die Bedeutung des Dialogo innerhalb der italienischen Literatur ist niemals völlig erkannt worden. In einer Sprache, die so arm an mystischen Werken ist (obwohl sie so reich ist in fast allen anderen Bereichen des Denkens), zählt er zusammen mit der Divina Commedia zu den beiden herausragendsten Versuchen, das Ewige in der Sprache der Zeit zum Ausdruck zu bringen und die Vereinigung der Seele mit dem Übernatürlichen darzustellen, während sie noch im Fleisch gebunden ist. Das ganze Leben Caterinas entspricht der Zielsetzung von Dantes Dichtung: „die Menschen in diesem Leben vom Zustand des Elends zu befreien und sie in den Zustand der Glückseligkeit zu führen“. Die Mystik von Caterinas Buch ist ebenso praktisch und hochherzig wie jene Dantes, wenn er Can Grande versichert, dass die ganze Commedia „nicht der Spekulation, sondern der Arbeit wegen unternommen wurde. Denn obwohl sie in manchen Teilen oder Abschnitten in spekulativer Weise abgehandelt wird, geschieht dies nicht um der Spekulation willen, sondern um der Arbeit willen.“ [5] So richtet Caterina in den einleitenden Kapiteln des Dialogo „aus dem Wunsch, die Wahrheit besser zu erkennen und ihr zu folgen“, ihre erste Bitte an den ewigen Vater für sich selbst, und zwar deshalb, weil sie bedachte, „dass die Seele ihrem Nächsten weder durch Belehrung noch als Vorbild oder durch das Gebet von Nutzen sein kann, wenn sie sich nicht zuerst selbst darum bemüht, die Tugend zu erwerben und zu besitzen.“ Durch das unendliche Verlangen, das aus der Liebe erwächst, kann die Seele Gott Wiedergutmachung leisten, für die Sünden der Mitmenschen ebenso wie für ihre eigenen. So wie die Nächstenliebe allen Tugenden Leben verleiht, so haben alle Laster ihre Wurzeln in der Eigenliebe; beide geben sich zu erkennen im Handeln gegen die anderen. „Es kann keine vollkommene Tugend geben, keine, die Früchte trägt, wenn sie nicht an unseren Mitmenschen geübt wird.“[6]

Damit die Tugend vollkommen sei, muss sie mit Unterscheidung geübt werden, „denn die Unterscheidung ist nichts anderes als die wahre Erkenntnis, die eine Seele von sich selbst und von Mir besitzen sollte und die in dieser Erkenntnis wurzelt.“ Die Unterscheidung, die aus der Liebe entspringt und auf dem Boden der Demut wächst, sollte die Leuchte für das gesamte geistliche Leben sein und alle Kräfte der Seele dahin leiten, Gott zu dienen und den Nächsten zu lieben, indem sie das leibliche Leben für das Heil seiner Seele aufopfert und den irdischen Besitz für das Wohlergehen seines Leibes. Das Antlitz der Kirche, der Braut Christi, ist durch die Unreinheit, die Eigenliebe, den Stolz und die Habsucht ihrer Diener, „derer, die sich an ihren Brüsten nähren“, wie das einer Aussätzigen geworden. Aber durch die Gebete, das Verlangen, die Tränen und Mühen der Diener Gottes wird ihre Schönheit wiederhergestellt werden, da die Menschwerdung des Wortes nach wie vor die Brücke zwischen Erde und Himmel ist.

Das Bild vom Wort als der Brücke von der Zeit in die Ewigkeit, deren Weg durch Adams Sündenfall unterbrochen wurde, wird ausführlich dargestellt, wobei Caterina die Lehre betont, dass „die ewige Wahrheit uns ohne unser Zutun geschaffen hat, uns aber nicht ohne unser Zutun retten wird.“ Die Brücke hat drei Staffeln oder Stufen: die Füße, die an das Kreuz geheftet waren; die Seite, die durchbohrt wurde, um die unaussprechliche Liebe des Herzens zu offenbaren; und den Mund, in dem sich die Bitterkeit von Galle und Essig in Frieden verwandelt. Auf der Brücke (Caterinas Bildersprache wechselt hier plötzlich die Gestalt) befindet sich der Gastgarten der Kirche, wo das Brot des Lebens ausgeteilt und als Trank das Blut gereicht wird, damit die Pilger auf ihrem Weg nicht schwach werden. Diese drei Stufen versinnbildlichen auch die drei Kräfte der Seele: Wille, Gedächtnis und Verstand; und ebenso die drei Zustände der Seele im Dienste Gottes, durch die sie von der unterwürfigen Furcht und dem Sklavengehorsam zur wahren Treue und Freundschaft und schließlich zur vollkommenen Kindesliebe gelangt.

„Ich verlange von euch, dass ihr Mich mit jener Liebe liebt, mit der Ich euch liebe. Diese Liebe aber könnt ihr Mir nicht erweisen, denn Ich habe euch schon geliebt, noch ehe ihr Mich lieben konntet. Alle Liebe, die ihr Mir entgegenbringt, bringt ihr Mir geschuldet dar, nicht als ein freies Geschenk, da ihr verpflichtet seid, sie Mir zu erweisen. Ich aber liebe euch frei, und nicht, weil ich dazu verpflichtet wäre. Also könnt ihr Mir die Liebe, die Ich von euch verlange, niemals geben. Und deshalb habe Ich euch mitten unter die anderen gestellt, damit ihr ihnen das tun könnt, was ihr Mir nicht erweisen könnt – nämlich sie frei und ohne Vorbehalt zu lieben und keine Gegenleistung dafür zu erwarten. Dann will Ich alles, was ihr ihnen tut, so ansehen, als wäre es Mir getan. Diese Liebe muss daher aufrichtig sein; ihr müsst sie mit jener Liebe lieben, mit der ihr Mich liebt.

Weißt du, wie derjenige, der mit geistiger Liebe liebt, merkt, dass er nicht vollkommen ist? Wenn er Schmerz und Kummer empfindet, sobald er meint, dass eine Person, die er liebt, seine Liebe nicht erwidert und ihn nicht so sehr liebt, wie er selbst sie zu lieben glaubt. Oder wenn die geliebte Person sich des vertrauten Umgangs mit ihm entzieht und er sich dadurch des Trostes beraubt sieht, oder wenn er zusehen muss, wie ein anderer mehr geliebt wird als er. Daran und an vielen anderen Dingen kann er erkennen, dass die Liebe zu Mir und zu seinem Nächsten noch immer unvollkommen ist und dass er aus seinem Gefäß abseits der Quelle getrunken hat, obwohl er diese Liebe zuerst von Mir geschöpft hat. Und weil seine Liebe zu Mir unvollkommen ist, ist sie auch demjenigen gegenüber noch unvollkommen, den er mit geistlicher Liebe liebt. Das alles geschieht, weil die Wurzel der geistlichen Eigenliebe noch nicht völlig aus seinem Herzen ausgerissen ist. Daher lasse ich oftmals zu, dass eine Seele auf diese Weise liebt, damit sie sich selbst und ihre eigene Unvollkommenheit erkennt. Ich entziehe Mich ihr im Gefühl, damit sie sich in die Zelle der Selbsterkenntnis einschließt, in der sie jedwede Vollkommenheit erlangen kann. Dann kehre ich mit mehr Licht und größerer Erkenntnis Meiner Wahrheit zu ihr zurück, sodass sie es als Gnade betrachtet, ihren Eigenwillen um Meinetwillen abzutöten, und niemals aufhört, ihren Weinberg zu bewässern und die Dornen der bösen Gedanken auszureißen und die festen Steine der Tugenden zu legen, die im Blut des gekreuzigten Christus gegründet sind. Diese Steine hat sie gefunden, als sie über die Brücke Meines eingeborenen Sohnes ging.“[7]

Diesen Zustand der Vollkommenheit in der Liebe erlangt die Seele durch die Beharrlichkeit im heiligen Gebet, das sie beständig im Haus der Selbsterkenntnis und der Gotteserkenntnis darbringt, getränkt mit dem Blut, bekleidet mit dem Feuer der göttlichen Liebe und genährt von der sakramentalen Speise. Das mündliche Gebet ist nur die Vorbereitung für das innere Gebet, in dem Gott die Seele besucht, und die hingebende Liebe ist in sich ein immerwährendes Gebet. Seelen, die Gott nicht so sehr um seiner selbst willen lieben als um des Trostes willen, den sie in ihm finden, lassen sich leicht täuschen. Wenn die Tröstung ihnen versagt bleibt, denken sie, sie hätten Gott beleidigt; und aus Furcht, ihren eigenen Frieden zu verlieren, stehen sie ihren Mitmenschen in der Not nicht bei. Sie erkennen nicht, dass „jede Übung des mündlichen oder inneren Gebetes von Mir gewollt ist, damit die Seele dadurch zur vollkommenen Gottes- und Nächstenliebe gelangt und in dieser Liebe verbleibt.“[8]

Solche Seelen werden von der geistigen Eigenliebe getäuscht und lassen sich leicht durch falsche Visionen, die vom Teufel stammen, verführen. Die Seele aber, die zur vollkommenen Liebe gelangt ist und sich selbst wirklich erkennt, achtet nicht so sehr auf die Gaben und Gnaden ihres göttlichen Freundes, sondern auf die Liebe, mit der er sie gewährt. Ohne die Zelle der Selbsterkenntnis zu verlassen, geht sie im Namen Gottes hinaus, bereit, Leiden zu ertragen und die Tugenden, die sie in ihrer mystischen Wohnung erlangt hat, zum Nutzen ihrer Mitmenschen in die Tat umzusetzen. Auf diese Weise erreicht sie einen vierten Zustand, jenen der vollkommenen Vereinigung mit Gott, „denn es gibt keine Liebe zu Mir ohne die Liebe zum Nächsten und keine Nächstenliebe ohne die Liebe zu Mir, denn die eine Liebe kann von der anderen nicht getrennt werden.“[9]

In diesem Zustand der vollkommenen Vereinigung erhalten die Heiligen solche Kraft, dass sie nicht nur in Geduld ertragen, sondern sich mit seufzendem Verlangen danach sehnen, Leiden zur Ehre des Namens Gottes zu erdulden. Mit dem heiligen Paulus sagen sie, dass sie an ihren Leibern die Zeichen Christi tragen, „das heißt, die gekreuzigte Liebe, die sie empfinden, strahlt an ihren Leibern auf, was sich darin zeigt, dass sie sich geringschätzen und sich über Kränkungen freuen, indem sie Mühen und Schmerzen erdulden, von welcher Seite und auf welche Weise auch immer Ich sie ihnen zuteilwerden lasse.“ Ihrem eigenen Willen abgestorben, sind sie niemals der Gegenwart Gottes beraubt, auch nicht in ihren Gefühlen, „da Ich fortwährend durch die Gnade wie auch im Gefühl in ihren Seelen ruhe. Das heißt, wann immer sie ihren Geist in liebender Hingabe mit Mir vereinen wollen, können sie das tun; denn durch die liebende Hingabe ist ihre Sehnsucht zu einer so vollkommenen Einigung gelangt, dass nichts sie von Mir trennen kann.“[10]

Aber obwohl diese Seelen Gott stets durch die Gnade besitzen und Seine Gegenwart in ihrem Inneren wahrnehmen, können sie nicht ununterbrochen mit Ihm vereinigt sein, solange sie an ihren Körper gefesselt sind. „Sobald sich solche Seelen mit sehnlichem Verlangen erheben, eilen sie voller Tatkraft über die Brücke der Lehre des gekreuzigten Christus und erreichen das Tor; sie richten ihren Geist zu Mir empor – gebadet und berauscht vom Blut und entflammt durch das Feuer der Liebe – und verkosten in Mir die ewige Gottheit, die für sie ein Meer des Friedens ist, mit dem sich die Seele so vereint, dass ihr Geist keine andere Bewegung kennt als in Mir. Obwohl sie sterblich ist, verkostet sie die Seligkeit der Unsterblichen, und obwohl sie noch mit der Schwere des Körpers belastet ist, erfährt sie die Leichtigkeit des Geistes. Dadurch wird der Leib oftmals von der Erde emporgehoben durch die vollkommene Vereinigung, die die Seele mit Mir erreicht hat, so als ob der schwere Körper leicht geworden wäre. Und zwar nicht, weil er etwa seine Schwere verloren hätte, sondern weil die Vereinigung der Seele mit Mir vollkommener ist als die Vereinigung zwischen Leib und Seele. Daher hebt die Kraft des mit Mir vereinten Geistes die Schwere des Leibes von der Erde empor, und der Körper ist wie leblos, wie vernichtet von der Glut der Seele, sodass er (wie bei einigen Menschen, von denen du schon gehört hast) nicht leben könnte, würde Ich ihn nicht in Meiner Güte mit Kraft umgürten.

Deshalb möchte Ich dich wissen lassen, dass es ein größeres Wunder ist, zu erleben, dass die Seele den Körper in dieser Vereinigung nicht verlässt, als viele tote Leiber wieder auferstehen zu sehen. Daher entziehe Ich der Seele für eine gewisse Zeit diese Einigung und lasse sie wieder in das Gefäß ihres Körpers zurückkehren. Das heißt, die leiblichen Sinne, die durch den liebenden Aufschwung der Seele völlig ausgeschaltet waren, kehren wieder zum Bewusstsein zurück. Denn es ist nicht so, dass die Seele den Körper verlässt – das geschieht erst im Tod –, sondern ihre Fähigkeiten verlassen ihn aufgrund der Liebeseinigung der Seele mit Mir. Dann ist das Gedächtnis von nichts anderem erfüllt als von Mir; der Verstand erhebt sich zur Anschauung Meiner Wahrheit und der Wille, der der Erkenntnis folgt, liebt und verbindet sich mit dem, was das Auge des Verstandes gesehen hat. Wenn alle diese Kräfte zusammengefasst und miteinander verbunden sind, eingetaucht und ertränkt in Mir, verliert der Leib sein Empfinden. Das Auge sieht, ohne zu sehen; das Ohr hört, ohne zu hören; die Zunge spricht, ohne zu sprechen (außer wenn Ich es gelegentlich erlaube, um der Überfülle ihres Herzens Luft zu machen und zur Ehre und zum Lob Meines Namens); die Hand berührt, ohne zu berühren; die Füße bewegen sich, ohne zu gehen. Alle Glieder sind durch das Band der Liebe gebunden und vom Gefühl der Liebe erfüllt. Durch dieses Band haben sie sich der Vernunft unterworfen und mit der Hingabe der Seele vereint, so dass sie – gleichsam gegen ihre eigene Natur – alle zusammen zu Mir, dem ewigen Vater, rufen, dass sie am liebsten von der Seele und die Seele vom Leib getrennt wären. Und daher rufen sie mit dem glorreichen Paulus zu Mir: „Ich unglücklicher Mensch! Wer wird mich aus diesem dem Tod geweihten Leib erretten?“[11]

Solche Seelen sehnen sich danach, vom Körper befreit zu werden, ergeben sich aber vollkommen dem Willen Gottes und frohlocken, wenn sie zu seiner Ehre leiden dürfen. Ihre Vereinigung mit ihm geschieht, obwohl zeitweise unterbrochen, immer wieder neu mit wachsender Vertrautheit: „Ich kehre stets mit einem Mehr an Gnade und mit vollkommenerer Vereinigung zurück und offenbare Mich ihnen immer wieder von neuem mit einer noch erhabeneren Erkenntnis Meiner Wahrheit.“[12] Solchen Seelen ist es vorbehalten, mit ihren Gebeten, ihrem Schweiß und ihren Tränen das Antlitz der Braut Christi, der Kirche, zu waschen; „deshalb habe Ich sie dir in der Gestalt einer jungen Frau gezeigt, deren Gesicht durch die Sünden ihrer Diener und der ganzen christlichen Gemeinde, die sich an ihrer Brust nähren, ganz entstellt war, als wäre sie mit Lepra geschlagen.“

Ein erschreckendes Bild von der Verderbtheit des Klerus folgt im Trattato delle Lagrime, nachdem Caterina erschöpfend „die unendliche Vielfalt der Tränen“ und den Weg zur Erlangung der vollkommenen Reinheit behandelt hat. Die Würde des Priestertums und das unermessliche Geheimnis des Sakraments, das sie zu verwalten haben, erfordert eine größere Reinheit der Diener der Kirche als bei jedem anderen Geschöpf. Sie sind Gottes Gesalbte, seine Christusse, mit einer Macht über den sakramentalen Leib des Herrn, die nicht einmal die Engel besitzen, und er erachtet jedes Unrecht, das gegen sie begangen wird, als gegen ihn selbst begangen, als Verfolgung seines Blutes. Aber im Gegensatz zu Petrus, Sylvester, Gregor, Augustinus, Hieronymus, Thomas von Aquin und den anderen heiligen Vätern der Vergangenheit werden uns die gegenwärtigen Priester und Prälaten gezeigt, deren Leben in der Eigenliebe gründet und die den Dienst von Dämonen ausüben. Habgier, Wollust und Stolz sind die Herren, denen sie dienen. Der Tisch des Kreuzes wird um der Tavernen willen verlassen; die Armen bleiben mittellos, während das Vermögen der Kirche mit Dirnen verprasst wird. Mehr noch, die Lepra des widernatürlichen Lasters, die Sünde, vor der sogar die Teufel aufgrund ihrer Engelsnatur mit Abscheu fliehen, hat ihren Geist und ihren Leib verseucht. Die Priester zelebrieren die Messe nach einer sündigen Nacht; und oft nehmen ihre Mätressen und Kinder daran teil. Andere benutzen das Allerheiligste Sakrament des Altares für einen Liebeszauber, um die kleinen Schafe ihrer Herde zu verführen, oder überreden sie dazu, Unzucht zu treiben, unter dem Vorwand, sie vom Teufel zu befreien. Einige Priester, die ihren eigenen sündigen Zustand hinreichend erkennen, um Gottes Gericht zu fürchten, tun nur so, als ob sie bei der Messe Brot und Wein konsekrieren und verleiten dadurch das Volk zum Götzendienst, indem sie es dazu bringen, etwas als den Leib Christi anzubeten, was nicht mehr als ein Stück Brot ist. Die Prälaten dulden es, dass infame Mönche die Nonnen in den unter ihrer Obhut stehenden Klöstern verderben. Die kirchlichen Amtsträger sind zu Wucherern geworden; Benefizien und Prälaturen werden gekauft und verkauft, während die Armen dem Hungertod überlassen bleiben. Die geistlichen Dinge werden vernachlässigt, während die Lenker der Kirche zeitliche Gewalt und weltliche Herrschaft an sich reißen.[13]

Der Inhalt dieser erschreckenden Kapitel kann hier nur kurz gestreift werden; wer aber das religiöse Leben des vierzehnten Jahrhunderts studieren will, ist gezwungen, sich der Tatsache zu stellen, dass wir es im Grunde mit den Aussagen von Boccacios Decamerone zu tun haben, die durch die flammenden Worte einer großen Heiligen bestätigt werden, die sich nicht scheut, sie Gott selbst in den Mund zu legen.

Danach wendet sich Caterina der Betrachtung der göttlichen Vorsehung zu. Sie zeigt sich zum einen in der Erschaffung des Menschen nach Gottes Bild und Gleichnis, mit Gedächtnis, Verstand und Wille für die seligmachende Gottesschau, wie auch in seiner Erlösung durch die Menschwerdung Gottes und in der Einsetzung des Allerheiligsten Altarssakramentes als seiner geistlichen Nahrung. Als Beleg für diese Vorsehung haben wir in einem besonderen Fall eine etwas rätselhafte Anspielung auf jemanden, dessen Seele durch einen gewaltsamen Tod gerettet wurde. „Du sollst wissen, dass Ich, um ihn vor der ewigen Verdammnis zu retten, die er, wie du siehst, verdient hatte, dies geschehen ließ, damit er durch sein Blut im Blut Meines eingeborenen Sohnes das Leben habe. Denn Ich habe die Verehrung und Liebe nicht vergessen, die er zu Maria, der allerliebsten Mutter Meines eingeborenen Sohnes, hegte, der Ich in Meiner Güte – aus Ehrerbietung gegen das Wort – gewährt habe, dass, wer sie wahrhaft verehrt – sei er ein Gerechter oder ein Sünder –, niemals vom höllischen Dämon gepackt oder verschlungen werden soll. Sie ist wie ein Köder, den Meine Güte ausgelegt hat, um alle vernünftigen Geschöpfe zu fangen.“[14] Caterinas eigene mystische Kommunionen, bei der ihr göttlicher Bräutigam eingriff, um ihr die Speise der Engel zu reichen, die die Priester ihr verweigern wollten, zeigen Gottes Vorsehung für die Seelen, die nach dem süßen Sakrament hungern.[15] Es gibt drei Zustände der menschlichen Seele: den der Todsünde, den der unvollkommenen Liebe und den der vollkommenen Liebe. In jedem wirkt die göttliche Vorsehung auf verschiedene Weise, um sie an sich zu ziehen.

Eines der Mittel, die Gott einsetzt, um die Unvollkommenen aus ihrer Unvollkommenheit herauszuführen, ist die hingebungsvolle Liebe zu einem anderen Geschöpf, der amor amicitiae, über die der Doctor Angelicus schreibt und die Dante in der Vita Nuova am besten dargestellt hat. Durch eine solche Liebe wird die Seele in der Tugend geübt und über sich selbst erhoben. Das Herz wird von aller sinnlichen Leidenschaft und ungeordneten Zuneigung befreit. An der Vollkommenheit dieser Liebe kann die Vollkommenheit der Gottesliebe der Seele gemessen werden. Wenn jemand, der auf diese Weise liebt, sich der Freude beraubt sieht, die er früher am vertrauten Umgang mit der geliebten Person hatte, und diese Person nun vertrauter mit einem anderen als mit ihm selbst verbunden sieht, wird ihn gerade der Schmerz, den er empfindet, lehren, sich selbst zu erkennen und ihn zum Hass gegen seine eigene Selbstsucht und zur Liebe der Tugend anspornen. Er wird sich demütig als unwürdig für den erwünschten Trost bezeichnen und sicher sein, dass die Tugend, um derentwillen er diesen anderen Menschen vor allem lieben sollte, in Bezug auf ihn nicht vermindert ist. Diese Liebe sollte ihn das Verlangen lehren, alle Leiden zur Ehre Gottes erdulden zu wollen.[16] Denn die Trübsal ist die Prüfung der wahren Liebe, und bei denen, die den vollkommenen Zustand erreicht haben, wendet Gott das Mittel des Leidens und der Verfolgung an, um ihre Vollkommenheit zu bewahren und zu vermehren. Getrieben von ihrem Hunger nach dem Heil der Seelen klopfen sie, sich selbst vergessend, Tag und Nacht an die Tür der göttlichen Barmherzigkeit. Denn je mehr der Mensch sich selbst verliert, desto mehr findet er Gott. Diese Wahrheit lesen sie im süßen und glorreichen Buch des Wortes und bringen Früchte der Geduld hervor. Wenn sie auch mit dem heiligen Paulus die Lehre der Wahrheit im Abgrund der Gottheit erlangt haben, so haben sie doch auch den Stachel im Fleisch empfangen, der sie in der Selbsterkenntnis und in der Demut bewahrt und sie mitfühlend macht gegenüber den Schwächen und der Gebrechlichkeit der anderen. Die Qualen, die sie erdulden, wenn sie die Sünden sehen, die gegen Gott begangen werden, reinigen sie von allen persönlichen Sorgen, und Gott lässt sich durch ihr sehnsüchtiges Verlangen dazu zwingen, sich der Welt zu erbarmen und durch ihr Ausharren seine Kirche zu erneuern: „Solche wie diese kann man in der Tat als einen anderen gekreuzigten Christus, Meinen eingeborenen Sohn, bezeichnen, denn sie haben das Amt dessen auf sich genommen, der als Mittler gekommen ist, um den Krieg zu beenden und die Menschheit in Frieden mit Mir zu versöhnen, durch vielfältiges Erdulden bis hin zum schmachvollen Tod am Kreuz.“[17]

Das ganze Dasein eines solchen Heiligen ist eingestimmt auf eine geheimnisvolle Musik und zu einer einzigen süßen Harmonie geworden, in der alle Kräfte der Seele und alle Glieder des Leibes ihren Teil übernehmen. Diese spirituelle Melodie ertönte zuerst vom Kreuz und alle, die folgten, haben sie von diesem Meister gelernt. „Meine unendliche Vorsehung hat ihnen die Instrumente an die Hand gegeben und ihnen die Art und Weise gezeigt, sie zum Klingen zu bringen. Was immer Ich ihnen in diesem Leben gebe und zulasse, dient dazu, die Fähigkeit dieser Instrumente zu vervollkommnen – sofern sie es nur erkennen und das Licht, mit dessen Hilfe sie sehen, nicht durch die Wolke der Eigenliebe, der Selbstgefälligkeit und ihres eigenen Gutdünkens verdunkeln.“[18] Erfüllt vom Vertrauen in die göttliche Vorsehung, umarmen diese Seelen die Lehre von der freiwilligen Armut und erwählen die Frau Armut, die Königin, zu ihrer Braut, mit der sie Gebieterinnen über alle geistigen Reichtümer werden:

„Da war jene Seele wie trunken vor Liebe zur wahren und heiligen Armut. Sie war wie ausgeweitet in die höchste und ewige Erhabenheit und so verwandelt im Abgrund der unendlichen und unermesslichen Vorsehung, dass sie sich – obwohl sie noch im Gefäß ihres Leibes war – wie außerhalb davon fühlte aufgrund der Übermacht und Anziehungskraft, die das Feuer seiner Liebe in ihr entzündet hatte. Sie heftete das Auge des Verstandes auf die göttliche Majestät und sagte zum höchsten und ewigen Vater: ‚O ewiger Vater! O Feuer und Abgrund der Liebe! O ewige Schönheit, o ewige Güte, o ewige Milde! O Hoffnung und Zuflucht der Sünder! O unermessliche Freigebigkeit, o ewige und unendliche Seligkeit! Du, der Du verrückt bist vor Liebe, brauchst Du denn Dein Geschöpf? Mir scheint: ja, denn Du verhältst Dich so, als ob Du ohne es nicht leben könntest, obwohl Du das Leben bist, und alles sein Leben von Dir hat und ohne Dich nichts leben kann. Warum aber bist Du dann so vernarrt? Du bist vernarrt, weil Du zutiefst voll Liebe gegen alles bist, was Du geschaffen hast. In Dir selbst erfreust Du Dich an ihm, und Du bist wie trunken vor Verlangen nach seinem Heil. Es entflieht Dir, und Du machst Dich auf die Suche. Es weicht Dir aus, und Du gehst ihm nach. Näher konntest Du ihm nicht kommen, als Dich mit seiner Menschheit zu bekleiden. Was soll ich also sagen? Ich bin sprachlos und kann nur sagen: Ah, Ah, denn es lässt sich nicht anders vermitteln, weil unsere endliche Sprache die Liebesneigung der Seele, die sich so unendlich nach Dir sehnt, nicht ausdrücken kann. Mit Paulus kann ich wohl sagen: Kein Auge hat es gesehen, kein Ohr hat es gehört und in keines Menschen Herz ist je gedrungen, was ich gesehen habe. Ich habe die Geheimnisse Gottes gesehen. Meine Seele, du hast den Abgrund der höchsten und ewigen Vorsehung geschaut und davon gekostet.‘“[19]

Der Gehorsam ist die besondere Tugend, die das geistliche Leben Caterinas bestimmte, so wie die Armut das Leben des heiligen Franziskus geprägt hatte und die Verwirklichung der Gerechtigkeit Dantes Inspiration geworden war. Sie betrachtet ihn als den Schlüssel, den der Vater in die Hand des Wortes gelegt hat, um das Tor des ewigen Lebens aufzuschließen, und den das Wort bei der Himmelfahrt seinem Stellvertreter hinterlassen hat. Der ganze Glaube gründet sich auf ihn. Jede Seele bekommt ihn bei der Taufe in die Hand und muss ihn mit der Schnur der Loslösung am Gürtel der Hingabe an den Willen Gottes befestigen.

Wie die Armut ist auch der Gehorsam eine Braut der Seelen, eine Königin, die über den Stürmen der Welt thront. Neben dem allgemeinen Gehorsam, zu dem alle verpflichtet sind, gibt es einen besonderen Gehorsam des Ordenslebens, der sich in seiner Vollkommenheit in jenen Idealen zeigt, mit denen Benedikt, Franziskus und Dominikus ihre Orden gegründet haben. Das Kapitel über die Franziskaner und Dominikaner – die erhabenen Ideale ihrer beider Gründerväter, die ihre Regeln auf die Armut bzw. auf das Lehren aufgebaut hatten, und die Entartung ihrer Nachfolger – entspricht in Geist und Ausdruck Dante. Caterina hat allerdings Schlimmeres über die Mönche ihres eigenen Ordens zu berichten, als es der göttliche Poet dem Doctor Angelicus in den Mund legt: Sogar das Gelübde der Keuschheit wird ständig gebrochen, und das Licht der Wissenschaft wird von ihnen in Finsternis verkehrt. Die Zeiten des Thomas von Aquin, den Caterina stets mit tiefer Bewunderung und ausgeprägter persönlicher Zuneigung nennt (er war einer jener Heiligen, mit denen sie in ihren Visionen zu sprechen pflegte), und des Märtyrers Petrus, dessen Werdegang der strengeren Seite ihres Charakters entsprach, sind vorbei.[20]

Die zeitweilige Ähnlichkeit zwischen Caterinas Ausdrucksweise und ihren Gedanken – im Dialogo wie auch in den Briefen – mit jenen von Dante ist vermutlich nicht ganz zufällig. Obwohl sie den Dichter nie erwähnt und die Divina Commedia sicher nie gelesen hat, muss sie seine Verse häufig von ihren Anhängern zitiert gehört haben. Zumindest Neri di Landoccio scheint ein Dante-Schüler gewesen zu sein.[21] Es wäre schön, sich vorzustellen, dass Passagen wie die mystische Vermählung des heiligen Franziskus mit der Armut, die Lobgesänge des heiligen Dominikus oder die Anrufung der allerseligsten Jungfrau durch den heiligen Bernhard in Caterinas Kreis laut vorgelesen wurden und wie die Heilige und ihre Sekretäre gleichermaßen von den Gesängen desjenigen beflügelt wurden, der mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor denselben Kampf für die Gerechtigkeit geführt hatte.

Von der Betrachtung ihres eigenen Ordens wendet sich Caterina dem Ordensleben im Allgemeinen zu, der Erhabenheit seiner Ideale und den verhängnisvollen Folgen, wenn sie korrumpiert oder vernachlässigt werden. Der vollkommene Ordensangehörige, il vero obbediente, der sich selbst klein gemacht hat wie ein Kind, um in das Himmelreich eintreten zu können, wird dem ungetreuen und ungehorsamen Mönch oder Bruder gegenüberstellt, „der zwar im Schiff seines Ordens verbleibt, aber so sehr an sich selbst und wegen der anderen leidet, dass er in diesem Leben bereits einen Vorgeschmack der Hölle verkostet.“ In der Mitte zwischen diesen beiden Typen steht der durchschnittliche Ordensangehörige, der weder vollkommen noch verderbt ist, sondern lauwarm in seiner Berufung, der immer in Gefahr ist, abzufallen, aber immer auch noch die Kraft hat, sich den wahrhaft Gehorsamen in ihrem heiligen Lauf anzuschließen. Nach einer glühenden Lobrede auf die Tugend des Gehorsams, die am Beispiel der Wunder verdeutlicht wird, die die Heiligen früherer Zeiten durch seine Kraft gewirkt haben, und einer Zusammenfassung des gesamten Buches, schließt Caterina voll leidenschaftlicher Beredsamkeit mit dem, was man ihr allumfassendes Gebet nennen könnte:

„Dank, Dank sei Dir, ewiger Vater, dass Du mich, Dein Geschöpf, nicht verachtet hast. Du hast Dein Antlitz nicht von mir abgewandt und meine Wünsche nicht verschmäht. Du, der Du das Licht bist, hast nicht auf meine Finsternis geachtet; Du, der Du das Leben bist, hast nicht auf meinen Tod geschaut; noch hast Du, der Du der Arzt bist, Dich von meinen schlimmen Krankheiten abschrecken lassen. Du bist die ewige Reinheit, und ich bin voll vom Schmutz vieler Sünden. Du bist unendlich und ich endlich; Du bist die Weisheit und ich die Torheit. Wegen aller dieser und vieler anderer unendlicher Übel und Fehler, die in mir sind, hat Deine Weisheit, Deine Güte, Deine Milde und Deine unendliche Seligkeit mich nicht verachtet. Vielmehr hast Du von Deinem Licht ein Licht geschenkt, durch Deine Weisheit habe ich die Wahrheit erkannt, in Deiner Milde habe ich Deine Barmherzigkeit und die Liebe zu meinem Nächsten gefunden. Wer hat Dich dazu gezwungen? Nicht meine Tugenden, sondern allein Deine Liebe. Möge diese Liebe Dich auch drängen, das Auge meines Verstandes mit dem Licht des Glaubens zu erleuchten, damit ich die Wahrheit, die Du mir geoffenbart hast, erkennen und verstehen kann. Gib, dass mein Gedächtnis fähig sei, Deine Wohltaten zu bewahren, damit mein Wille im Feuer Deiner Liebe brenne und dieses Feuer meinen Leib das Blut vergießen lasse, damit ich mit diesem Blut – das aus Liebe zum Blute gegeben wurde – und mit dem Schlüssel des Gehorsams das Tor des Himmels aufschließen kann. Dieselbe Gnade erbitte ich von Dir für jedes vernunftbegabte Geschöpf im Allgemeinen und im Besonderen und für den mystischen Leib der heiligen Kirche. Ich bekenne und leugne nicht, dass Du mich geliebt hast, bevor ich war, und dass Du mich unaussprechlich liebst, wie verrückt vor Liebe zu Deinem Geschöpf.

O ewige Dreifaltigkeit, o Gottheit, Du, der Du durch Deine göttliche Natur dem Preis des Blutes Deines Sohnes Wert verliehen hast! Du, ewige Dreifaltigkeit, bist ein tiefes Meer. Je tiefer ich in Dich eindringe, desto mehr finde ich Dich, und je mehr ich Dich finde, desto mehr suche ich Dich. Du bist die Nahrung, die niemals sättigt, denn wenn sich die Seele an Deinem Übermaß sättigt, wird ihr Hunger nicht gestillt, weil sie immer weiter nach Dir verlangt. Sie dürstet nach Dir, ewige Dreifaltigkeit, und sehnt sich danach, Dich mit dem Licht in Deinem Licht zu schauen. Wie der Hirsch nach den Wasserquellen verlangt, so sehnt sich meine Seele danach, das finstere Verlies des Leibes zu verlassen und Dich in Wahrheit zu schauen. O wie lange soll Dein Antlitz vor meinen Augen verborgen bleiben? O ewige Dreifaltigkeit, Feuer und Abgrund der Liebe, löse fortan die Wolke meines Leibes auf. Die Erkenntnis, die Du mir von Dir in Deiner Wahrheit verliehen hast, zwingt mich zu dem Wunsch, die Schwere meines Leibes zu verlassen und mein Leben zum Lob und Ruhme Deines Namens hinzugeben. Denn ich habe mit dem Licht des Verstandes in Deinem Licht Deinen Abgrund, ewige Dreifaltigkeit, und die Schönheit Deines Geschöpfes gekostet und gesehen. Als ich mich in Dir betrachtete, sah ich, dass ich Dein Ebenbild bin, weil Du, ewiger Vater, mir etwas von Deiner Kraft geschenkt hast und meinem Verstand etwas von Deiner Weisheit, jener Weisheit, die Deinem eingeborenen Sohn eigen ist; und der Heilige Geist, der aus Dir und Deinem Sohn hervorgeht, hat mir den Willen gegeben, durch den ich nun fähig bin zu lieben. Du, ewige Dreifaltigkeit, bist der Schöpfer, und ich bin das Werk Deiner Hände. Weil Du mich im Blut Deines Sohnes neu geschaffen hast, habe ich erkannt, dass Du verliebt bist in die Schönheit, die Du geschaffen hast.

O Abgrund, o ewige Gottheit, o tiefes Meer! Was könntest Du mir Größeres geben als Dich selbst? Du bist das Feuer, das immer brennt und sich nie verzehrt. Du bist das Feuer, das alle Eigenliebe in der Seele durch Deine Glut verbrennt. Du bist das Feuer, das alle Kälte vernichtet. Du erleuchtest, und durch Dein Licht hast Du mich Deine Wahrheit erkennen lassen. Du bist das Licht über allem Licht, mit dem Du dem Auge des Verstandes das übernatürliche Licht schenkst, in solcher Fülle und Vollkommenheit, dass Du das Licht des Glaubens hell machst. In diesem Glauben erkenne ich, dass meine Seele das Leben hat, und in diesem Licht empfängt sie Dich, das Licht. Im Licht des Glaubens erwerbe ich Weisheit, in der Weisheit des Wortes, Deines Sohnes. Im Licht des Glaubens bin ich stark, beständig und ausdauernd. Im Licht des Glaubens hoffe ich; es lässt mich auf dem Weg nicht schwach werden. Dieses Licht weist mir den Weg, und ohne dieses Licht würde ich in der Finsternis wandeln. Deshalb bitte ich Dich, ewiger Vater, mich mit dem Licht des heiligsten Glaubens zu erleuchten. Wahrlich, dieses Licht ist ein Meer, denn es nährt die Seele in Dir, dem Meer des Friedens, der ewigen Dreifaltigkeit. Das Wasser dieses Meeres ist niemals unruhig, und deshalb spürt die Seele keine Furcht, weil sie die Wahrheit kennt. Es ist stets klar und enthüllt verborgene Dinge. Wo die ganze Fülle des Lichtes Deines Glaubens überfließt, macht es, wie man sagt, die Seele gewiss in dem, was sie glaubt. Es ist ein Spiegel, wie Du, ewige Dreifaltigkeit, mich wissen lässt. Denn wenn ich in diesen Spiegel blicke und ihn mit der Hand der Liebe halte, dann zeigt er mir mich, Dein Geschöpf, in Dir, und Dich in mir, weil Du die Gottheit mit unserer Menschennatur vereinigt hast. In diesem Licht offenbart es mir Dich, und ich erkenne Dich, höchstes und unendliches Gut: Gut über allem Guten, glückseliges Gut, unfassbares und unermessliches Gut; Schönheit über aller Schönheit; Weisheit über aller Weisheit. Ja, Du bist die Weisheit selbst. Du, die Speise der Engel, hast Dich dem Menschen im Feuer der Liebe geschenkt. Du, das Gewand, das meine Blöße bedeckt, nährst die Hungernden mit Deiner Süße. Süß bist Du, ohne jede Bitternis.

O ewige Dreifaltigkeit, in Deinem Licht, das Du mir geschenkt hast und das ich mit dem Licht des heiligsten Glaubens empfangen habe, habe ich darin den Weg der großen Vollkommenheit erkannt, der mir durch so viele und wunderbare Offenbarungen gezeigt wurde, damit ich Dir im Licht diene und nicht in der Finsternis; damit ich ein Spiegel des guten und heiligen Lebens sei und mich so aus meinem sündhaften Leben erheben kann. Denn meiner Sünden wegen habe ich Dir stets in der Finsternis gedient. Ich habe Deine Wahrheit nicht erkannt, und deshalb habe ich sie nicht geliebt. Warum habe ich Dich nicht erkannt? Weil ich Dich nicht im glorreichen Licht des heiligsten Glaubens sah, denn die Wolke der Eigenliebe hatte das Auge meines Verstandes verdunkelt. Du, ewige Dreifaltigkeit, hast mit Deinem Licht diese Dunkelheit zerrissen. Wer aber könnte sich zu Deiner Höhe erheben, um Dir zu danken für ein so unermessliches Geschenk und für so große Wohltaten, wie Du sie mir erwiesen hast: die Lehre der Wahrheit, die Du mir geschenkt hast, und die eine besondere Gnade neben der allgemeinen Gnade ist, die Du den anderen Geschöpfen gewährst? Du wolltest Dich herablassen zu meiner Not und zu jener der anderen Geschöpfe, die hineinsehen werden wie in einen Spiegel. Du selbst, Herr, hast mir geantwortet und mich zufriedengestellt, indem Du mich mit einem gnädigen Licht überflutet hast, damit ich Dir in diesem Licht Dank sagen kann. Bekleide, bekleide mich mit Dir, ewige Wahrheit, damit ich dieses endliche Leben in wahrem Gehorsam und im Licht des heiligsten Glaubens durchlaufen kann. In diesem Licht, so scheint mir, tränkst Du von neuem meine Seele.“[22]

Am Ende eines ihrer längsten Briefe an Fra Raimondo, der sich fast wie eine erste Skizze des Dialogo liest und jene Vision enthält, die den Ausgangspunkt dieses Buches bilden sollte, behauptet Caterina, durch ein Wunder Schreiben gelernt zu haben, indem ihr die Fähigkeit plötzlich durch eine Art geistiger Eingebung gekommen sei, während sie im Herbst des Jahres 1377 auf Rocca d‘ Orcia weilte. „Diesen Brief“, schreibt sie, „und einen anderen, den ich Euch sandte, habe ich mit eigener Hand auf der Isola della Rocca geschrieben, unter vielen Seufzern und einem Strom von Tränen, wobei das Auge sah und doch nicht sah. Ich war voller Verwunderung über mich selbst und über die Güte Gottes, in Anbetracht seiner Barmherzigkeit gegenüber den vernunftbegabten Geschöpfen und seiner Vorsehung. Sie war so reichlich, dass er mir zu meiner Erquickung – da mir dieser Trost versagt blieb, den ich durch meine Unwissenheit nicht besaß – die Gabe des Schreibens schenkte und mich dazu befähigte, damit ich nach dem Herabsteigen aus der Höhe etwas besäße, um mein Herz zu erleichtern, damit es nicht zerspringt. Da er mich noch nicht aus diesem dunklen Erdenleben herausnehmen wollte, hat er es auf wundersame Weise meinem Geist eingeprägt, so wie es ein Lehrer tut, wenn er seinem Schützling eine Vorlage reicht. Sobald Ihr mich verlassen hattet, begann ich mit dem glorreichen Evangelisten Johannes und Thomas von Aquin im Schlaf zu lernen. Vergebt mir, wenn ich zu viel schreibe, denn meine Hände und meine Zunge bewegen sich im Takt meines Herzens.“[23]

Das war jedoch nicht der erste Brief, den Caterina auf diese Weise schrieb. Von Fra Tommaso Caffarini erfahren wir, dass sie, als sie „sich vom Gebet, mit dem Wunsch zu schreiben, erhob“, einen Brief an Stefano Maconi mit eigener Hand schrieb, an dessen Ende sie sagt: „Wisse, mein liebster Sohn, dass dies der erste Brief ist, den ich je geschrieben habe.“ Unter Berufung auf Stefano fügt er hinzu, dass sie später häufiger ihre eigenen Briefe und auch gewisse Seiten des Dialogo geschrieben habe, und berichtet an anderer Stelle, dass die beiden wunderbaren Briefe an Fra Raimondo gegen Ende ihres Lebens, in denen sie sich von ihm und von der Welt verabschiedet, ebenfalls von ihrer eigenen Hand stammen.[24] Aber, wie bereits erwähnt, besitzen wir heute – von sechs Ausnahmen abgesehen – lediglich Abschriften. Und selbst diese sechs Originale wurden offensichtlich nach dem Diktat der Heiligen von einem ihrer Sekretäre geschrieben. Kein einziges Wort, das von Caterinas eigener Hand geschrieben wurde, ist erhalten geblieben.

Die ersten Briefe Caterinas wurden von ihren Gefährtinnen Alessa, Cecca und gelegentlich Giovanna Pazzi für sie geschrieben; ebenso vermutlich auch die späteren, eher persönlichen Briefe und jene, die insbesondere an Frauen gerichtet waren. Danach scheinen Cristofano Guidini und Gherardo Buonconti gelegentlich nach ihrem Diktat geschrieben zu haben. Während des größten Teils ihrer politischen Aktivitäten jedoch hatte sie drei regelmäßige Sekretäre, nämlich die drei jungen Adeligen, denen wir schon so oft begegnet sind: Neri di Landoccio Pagliaresi, Stefano di Corrado Maconi und Francesco di Messer Vanni Malavolti.

Francesco Malavolti hat uns ein anschauliches Bild von Caterinas Methode der Textgestaltung zu dieser Zeit überliefert. Wir sehen sie, wie sie diesen drei jungen Männern gleichzeitig drei Briefe diktiert: einen an Papst Gregor, den anderen an Bernabo Visconti und einen dritten an einen bedeutenden Adeligen, an dessen Namen sich Francesco nicht erinnert. Sie diktiert einmal dem einen, dann dem anderen, zeitweilig das Gesicht mit den Händen oder dem Schleier bedeckt haltend, als ob sie in Gedanken versunken wäre, dann wieder mit gefalteten Händen und den Kopf zum Himmel erhoben. Zwischendurch scheint sie in Ekstase gefallen zu sein, spricht aber dennoch ununterbrochen weiter. Dann hören plötzlich alle drei zu schreiben auf, schauen verwirrt und bitten sie um Hilfe. Sie haben alle denselben Satz notiert, aber für wen unter ihnen war er bestimmt? Caterina versichert ihnen lächelnd, dass es keinen Grund zur Sorge gibt: „Liebste Söhne, seid nicht bekümmert, denn ihr habt das durch das Wirken des Heiligen Geistes getan. Wenn die Briefe beendet sind, werden wir sehen, wie diese Worte zu unserer Absicht passen, und dann entscheiden, was am besten zu tun ist.“ Natürlich berichtet uns Francesco, dass sich die strittigen Worte – obwohl die drei Briefe an so unterschiedliche Empfänger gerichtet waren und verschiedene Themen enthielten – als wesentlich für alle drei Briefe erwiesen.[25] Fra Raimondo berichtet uns, dass sie bei diesen Gelegenheiten ihre Briefe rasch und kontinuierlich diktierte, ohne auch nur die kleinste Gedankenpause, als ob sie alles, was sie sagte, aus einem vor ihr liegenden Buch ablesen würde.[26] Zu den genannten Drei gesellte sich im Jahr 1378 der junge Florentiner Barduccio di Piero Canigiani, der sie von Florenz nach Siena begleitete und sie bis zu ihrem Tod nicht mehr verließ. Während der letzten vier Monate ihres Lebens, als sie in Rom waren, scheint er ihr einziger ständiger Sekretär gewesen zu sein. Mindestens fünf der sechs Briefe, von denen die Originale noch existieren, sind von seiner Hand geschrieben.

Nahezu vierhundert von Caterinas Briefen sind uns erhalten geblieben. Es ist leichter, über ihre literarische Bedeutung und das historische Interesse zu sprechen als über ihren spirituellen Duft, der davon ausgeht wie von Lilien aus dem Tal, die in einem schattigen, von der Welt verlassenen Garten gepflückt wurden, erfüllt von einer überirdischen, geheimnisvollen Schönheit, so als wären sie unter Sonnen gewachsen, die in einer übernatürlichen Welt erstrahlten. Sie sind an Männer und Frauen in jeder Lebenssituation und jeder Gesellschaftsschicht geschrieben. Zu ihren Korrespondenten gehören ein Bettelbruder aus der Romagna bei Florenz, ein jüdischer Wucherer in Padua, nicht weniger als zwei Päpste und drei Könige. Anführer von Armeen, Herrscher italienischer Republiken erhalten ihre glühenden Worte und beugen sich ihrem geisterfüllten Willen, nicht weniger als Privatpersonen, die ihren Rat im geistlichen Leben suchen oder einfache Mönche und Eremiten in ihren Zellen, die danach trachten, den Weg zur Vollkommenheit zu finden. Sie kann eine Königin warnen: „Anstelle einer Herrin habt Ihr Euch zur Dienerin und Sklavin des Nichts gemacht, indem Ihr Euch der Lüge und dem Teufel unterworfen habt, der ihr Vater ist“,[27] während sie der Frau eines Schneiders rät: „Bekleide Dich mit aufrichtigen Tugenden.“[28] Ihr wunderbares, allumfassendes und intuitives Mitgefühl kennt keine Schranken, sondern dringt in das Haus der Schande ebenso ein wie in ein Kloster. An ihre Nichte, Suora Eugenia, in San Agnesa in Montepulciano schreibt sie „mit dem Wunsch, dich die Speise der Engel kosten zu sehen“, die mystische Speise, die „das Verlangen Gottes ist (die göttliche Liebe), die in uns die Liebe weckt und sie an sich zieht, sodass die beiden eins werden“;[29] an die Äbtissin und die Nonnen von San Piero in Monticelli „mit dem Wunsch, Euch als wahre Dienerinnen und Bräute des gekreuzigten Christus zu sehen“ – ein Brief, der voll ist von der gleichen geistlichen Poesie, wie sie die Geschichte von Piccarda in Dantes Paradiso durchdringt;[30] oder an die Dominikanerin in Orvieto, Suora Daniella, „die in große Bedrängnis geraten war, weil sie ihre großen Werke der Buße nicht mehr fortsetzen konnte“, über die heilige Tugend der Unterscheidung.[31] Sie schreibt aber auch an eine Dirne in Perugia „mit dem Verlangen, Dich am Blut des Gottessohnes teilhaben zu sehen“, einen Brief, der ebenso nachdrücklich wie zärtlich im Ausdruck ist und der im Namen der süßen Mutter Maria beginnt und auch endet.[32]

Einige dieser Briefe sind rein mystische, ekstatische Ergüsse des Herzens Caterinas, eine Übertragung des Gesprächs der Engel in gewöhnliche Sprache, das sie in überirdischen Regionen erlauscht hat. Das betrifft vorwiegend die Briefe an Fra Raimondo und, in geringerem Maß, jenen an Suora Bartolommea della Seta, einer Nonne in Pisa.[33] Andere Briefe ähneln eher einer vertraulichen persönlichen Korrespondenz, in der die alltäglichen Erfordernisse des Lebens aufgewertet werden und in denen sogar die unschuldigen Scherze ihrer Freunde und Anhänger nicht fehlen. Dazu gehören die Briefe an Stefano Maconi, aber noch reizvollere Beispiele finden sich in den Briefen an Francesco di Pippino und Monna Agnese, die in allen gedruckten Ausgaben so bedauerlich verkürzt und verstümmelt wurden, Briefe, die ebenso voll von hoher Spiritualität wie auch von schlichtem Hausverstand sind.[34] Manche sind als Leitfaden geschrieben, um Männer und Frauen durch alle Fallstricke der Welt oder die Prüfungen der geistlichen Berufung zu führen. Unter den letzteren sind die zahlreichen Briefe hervorzuheben, die Caterina an die Kartäuser und an die Mönche von Monte Oliveto richtete, zu denen sie neben den von ihr geliebten Dominikanern offensichtlich die größte Zuneigung empfand.[35]

Zu den ersteren gehören die Briefe an Andrea di Vanni, einen Maler, der das Amt des Capitano del popolo bekleidete, und an Lorenzo del Pino, den gelehrten Kanonisten von Bologna[36], vor allem aber die Briefe an ihre Florentiner Freunde und Gefährten, die Soderini und die Canigiani, die in dem, was sie für die Sache der Gerechtigkeit hielt, so schwer gelitten hatten. „Mir scheint“, schrieb sie an Niccolò Soderini, als ein neues Verbannungsurteil über ihn erging, „dass die süße Güte Gottes Euch jetzt von neuem eine ganz besondere Liebe erwiesen hat, indem er Euch der Lehre und dem Leben der Heiligen folgen lässt. Er hat Euch würdig gemacht, zum Lob und Ruhme seines Namens zu leiden, um Euch die Frucht im ewigen anstatt im diesseitigen Leben zu reichen.“[37] Zwei von Caterinas Briefen an Piero Canigiani sind erhalten geblieben, von denen einer bisher unveröffentlicht ist. Der erste, geschrieben „in dem Verlangen, Euch in wahrer und vollkommenster Liebe gegründet zu sehen, damit Ihr mit dem Hochzeitsgewand der vollkommenen Liebe bekleidet werdet“, stellt der Eigenliebe die göttliche Liebe gegenüber, „jene wahre und vollkommene Liebe, die so voll Wonne und Süßigkeit ist, dass kein Unglück ihr diese Süße nehmen oder trüben kann. Vielmehr stärkt das Unglück den Geist nur noch mehr, weil es die Seele ihrem Schöpfer näherbringt.“[38] Der zweite preist die „glorreiche Tugend der Beharrlichkeit“ und ermahnt den Guelfen-Politiker, sich nicht in den Wirren der Scheinwelt zu verstricken, sondern wie ein wahrer Pilger die Angelegenheiten der Welt hinter sich zu lassen, um seine wahre Heimat zu suchen.[39] Die fünf Briefe an Messer Ristoro müssen in ihrer Gesamtheit gelesen werden. Wie August Drane treffend bemerkt, „bilden sie eine Reihe für sich und enthalten grundlegende Anweisungen für die Heiligung der in der Welt lebenden Menschen, die an Klugheit und praktischer Weisheit bisher nicht übertroffen wurden.“

Wie wir gesehen haben, gibt es noch weitere Briefe, insbesondere jene an die Päpste und führenden Prälaten, die sich mit den mühsamsten Problemen von Kirche und Staat auseinandersetzen und die Verderbtheit der Zeit mit einer Leidenschaft und Furchtlosigkeit anprangern, die selbst Savonarola nicht übertreffen sollte. Einer der letzten Briefe Caterinas an einen hohen kirchlichen Würdenträger ist von besonderem Interesse, weil sie ihn mit der nachfolgenden Entwicklung des Schismas in Beziehung bringt. Er ist an Angelo Correr gerichtet, der von Urban zum Bischof von Castello in Venedig ernannt worden war, und zwar „in dem Wunsch, Euch mit einem wahren und vollkommenen Licht erleuchtet zu sehen“, wobei sie ihn zum Werk der Erneuerung aufforderte, denn andernfalls „wäret Ihr wahrlich ein Dämon, weil Ihr den Willen Gottes verwerfen und Euch dem des Teufels anschließen würdet.“[40] Wie Angelo Correr diesem Licht folgte, sollte sich bald zeigen.

Caterina ist damit neben Petrarca die zweite bedeutende Briefschreiberpersönlichkeit des vierzehnten Jahrhunderts. Es ist bemerkenswert, dass sie – obwohl sich der Zeitraum ihrer Korrespondenz überschneidet (mir scheint am plausibelsten, dass die Heilige im Jahr 1370, dem Jahr ihres Eintritts in das öffentliche Leben, mit dem Schreiben von Briefen begann, obwohl die meisten der erhaltenen Briefe aus den Jahren 1376 bis 1379 stammen) und sie in gewisser Weise für dieselbe Sache kämpften – mit Ausnahme von Karl V. von Frankreich nur zwei Korrespondenten gemeinsam hatten: den Arzt Francesco di Bartolommeo Casini und den Augustinermönch Bonaventura Badoara, den „Kardinal von Padua“.[41] In Petrarcas Briefen an Urban V. finden wir etwas von demselben Geist, der Caterina zu ihren Briefen an Gregor XI. und Urban VI. inspiriert hat. Aber in der Regel sind ihre Briefstile weit voneinander entfernt. Caterinas Sprache ist das reinste Toskanisch des goldenen Zeitalters der italienischen Volkssprache, weit entfernt von Petrarcas vermeintlichem ciceronischem Latein. Ihre Beredsamkeit ist spontan und ungekünstelt. Manchmal ist der Ideenreichtum Caterinas – in ihren Briefen wie auch im Dialogo – so groß, dass die Schnelligkeit und Leidenschaft ihres Gedankengangs die Grenzen der Sprache überschreiten; Metapher folgt unmittelbar auf Metapher, kaum ist ein Bild entstanden, nimmt schon ein anderes seinen Platz ein, bis Logik und Grammatik in der Flut und im Strom der leidenschaftlichen Worte hinweggeschwemmt werden.

Die einfache, aber tiefgründige Philosophie, die allen Schriften Caterinas zugrunde liegt, ist dieselbe, die sie – in die Praxis umgesetzt – wappnete, um unbezwungen und unbeirrt durch das große Spiel der Welt zu gehen.

Die Liebe ist das Höchste und Wichtigste, das Allumfassende, alles Ertragende, das Grenzenlose und Unendliche. In einer berühmten Passage des Purgatorio hatte Dante gezeigt, wie der Schöpfer und jedes Geschöpf von Liebe bewegt wird; wie in den vernunftbegabten Geschöpfen die Liebe der Keim jeder Tugend und jedes Lasters ist, weil die natürliche Neigung der Liebe zum Guten der „Stoff“ ist, aus dem der freie Wille Seligkeit oder Verderben wirkt.[42]

Aber Caterina geht noch einen Schritt weiter. Nicht nur Gott, sondern auch der Mensch ist in gewissem Sinn Liebe. „Denkt daran“, schreibt sie, „dass unser allererstes Gewand, das wir besaßen, die Liebe war. Denn wir sind einzig aus Liebe zum Bild und Gleichnis Gottes geschaffen, und deshalb kann der Mensch nicht ohne Liebe sein, denn er ist aus nichts anderem als aus Liebe gemacht. Alles, was er besitzt, der Seele und dem Leib nach, hat er durch die Liebe. Der Vater und die Mutter haben ihr Kind, das heißt, die Substanz ihres Fleisches (durch die Gnade Gottes), nur durch die Liebe geschaffen.“[43] Und an anderer Stelle: „Die Seele kann ohne Liebe nicht leben; sie muss stets irgendetwas lieben, weil sie durch die Liebe geschaffen wurde. Die Liebesneigung bewegt den Verstand, der gleichsam sagt: Ich will lieben, denn die Nahrung, mit der ich mich stärke, ist die Liebe. Dann erhebt sich der Verstand, der sich durch die Liebesneigung geweckt fühlt, als wollte es sagen: Wenn du lieben möchtest, so will ich dir etwas geben, das du lieben kannst.“[44]

Die Liebe nährt die Tugenden wie Kinder an ihrer Brust. Sie kleidet die Seele mit ihrer eigenen Schönheit, denn sie verwandelt die Geliebte und macht sie eins mit dem Liebenden.[45] „Die Liebe harmonisiert die drei Kräfte unserer Seele und verbindet sie miteinander. Wenn der Wille lieben will, bewegt er den Verstand, um zu sehen. Sobald der Verstand merkt, dass der Wille gerne lieben möchte, stellt er ihm – wenn es ein vernünftiger Wille ist – als Objekt die unermessliche Liebe des ewigen Vaters vor Augen, der uns das Wort geschenkt hat, seinen eigenen Sohn, und den Gehorsam und die Demut des Sohnes, der Qualen, Ungerechtigkeiten, Spott und Beleidigungen mit Sanftmut und mit so großer Liebe ertragen hat. Und nun richtet sich der Wille mit unaussprechlicher Liebe nach dem aus, was das Auge des Verstandes gesehen hat, und mit seiner starken Hand nimmt er den Schatz, den er aus dieser Liebe gewonnen hat und verwahrt ihn in seinem Gedächtnis.“[46]

Weil der höchste Akt der göttlichen Liebe im Opfer auf Golgotha gesehen wird und nochmals in der mystischen Ausgießung an Pfingsten, sind die Symbole der Liebe für Caterina Blut und Feuer, vor allem aber Blut, und manchmal kommt dies auf überraschende Weise zum Ausdruck. Sie nennt ihre Briefe mit Blut geschrieben. Die Adressaten werden aufgefordert, sich im Blut zu ertränken, sich mit Blut zu bekleiden und sich vom Blut verwandeln und entflammen zu lassen. Sie werden berauscht vom Blut. Ihr Wille, ihr Verstand und ihr Gedächtnis werden erfüllt vom Blut. Sie werden in der Flut des Blutes ertränkt. „Ertränkt Euch im Blut des gekreuzigten Christus“, schreibt sie an Fra Raimondo, „und badet Euch in diesem Blut. Berauscht Euch im Blut, sättigt Euch mit Blut und bekleidet Euch mit Blut. Und wenn Ihr untreu geworden seid, so tauft Euch erneut im Blut. Wenn der Teufel das Auge Eures Verstandes verdunkelt hat, dann wascht es rein mit dem Blut. Wenn Ihr Euch undankbar gezeigt habt durch Geringschätzung der Gnadengaben, so seid dankbar im Blut. Wenn Ihr ein unwürdiger Hirte wart, ohne die Rute der Gerechtigkeit – gemildert durch Klugheit und Barmherzigkeit –, so erlangt sie vom Blut. Blickt mit dem Auge des Verstandes in dieses Blut, ergreift die Gerechtigkeit mit der Hand der Liebe und haltet sie fest mit drängendem Verlangen. Löst Eure Lauheit durch die Glut des Blutes und vertreibt die Finsternis im Licht dieses Blutes. Von neuem möchte mich mit Blut bekleiden und jegliches Gewand ablegen, an dem ich bisher Gefallen hatte. Ich will Blut; und im Blut werde ich jetzt und in Zukunft das Sehnen meiner Seele stillen. Wenn ich sie bei anderen Geschöpfen suchte, wurde ich enttäuscht; daher möchte ich in den Zeiten der Einsamkeit Gesellschaft finden allein im Blut. So werde ich beides finden, das Blut und die Geschöpfe, und so werde ich ihre Zuneigung und Liebe im Blut trinken.“[47]

Caterina überträgt dies auf das reale Leben: das Blut, das in den Straßen und Palästen der italienischen Städte in den erbitterten Kämpfen der einzelnen Parteien zu sehen ist, und das auf dem Schafott am Richtplatz Sienas vergossen wird, beflügelt ihre Phantasie und scheint von der Liebe selbst vergossen zu werden. Der Anblick und der Geruch von Blut haben für sie keinen Schrecken. Am deutlichsten wird dies in einem ihrer schönsten und berühmtesten Briefe an Fra Raimondo, in dem sie den Tod des jungen Adeligen aus Perugia, Niccolò di Toldo, beschreibt, der von der Regierung Sienas zu Unrecht zum Tod verurteilt wurde:

„Ich habe den besucht, den Ihr kennt; darüber war er so gestärkt und getröstet, dass er beichtete und wieder ganz gut zurechtkam; und ich musste ihm bei der Liebe Gottes versprechen, dass ich, wenn der Zeitpunkt der Hinrichtung käme, bei ihm sein würde. Ich versprach es und hielt es auch so. Am Morgen, bevor die Glocke läutete, ging ich zu ihm, und er empfing großen Trost. Ich brachte ihn zur Messe, und er empfing die heilige Kommunion, die er seit dem ersten Mal nie mehr empfangen hatte. Sein Wille war nun dem Willen Gottes ganz ergeben. Nur die eine Furcht war ihm noch geblieben, dass er im letzten Augenblick schwach werden könnte. Aber die unermessliche und glühende Güte Gottes hat ihn überlistet, indem sie in ihm durch seine Zuneigung zu mir ein solch sehnsuchtsvolles Verlangen nach Gott erweckte, dass er ohne ihn nicht sein konnte, und er sagte zu mir: ‚Bleibe bei mir und verlasse mich nicht, dann wird alles gut, und ich werde zufrieden sterben‘; und er lehnte seinen Kopf an meine Brust. Da empfand ich tiefe Freude, und ich fühlte den Duft seines Blutes und auch das meine, das ich für den süßen Bräutigam Jesus zu vergießen wünschte. Und als das Verlangen in meiner Seele wuchs und ich seine Angst bemerkte, sagte ich: ‚Sei getrost, mein lieber Bruder, denn bald werden wir zur Hochzeit gehen. Du wirst dort einziehen, gebadet im süßen Blut des Sohnes Gottes, mit dem süßen Namen Jesus, der nie mehr deinem Gedächtnis entschwinden soll, und ich werde dich am Richtplatz erwarten.‘

Nun denkt Euch, mein Vater und Sohn: aus seinem Herzen schwand jede Furcht, und sein trauriges Gesicht wurde heiter. Er freute sich, jubelte und sagte: ‚Woher kommt mir diese Gnade, dass die Süßigkeit meiner Seele mich an der heiligen Richtstätte erwartet?‘ Seht, er war so sehr erleuchtet worden, dass er den Richtplatz heilig nannte, und er sagte: ‚Ich will ganz freudig und tapfer hingehen, und es wird mir wie tausend Jahre vorkommen, bis ich dort angelangt bin, wenn ich daran denke, dass du mich dort erwartest.‘ Er sprach so liebevoll von Gottes Güte, dass man es kaum ertragen konnte.

Ich erwartete ihn also am Richtplatz, und ich verweilte dort unter beständigem Gebet und in der Gegenwart von Maria und Katharina, der Jungfrau und Märtyrerin. Noch bevor er ankam, kniete ich mich nieder und legte meinen Hals auf den Richtblock – erlangte aber nicht, was ich ersehnte, denn ich war voll Eigenliebe. Dann betete ich und flehte, und ich sagte zu Maria, dass ich mir diese Gnade wünschte, dass sie ihm in diesem Augenblick wahres Licht und Frieden des Herzens schenken möge, und dass ich ihn dann zu seinem Ziel zurückkehren sehen dürfte. Durch dieses süße Versprechen, das mir gegeben wurde, war meine Seele so erfüllt, dass ich keinen Menschen mehr wahrnahm, obwohl eine große Volksmenge dort versammelt war. Dann kam er, wie ein sanftmütiges Lamm; und als er mich erblickte, begann er zu lächeln und er bat mich, ihm das Kreuzzeichen zu machen. Nachdem er es empfangen hatte, sagte ich: ‚Auf, zur Hochzeit, mein lieber Bruder, denn bald wirst du im ewigen Leben sein!‘ Er kniete sich mit großer Sanftmut nieder, und ich entblößte seinen Hals, beugte mich über ihn und erinnerte ihn an das Blut des Lammes. Sein Mund sprach nichts als Jesus und Caterina! Und während er das sagte, empfing ich sein Haupt in meinen Händen, schloss meine Augen in der göttlichen Güte und sagte: Ich will.“

Dann erschien vor ihrem ekstatischen Blick der geöffnete Himmel, und sie sah, wie der Gottmensch, leuchtend wie die Sonne, das Blut des Opfers in seine geöffneten Wunden aufnahm, seine Sehnsucht in das Feuer seiner göttlichen Liebe, Blut in Blut, Feuer in Feuer, und wie die Seele selbst in die Seitenwunde eintrat, „gebadet in seinem eigenen Blut, das durch das Blut des Gottessohnes mächtig geworden war.“ Als aber die Seele eingetreten war und die göttliche Süße zu verkosten begann, „wandte sie sich zu mir um, so wie die Braut, wenn sie an der Schwelle ihres Bräutigams angekommen ist, ihre Augen und ihr Haupt zurückwendet, um jene zu grüßen, die sie begleitet haben, und ihnen so ein Zeichen des Dankes zu geben. Da ruhte meine Seele in Frieden und Stille, in einem so starken Duft von Blut, dass ich mich nicht entschließen konnte, das Blut abzuwaschen, das von ihm auf mich gespritzt war. Ach, ich Arme, Unglückliche! Ich will weiter nichts mehr sagen. Ich blieb auf der Erde zurück und konnte ihn nur tief beneiden.“[48]

Ordina quest‘ amore, O tu che m‘ ami, sang Jacopone da Todi: „Ordne diese Liebe, o du, der du mich liebst.“ In Anlehnung an diese franziskanische Textzeile hatte Dante sein Purgatorio (das das ganze Leben des Menschen symbolisiert) auf die Notwendigkeit einer geordneten Liebe ausgerichtet. Das Gleiche gilt für Caterina. „Die Seele“, sagt sie, „die ungeordnet liebt, wird sich selbst unerträglich.“ Nur der Schöpfer darf allein um seiner selbst willen und ohne jedes Maß geliebt werden. Allzu leicht kann eine geistige Liebe zu einem Geschöpf ganz und gar sinnlich werden, wenn das Auge nicht stets auf das Blut des gekreuzigten Christus gerichtet bleibt.[49] Und diese ungeordnete Liebe wächst sich zum Monstrum der Eigenliebe, der amore proprio, aus, die in Caterinas Lehre die gleiche Rolle spielt wie die Lupa, die Wölfin der Habgier, in der Divina Commedia. Die „Eigenliebe“, schreibt sie, „die uns von der wahren Liebe und der Liebe zum Nächsten abhält, ist der Grund und die Ursache allen Übels. Alle Empörung, aller Hass, alle Grausamkeit und alles, was unanständig ist, entstammt dieser Wurzel der Eigenliebe. Sie hat die ganze Welt vergiftet und den mystischen Leib der heiligen Kirche und den universalen Leib der christlichen Religion geschwächt.“[50]

Darüber hinaus macht sie von dieser Lehre in großartiger Weise auch Gebrauch, wenn sie sich an die demokratischen Herrscher der italienischen Republiken wendet. „Ihr seht, liebste Brüder und Herren“, schreibt sie an die Ältesten und an die Konsuln und Gonfalonieri von Bologna, „dass es die Eigenliebe ist, die die Stadt der Seele verwüstet und irdische Städte vernichtet und zu Fall bringt. Ich möchte, dass ihr wisst, dass nichts diese Spaltung in der Welt verursacht hat als die Eigenliebe, aus der alle Ungerechtigkeit entstanden ist und entsteht.“[51] Durch die Eigenliebe, so bestätigt sie der Signoria von Florenz, ist die Tugend der Gerechtigkeit in den Monarchien und Republiken gleichermaßen ausgestorben: „Die rechtmäßigen Herrscher sind zu Tyrannen geworden. Die Untertanen der Kommune nähren sich nicht mit Gerechtigkeit oder brüderlicher Liebe an ihrer Brust, sondern jeder trachtet mit Falschheit und Lügen nach seinem persönlichen Vorteil und nicht nach dem allgemeinen Wohlergehen der Stadt. Jeder sucht das Amt nur aus Eigeninteresse und nicht zum Wohl der Stadt und seiner Verwaltung.“[52] Auch den Krieg zwischen den toskanischen Kommunen und dem Heiligen Stuhl schrieb Caterina allein der Eigenliebe zu und nicht zuletzt das Große Schisma selbst; die Eigenliebe hatte Gregors Legaten in reißende Wölfe verwandelt und Urbans Kardinäle in fleischgewordene Teufel.

Daher muss der Mensch das zweischneidige Schwert von Liebe und Hass zücken und den Wurm der Sinnlichkeit mit der Hand des freien Willens töten. Er muss die knechtische Furcht völlig abwerfen. „Knechtische Furcht nimmt der Seele alle Kraft. Ich glaube nicht, dass der Mensch irgendeinen Grund hat sich zu fürchten, denn Gott hat ihn gegen jeden Feind stark gemacht.“[53] „Keine Handlung der Seele, die unter knechtischer Furcht leidet, ist vollkommen. In welchem Zustand sie auch sein mag, im Kleinen wie im Großen, sie bleibt zurück und bringt nicht zur Vollendung, was sie begonnen hat. O wie gefährlich ist diese Furcht! Sie trennt die Arme des heiligen Verlangens ab; sie macht den Menschen blind, weil sie ihn die Wahrheit nicht erkennen oder sehen lässt. Diese Furcht geht aus der Blindheit der Eigenliebe hervor. Denn sobald das vernunftbegabte Geschöpf sich selbst mit empfindsamer Eigenliebe liebt, fürchtet es sich sogleich. Und warum fürchtet es sich? Weil es seine Liebe und seine Hoffnung auf etwas Schwaches gesetzt hat, das in sich selbst keine Festigkeit und keine Beständigkeit hat, sondern wie der Wind vorübergeht.“[54]

Ob im Kloster oder in der Welt, der Mensch muss die Zelle der Selbsterkenntnis, la cella del cognoscimento di noi, betreten und darin verweilen. An ihre Tür muss er den Wachhund, das Gewissen, setzen, der mit seinem Laut den Verstand wachrüttelt; jenen Wachhund, dessen Nahrung und Trank Blut und Feuer sind.[55] In dieser Zelle wird er Gott und den Menschen erkennen. Er wird Gottes Liebe begreifen, seine Wahrheit besitzen und sich bereitwillig von dessen Willen leiten lassen. Die Zelle der Selbsterkenntnis ist der Stall, in dem der Reisende durch die Zeit in die Ewigkeit neu geboren werden muss. „Ihr seht, dass dieses süße und liebende Wort, da Maria unterwegs war, in einem Stall geboren wurde, um euch Pilgern zu zeigen, dass ihr stets wiedergeboren werden müsst im Stall der Selbsterkenntnis, wo ihr Mich durch die Gnade in euren Seelen geboren finden werdet.“[56]

Außer dem Buch und den Briefen hat sich eine Anzahl von Gebeten, insgesamt sechsundzwanzig, erhalten, die Caterina bei verschiedenen Gelegenheiten gesprochen hat. Eines, das kürzeste, soll das erste gewesen sein, das sie mit eigener Hand geschrieben hat:

„O Heiliger Geist, komm in mein Herz. Ziehe es durch Deine Macht zu Dir, seinem Gott, und verleihe mir Liebe und Furcht! Bewahre mich, Christus, vor jedem bösen Gedanken, erwärme mich und entflamme mich von neuem mit Deiner süßesten Liebe, sodass mir jeder Schmerz leicht erscheint. Mein heiliger Vater und mein süßer Gebieter, hilft mir jetzt und bei all meinem Tun. Christus, die Liebe, Christus, die Liebe, Amen.“[57]

Die anderen Gebete sind mystische Ergüsse, die damals von den Schülern der Heiligen aufgezeichnet wurden und in ähnlichen oder leicht variierten Formen die geistigen Grundlagen wiederholen, die in ihren anderen Schriften atmen. Wir finden dieselbe „süße Glut der himmlischen Liebe“, dieselbe leidenschaftliche Betrachtung der höchsten Mysterien des Glaubens, dieselbe Verehrung der allerseligsten Jungfrau, dasselbe Verlangen, ihr Leben für die Rettung der Seelen und die Erneuerung der Kirche hinzugeben. Es ist wahrhaft herzzerreißend zu sehen, wie diese außergewöhnlich empfindsame und engelsgleiche Frau den Himmel mit Gebeten für jenen grimmigen und rücksichtslosen Mann bestürmte, den sie ihren „lieben Christus auf Erden“ nannte, und Gott anflehte, seinen guten Willen zu sehen, ihn unter den Schwingen seiner Barmherzigkeit zu bergen, damit seine Feinde, die iniqui superbi, nicht in der Lage wären, ihm zu schaden, ihn mit der Reinheit des Glaubens zu bekleiden, ihm Erleuchtung zu schenken, damit alle Welt ihm folgen möge, sein „mannhaftes Herz“ durch heilige Demut zu mäßigen. In jenem berührenden Gebet, das am Fest der Beschneidung verfasst wurde – möglicherweise jenem des Jahres 1380, als diese „wunderbaren Geheimnisse“ in ihr zu wirken begannen, die sie endlich von der Welt befreiten –, sehen wir, dass Caterina nicht nur Urban einschließt, sondern alle jene Schismatiker, die sie als fleischgewordene Teufel, Männer, die tausender Tode würdig seien, bezeichnete. Nun gilt ihr einziger Gedanke der Rettung ihrer Seelen, und sie fleht den Gott der äußersten Milde an, deren Sünden an ihrem eigenen Körper zu strafen. Das letzte Gebet dieser Reihe besteht aus jenen Worten, die sie äußerte, als sie am Montag nach dem Sonntag Sexagesima, da ihre geistliche Familie sie schon als tot betrauerte, das Bewusstsein wiedererlangte. Es beschreibt den Grundton ihrer Leidenschaft und scheint gewissermaßen die Sehnsucht jenes wochenlangen Leidens zusammenzufassen:

„O ewiger Gott, o göttlicher Meister, Du hast den Leib Deines Geschöpfes aus dem Schlamm der Erde gebildet und geformt! O süßeste Liebe! Du hast dieses Gefäß aus einem so niedrigen Stoff geformt und ihm als kostbaren Schatz die Seele eingesenkt, die das Bildnis von Dir, dem ewigen Gott, in sich trägt. Du, guter Meister, meine süße Liebe, bist der Töpfer, der zerstört und wieder neu macht. Du zerbrichst und erneuerst dieses Gefäß, so wie es Deiner Güte gefällt. Dir, ewiger Vater, opfere ich, elendes Geschöpf, von neuem mein Leben für Deine süße Braut. Sooft es Deiner Güte gefällt, magst Du mich aus meinem Leib herausnehmen und wieder hineinversetzen, jedes Mal unter größeren Schmerzen als zuvor, wenn ich nur die Erneuerung dieser süßen Braut, Deiner Heiligen Kirche, sehen darf. Ich bitte Dich für diese Braut, ewiger Gott.

Ebenso vertraue ich Dir meine besonders geliebten Kinder an und bitte Dich, höchster und ewiger Vater: wenn es Deiner Barmherzigkeit und Güte gefallen sollte, mich aus diesem Gefäß herauszunehmen und mich nicht mehr zurückkehren zu lassen, dann lasse sie nicht als Waisen zurück, sondern suche sie heim mit Deiner Gnade und belebe sie, wenn sie tot sind, mit dem wahren und vollkommenen Licht. Vereine sie mit dem süßen Band der Liebe, damit sie vor brennendem Verlangen in dieser süßen Braut sterben. Ich bitte Dich auch, ewiger Vater, dass keiner von ihnen meinen Händen entrissen werde. Vergib uns alle unsere Sünden und vergib mir meine große Unwissenheit und die Nachlässigkeit, die ich in Deiner Kirche begangen habe, indem ich nicht getan habe, was ich tun hätte können und sollen. Ich habe gesündigt, Herr, sei mir gnädig. Ich empfehle Dir meine geliebten Kinder und vertraue sie Dir an, denn sie sind meine Seele. Und wenn es Deiner Güte gefällt, mich noch in diesem Gefäß zu belassen, dann, höchster Arzt, heile Du es und erhalte es, denn es ist gänzlich zerstört und voller Risse. Gewähre uns, ewiger Vater, gewähre uns Deinen süßen Segen. Amen.“



[1] Legenda, III. i. 2 (§ 332). Vgl. III. iii. 1 (§§ 349, 350). Im vatikanischen MS., Cod. Barb. Lat. 4063, ist das Buch einfach betitelt: „Il libro facto per divina revelacione de la venerabile et admirabile vergine beata Katherina da Siena“ – „Das von der ehrwürdigen und wunderbaren Jungfrau, der seligen Caterina von Siena, verfasste Buch über die göttliche Offenbarung“.

[2] Die von mir gewählte Einteilung ist ein Kompromiss zwischen jener in den Handschriften bzw. frühen Ausgaben des italienischen Textes und jener, die Fra Raimondo in seiner lateinischen Version bietet – ein Kompromiss, der, soweit es darum geht, den Trattato delle Lagrime als eigenständigen Traktat zu behandeln, durch Caterinas eigenen Hinweis darauf im Brief 154 wie auch durch inhaltliche Evidenz gerechtfertigt scheint. [Andere Herausgeber versuchten eine Aufteilung anhand der vier Bitten am Beginn des Werkes. Tatsächlich scheint die zehnteilige Gliederung, wie sie von Giuliana Cavallini aufgrund der Elemente von Bitte, Antwort, Dank und deren Übereinstimmung mit den großen Initialen der frühesten Handschriften „entdeckt“ wurde, das plausiblere und wohl auch authentische Schema zu sein. Vgl. Giuliana Cavallini, S. Caterina da Siena IL DIALOGO della Divina Provvidenza ovvero Libro della Divina Dottrina (Testi Cateriniani I), Siena 1995.]

[3] Kap. 1.

[4] Brief 272 (90).

[5] Epist. X. 16.

[6] Dialogo, Kap. 1 – Kap. 8, Kap. 11. Vgl. Briefe 311 (203), 282 (39).

[7] Kap. 64.

[8] Kap. 69.

[9] Kap. 74.

[10] Kap. 78.

[11] Kap. 79. In seiner lateinischen Version des Dialogo macht Fra Raimondo dazu die Anmerkung: „Nota quod iste status est ille, in quo erat ista benedicta virgo Catharina de Senis: ut oculi nostri viderunt apertissime“ – „Beachte, dass dies jener Zustand ist, in dem die gebenedeite Jungfrau Caterina von Siena war, was unsere Augen ganz deutlich sahen.“

[12] Das wird in den Kap. 83, 84 ausgeführt, von denen die modernen gedruckten Editionen und Übersetzungen nur eine verstümmelte Version dessen enthalten, was wir in den Handschriften und in Fra Raimondos lateinischer Version finden.

[13] Kap. 121 – Kap. 130. Vgl. Cäsarius von Heisterbach, Dialogus miraculorum (hg. v. Strange, Köln, 1851), dist. IX., Kap. 6; Revelationes S. Birgittae, I. 49, IV. 133. Ein ebenso erschreckendes Bild wird einige Jahre später von Nicolas de Clémanges in seinem Werk De ruina Ecclesiae, Kap. 15 – Kap. 23 (Opera, Leiden, 1613), gezeichnet.

[14] Kap. 139. Vgl. die Errettung des Buonconte da Montefeltro, Purg. v. 100–107. Caterina spielt in ähnlichen Worten im Brief 272 (90) auf diesen Fall an. Möglicherweise waren entweder Niccolò di Toldo oder Trincio Trinci die gemeinte Person.

[15] Kap. 142. Vgl. Legenda, II. xii. 4–14 (§§ 316–324).

[16] Kap. 144.

[17] Kap. 145, 146.

[18] Kap. 147.

[19] Kap. 153. Caterinas Verständnis der heiligen Armut, Kap. 151, entspricht dem franziskanischen. Es ist bemerkenswert festzustellen, wie frei sie oft die Heilige Schrift zitiert. Fra Raimondo korrigiert sie üblicherweise in seiner lateinischen Version.

[20] Kap. 158. Vgl. Dante, Par. xi., xii. und xiii. 73–93. Die Enzykliken, die Fra Elias von Toulouse als Generalmeister des Ordens in den Jahren 1368, 1370 und 1376 herausgab, bestätigen in eindrucksvoller Weise Caterinas Aussage über die Korruption und den Niedergang der Dominikaner zu dieser Zeit. „Wir sind in einen solchen Zustand geraten“, hatte er im Jahr 1376 geschrieben, „dass man auf jenen, dem die Zeremonien der Kirche wichtig sind, mit dem Finger zeigt, und einer, der die Ordensregeln einhält, von den anderen wie ein Sonderling behandelt wird.“ Siehe Monumenta ordinis Fratrum Praedicatorum historica, Bd. v. S. 306–312.

[21] Vgl. Lettere dei discepoli, 18. Aber Capecelatro, S. 343, 344, der Ignazio Cantù folgt, überbewertet Caterinas mögliche Kenntnis Dantes.

[22] Kap. 167, korrigiert nach dem vatikanischen MS., Cod. Barb. Lat. 4063, mit dem Fra Raimondo im Wesentlichen übereinstimmt.

[23] Brief 272 (90). Vgl. Brief 119 (178) an Alessa. Es ist ungewiss, ob es sich bei dem anderen Brief, auf den Caterina hier verweist, jener mit der Nummer 267 (91) ist, was am wahrscheinlichsten erscheint, wenn es sich um einen der uns erhaltenen Briefe handelt. Augusta Drane identifiziert ihn durch einen unerklärlichen Irrtum mit dem Brief 226 (89), der offensichtlich im Jahr zuvor an Raimondo in Avignon geschrieben wurde.

[24] Supplementum, I, I, 8-10 (S. 9–10 im Casanatense MS.); III, I, 1 (S. 122); Processus, S. 1279 [Prozess, S. 93–95]. Sofern es sich bei dieser Passage nicht um eines der verlorenen Postskripte zu den uns vorliegenden Briefen handelt, ist der Brief an Stefano Maconi nicht erhalten geblieben.

[25] Contestatio Francesco de Malavoltis, Kap. vii. (Casanatense, MS., S. 460, 461); [Prozess, S. 593]. Es ist nicht mehr möglich, diese drei Briefe zu identifizieren, denn jener an Bernabo ist mit Sicherheit nicht jener, der uns erhalten geblieben ist, da er keinen Abschnitt enthält, der gleichlautend mit einem von Caterinas Briefen an Gregor wäre.

[26] Legenda, Prolog I. (§ 7).

[27] Brief 251 (362).

[28] Brief 317 (316).

[29] Brief 26 (159).

[30] Brief 79 (149).

[31] Brief 213 (163).

[32] Brief 276 (373). Ein weiteres Beispiel für Caterinas weitherzige Einstellung zu Fragen dieser Art findet sich im Brief 8 (82) über die Aufnahme eines unehelich geborenen Jugendlichen in den Olivetanerorden.

[33] Brief 221 (152).

[34] Siehe Anhang, Briefe V. und VI., die allerdings einen anderen Tonfall aufweisen.

[35] Über Caterinas Beziehungen zu den Olivetanern, vgl. Placido M. Lugano, Origine e Primordi dell‘ Ordine di Montoliveto, S. 157–164.

[36] Briefe 358 (212), 363 (213), 193 (224).

[37] Brief 297 (218). Vgl. Brief 314 (343) an Costanza Soderini. Niccolò wurde am 27. August 1378 nach Treviso verbannt. Vgl. Anonimo Fiorentino, S. 376.

[38] Brief 96 (233).

[39] Anhang, Brief VII.

[40] Brief 341 (34).

[41] Petrarca, Rer. Sen., XVI. Buch Briefe 2, 3, XI. Buch Brief 14; Caterinas Briefe 244 (227), 334 (30). Fra Bonaventura hatte 1374 in Arquà die Trauerrede auf Petrarca gehalten. Caterinas Brief an ihn als Kardinal (von dem es bessere Versionen mit zusätzlichen Inhalten in der Casanatense MS. 292 und der Palatino MS. 57 gibt) wurde ihm im Frühjahr 1379 in Florenz übergeben. Vgl. Anonimo Fiorentino, S. 393–395. Er war maßgeblich an der Rückgabe von Talamone an Siena beteiligt. Am 10. Juni 1385 wurde er auf der Ponte Sant‘Angelo in Rom ermordet. Bartolommeo della Pace [Smeducci da Sanseverino] und Giovanni da Parma, an die Petrarca Briefe richtete (Ep. varie 50, 54, 61), waren offenkundig nicht Caterinas Briefpartner mit denselben Namen.

[42] Purg. xvii. und xviii.

[43] Anhang, Brief I. Vgl. Brief 196 (4).

[44] Dialogo, Kap. 51.

[45] Brief 108 (172).

[46] Brief 95 (308).

[47] Brief 102 (93).

[48] Brief 273 (97), korrigiert nach dem Harley-MS.

[49] Brief 76. Vgl. den interessanten Brief 245 (22) „an einen Genueser des dritten Ordens des heiligen Franziskus, der eine geistliche Freundschaft mit einer Frau eingegangen war, wodurch er viele Mühsale erdulden musste.“ Ich entnehme dem Casanatense MS. 292, dass dieser Tertiar ein gewisser Fra Gasparo war.

[50] Dialogo, Kap. 7.

[51] Brief 268 (200).

[52] Brief 337 (199).

[53] Anhang, Brief I.

[54] Brief 242 (37) an den Bischof von Florenz, Angelo Ricasoli, als er die Stadt verließ, um sich dem Interdikt zu beugen. Caterina hatte zuvor dieselben Worte im Brief 11 (24) an Kardinal Pierre d’Estaing verwendet.

[55] Vgl. Briefe 2 (50) und 114 (267).

[56] Dialogo, Kap. 151. Vgl. Botticellis allegorisches Gemälde der Geburt in der Nationalgalerie.

[57] Orat. IV. Eine leicht abweichende Version dieses Gebetes in lateinischer Sprache ist bei Fra Tommaso Caffarini im Processus, S. 1279 [Prozess, S. 95] und im Supplementum, MS. cit., S. 9 [Suppl., I, I, 8] enthalten.