Edmund G. Gardner

Die hl. Caterina von Siena

Eine Studie über Religion, Literatur und Geschichte
des 14. Jahrhunderts in Italien

13. Kapitel

Von Siena nach Rom

 

Als das erste Gerücht über ein Missverständnis zwischen dem Heiligen Kollegium und dem Papst aufkam, richtete Caterina aus Florenz einen leidenschaftlichen Brief an Pedro de Luna, „mit dem Wunsch, Euch als eine feste Säule im Garten der heiligen Kirche zu sehen, frei von jener Eigenliebe, die uns Menschen so sehr schwächt.“ „Wenn ich recht gehört habe“, schrieb sie, „so ist zwischen dem Christus auf Erden und seinen Jüngern ein Zwist entstanden. Das bereitet mir unerträglichen Kummer, da ich Angst habe vor dem Schisma und weil ich fürchte, dass diese Spaltung wegen meiner Sünden entstehen könnte. Darum bitte ich Euch um jenes glorreichen und kostbaren Blutes willen, das mit so flammender Liebe vergossen wurde: Trennt Euch niemals von der Tugend und von Eurem Oberhaupt! Alles andere – äußerer Krieg und andere Bedrängnisse – würde uns geringer erscheinen als ein Strohhalm oder ein Schatten im Vergleich zu diesem drohenden Unheil (des Schismas).“[1]

Nur wenige Tage vor der feierlichen Anklage der Usurpation der Papstwürde seitens Urbans VI., die am 9. August in Anagni erfolgte, war Caterina nach Siena zurückgekehrt und kündigte die bevorstehende Spaltung der Kirche an. Von ihrer Heimatstadt aus verfolgte sie mit unsagbarem Schmerz, was die Menschen das Zerreißen des nahtlosen Mantels Christi nannten. Zweifellos hörte sie nur die extreme urbanistische Version des Geschehens, die sie mit der ganzen Leidenschaft ihrer Seele vorbehaltlos annahm. „O ihr Menschen, nein, nicht Menschen, sondern eher sichtbare Teufel“, ruft sie aus, wenn sie die Kardinäle anspricht, „wie seid Ihr doch verblendet durch die ungeordnete Liebe, die Ihr Euren verderblichen Leibern, den Freuden in der Welt und Eurem Ansehen entgegenbringt! Jetzt, wo der Stellvertreter Christi, den Ihr durch kanonische Wahl gewählt habt, Euren Lebenswandel verbessern wollte, damit Ihr süß duftende Blumen im Garten der heiligen Kirche werdet, streut Ihr Gift aus, und sagt, er sei nicht der wahre Papst, sondern Ihr hättet ihn Furcht gewählt und aus Angst vor der Wut der Menge. Das ist nicht wahr! Und selbst wenn es so gewesen wäre, so hättet Ihr den Tod verdient, weil ihr den Papst aus Furcht vor den Menschen und nicht aus Gottesfurcht gewählt habt.

Aber das könnt Ihr nicht behaupten; und wenn Ihr es behauptet, könnt Ihr es nicht beweisen. Denn was Ihr aus Furcht getan habt, um das Volk zu beschwichtigen, ist für alle offensichtlich geworden, als Ihr dem Monsignore von Sankt Peter den Mantel des heiligen Petrus übergelegt und gesagt habt, Ihr hättet ihn zum Papst gewählt. Dass dies nicht der Wahrheit entsprach, war sofort klar, nachdem der Volkszorn sich gelegt hatte. Und so hat er und habt Ihr zugegeben, dass nicht er, sondern Herr Bartolommeo, der Erzbischof von Bari, zum Papst gewählt worden sei. Und wenn er es nicht war – was hat Euch dann bewogen, ihn nochmals in einer ordentlichen Wahl, ohne jede Gewalteinwirkung zu wählen und ihn so feierlich und nach allen Regeln, die seinem Amt zukommt, zu krönen, wie es bei der Wahl von keinem seiner Vorgänger der Fall war? Und was veranlasst Euch, das Gegenteil von dem zu behaupten: Eure Eigenliebe, die keinen Tadel duldet. Denn bevor er anfing, Euch mit Worten zu beißen, und die Dornen aus dem süßen Garten ausreißen wollte, habt Ihr es uns kleinen Schafen deutlich verkündet, dass Papst Urban VI. der wahre Papst ist. Und so bekenne ich und verleugne es nicht, dass er der Stellvertreter Christi ist, der in Wahrheit die Schlüssel des Blutes besitzt. Diese Wahrheit kann von den niederträchtigen Lügnern der Welt nicht verdreht werden, denn es ist die Wahrheit, die uns frei macht. O ihr Elenden! Ihr seht nicht, wie tief Ihr gefallen seid, weil Ihr Euch selbst des Lichtes beraubt habt. Ihr habt das Gift für Euch selbst genommen, aber warum gebt Ihr es den anderen? Habt Ihr kein Mitleid mit so vielen kleinen Schafen, die deswegen die Herde verlassen?“[2]

Und an den Grafen von Fondi schrieb sie wenige Wochen vor der Wahl Clemens‘, dass Eigenliebe und böser Zorn denjenigen vergiftet und verdorben hätten, der ein wahrer Arbeiter im Weinberg der Seele sein sollte[3]. „O liebster Vater, überdenkt Eure Lage und schaut auf Euren Weinberg! In der Tiefe Eures Herzens wisst Ihr, dass Papst Urban VI. der rechtmäßige Papst ist. Wer etwas anderes behauptet, ist ein von Gott verworfener Häretiker, kein gläubiger Katholik, sondern ein abtrünniger Christ, der seinen Glauben verleugnet. Wir sind verpflichtet, ihn als den kanonisch gewählten Papst, den Stellvertreter Christi auf Erden, anzuerkennen und ihm bis in den Tod zu gehorchen. Selbst wenn er ein so grausamer Vater wäre, dass er uns mit Vorwürfen und allen Qualen von einem Ende der Welt zum anderen jagen würde, sind wir verpflichtet, diese Wahrheit nicht zu vergessen und zu beachten. Und wenn Ihr mir sagen würdet: ‚Mir wurde das Gegenteil hinterbracht, dass nämlich Papst Urban VI. in Wahrheit nicht der oberste Pontifex ist‘, so antworte ich: Ich weiß, Gott hat Euch so erleuchtet, dass Ihr – wenn Ihr dieses Licht nicht durch die Finsternis des Zorns und der Verbitterung auslöscht – erkennen müsst, dass alle, die so etwas sagen, ihr eigenes Haupt treffen und Lügner sind. Sie machen sich selbst zu Lügnern, weil sie die Wahrheit, die sie uns überbracht haben, zurücknehmen und jetzt als Lüge darstellen. Ich bin überzeugt, dass auch Ihr erkannt habt, was diese Männer, die für die Wahrheit einstehen und den Glauben verbreiten sollten, dazu getrieben hat, ihre Meinung zu ändern. Nun haben sie den Glauben verunreinigt und die Wahrheit verleugnet und in der heiligen Kirche eine so große Spaltung herbeigeführt, dass sie den tausendfachen Tod verdient haben. Ihr werdet feststellen, dass sie von derselben Leidenschaft getrieben sind, wie sie auch Euch bewegt hat, nämlich von der Eigenliebe, die kein tadelndes Wort, keine Zurechtweisung und keinen Gebietsverlust ertragen konnte, sondern nur verbittert und zornig wurde wie ein Kind. Dadurch verlieren sie und alle Gegner dieser Wahrheit das Gut des Himmels. Die Beweise, die diese Wahrheit zeigen, sind so einfach, klar und deutlich, dass selbst der ungebildetste Mensch sie sehen und verstehen kann.“[4]

Zwei von denen, um deren geistliches Wohlergehen sie besonders besorgt war und auf die sie große Hoffnungen als mögliche Verteidiger Christi und der Kirche gesetzt hatte – Herzog Ludwig von Anjou und Königin Johanna von Neapel – gehörten zu den ersten, die diese Wahrheit, die Caterina so klar und eindeutig erschien, zurückwiesen. Selbst Pedro de Luna, der fromme und wohltätige Kardinal von Aragon, war zu einem der „fleischgewordenen Teufel“ geworden. Der Generalprior der Kartäuser, Guillaume Rainaud, bereitete sich darauf vor, seine Herde in den Schoß der Clementiner zu führen, und Caterinas Appell an ihn, der in ihrem Namen von Stefano Maconi geschrieben wurde, blieb unbeachtet.[5] Es sollte ihr zweifellos erspart bleiben zu erfahren, dass ein junger Dominikaner, der drei Jahre nach ihr geboren und gerade durch Pedro de Luna zum Priester geweiht worden war, dessen Lebenswandel ebenso heilig und dessen Beredsamkeit kaum weniger glühend war als die ihre und der dazu bestimmt war, als der heilige Vincent Ferrer zur Ehre der Altäre erhoben zu werden, sich mit Leib und Seele für Clemens in den Konflikt stürzte und durch sein Wort und seine Feder Spanien bald aus seiner neutralen Haltung herausholen und zur Anerkennung des Papstes von Avignon führen sollte.[6]

Aber sie sah auch schon die strahlenden Lichter des Ordens in das feindliche Lager überwechseln: Ihr eifriger und frommer Generalmeister, Fra Elias von Toulouse, akzeptierte Clemens als Papst; und die Beredsamkeit des Vorstehers des heiligen Palastes, Fra Niccolò da San Saturnino, wurde für die Kardinäle in Anagni eingesetzt.

Die Zeit ist gekommen, schreibt sie an Schwester Daniella von Orvieto, die Speise der Seelen zu essen, indem sie am Tisch des Kreuzes Gott demütige und beständige Gebete mit leidenschaftlichem Verlangen zum Opfer darbringt. „Das ist zwar immer notwendig. Aber weder Du noch irgendjemand anderer hat je eine Zeit größerer Not erlebt. Sieh doch, meine Tochter, voll Schmerz und Kummer, welche Finsternis jetzt über die heilige Kirche hereingebrochen ist. Menschliche Hilfe scheint uns zu fehlen. Daher müsst Ihr, Du und die anderen Diener Gottes, ihn um seine Hilfe anflehen. Achtet darauf, nicht nachlässig zu sein; denn es ist Zeit zu wachen und nicht zu schlafen. Du weißt sehr wohl, dass eine Stadt verloren ist, wenn der Feind vor den Toren steht, während die Wachen und die anderen in der Stadt schlafen. Wir sind von vielen Feinden umgeben. Was unsere Seele betrifft, so weißt Du, dass die Welt, unsere Schwachheit und der Teufel mit seinen vielen Versuchungen niemals schlafen, sondern immer auf der Lauer sind und nur darauf warten, bis wir einschlafen, damit sie wie Diebe eindringen können, um die Stadt unserer Seele zu erobern.

Genauso wie unsere Seele ist jetzt auch der mystische Leib der heiligen Kirche von vielen Feinden umgeben. Du siehst ja, wie jene, die als Säulen und Stützen der heiligen Kirche eingesetzt wurden, durch die Finsternis der Häresie jetzt ihre Verfolger geworden sind. Wir dürfen also nicht schlafen, sondern wir müssen sie besiegen mit Nachtwachen, Tränen und Schweiß, durch schmerzliche, liebevolle Bitten und durch beharrliches demütiges Gebet. Sieh zu, dass Du als treue Tochter der heiligen Kirche den höchsten und gütigsten Gott inständig bittest, uns jetzt in dieser Not zu helfen. Und bitte Gott, er möge den Heiligen Vater stärken und erleuchten – ich meine Papst Urban VI., denn er ist der wahre Papst und Stellvertreter Christi auf Erden. Das bekenne ich, und wir sind verpflichtet, dies vor aller Welt zu bekennen. Lieber sollten wir den Tod wählen, als jemandem zu glauben, der das Gegenteil sagt oder behauptet.“[7]

Über drei Monate blieb Caterina in aller Stille in Siena, diktierte ihren Sekretären ihr großes mystisches Werk, den Dialogo, den sie im Oktober vollendete, sowie ihre Briefe, die sie in alle Richtungen verschickte, während sie auf die Aufforderung wartete, ihre letzte Schlacht in der Ewigen Stadt zu schlagen.

In einer ungewöhnlichen Anzahl von Briefen, die sie in diesen Monaten schrieb oder diktierte, sind die Daten in den Manuskripten erhalten geblieben, angefangen mit einem Brief vom 27. August an Madonna Lodovica di Granello Tolomei über die wahre und vollkommene Nächstenliebe.[8] Am 18. September schrieb sie an Papst Urban selbst und drängte ihn, den moralischen Zustand des Klerus zu erneuern, tugendhafte Bischöfe zu ernennen, sich mit Dienern Gottes zu umgeben und sich auf deren Rat zu stützen.[9] An ebendiesem Tag ernannte Urban in Rom ein neues Kardinalskollegium, das den Platz derjenigen einnehmen sollte, die ihn verlassen hatten, wobei sich allerdings sechs der neunundzwanzig, die er nominiert hatte, weigerten, den Kardinalshut aus seinen Händen anzunehmen (darunter der Bischof von Autun, der ihn später von Clemens erhielt). Mit Ausnahme von Fra Bonaventura Badoara und dem Erzbischof von Pisa waren sie entweder Männer von geringer Bedeutung oder aus politischen Gründen ernannt. Dazu gehörten Pileo da Prata, Erzbischof von Ravenna, Agapito Colonna und Philippe de Alencon, der Patriarch von Jerusalem, ein Verwandter des Königs von Frankreich. Der Bischof von London, William Courtenay, war unter jenen, die das Angebot des Papstes ausschlugen.

Am 4. Oktober schrieb Caterina an Monna Agnese, die Frau des Florentiner Schneiders, und ermahnte sie liebevoll, keine übertriebenen und unklugen Kasteiungen zu praktizieren.[10] Am 5. Oktober wandte sie sich neuerlich an Papst Urban, nachdem sie die Nachricht von der Wahl Clemens‘ erhalten hatte, „mit dem Wunsch, Euch mit dem starken Gewand einer glühenden Liebe bekleidet zu sehen, damit die Schläge, die Euch von den weltlich gesinnten und selbstsüchtigen Menschen zugefügt werden, Euch nichts anhaben können.“ Dank der Widerstandskraft dieses Kleides möge er furchtlos in den Kampf gegen den Antichristen eintreten, den die fleischgewordenen Teufel gegen ihn aufgestellt haben.[11] Am 8. Oktober schrieb sie an die Königin von Neapel und flehte sie an, das Licht nicht in die Finsternis zu verkehren, indem sie die Kardinäle unterstützt oder ihren Gegenpapst anerkennt; sie möge wenigstens neutral bleiben, bis ihr die Wahrheit bewiesen werde.[12]

Ein Brief an den Schneider Francesco und seine Frau – ein Brief des geistlichen Trostes und der Ermutigung –, datiert auf den 13. Oktober, hat einen besonders interessanten Nachsatz: „Gebt bitte den Brief, den ich Euch zusammen mit diesem sende, sofort an Giannozzo weiter. Verabsäumt es nicht, ihn zu ihm zu bringen, ganz gleich, wo er sich aufhält.“[13] Hier finden wir Caterina in direktem Kontakt mit Giannozzo Sacchetti, und im Hinblick auf sein tragisches Schicksal im folgenden Jahr wäre es von größtem, wenn auch schmerzlichem, Interesse gewesen zu erfahren, was der Gegenstand des Briefes der Heiligen an ihn war. Vom 20. Oktober stammt ein Brief an eine Florentinerin, in dem es um die geduldige Annahme von Bedrängnissen geht und der sich offenbar auf die abfälligen Urteile bezieht, die man über ihre eigene Mission in Florenz gefällt hat.[14] Am 23. Oktober schrieb sie an einen gewissen Giovanni da Parma in Rom, dessen Gewissen durch ein ungenanntes Buch, das er gelesen hatte, beunruhigt war: „Gott hat uns ein Buch geschenkt, Sein Wort, den Sohn Gottes, das am Kreuz geschrieben wurde, nicht mit Tinte, sondern mit Blut“, ein Buch, das auch der Ungebildetste und Dümmste lesen kann; „und ich bin sicher, wenn Ihr in diesem süßen Buch lest, wird jenes Buch, das Euch so zu beunruhigen scheint, Euch keine Schwierigkeiten mehr bereiten.“[15] An Tora di Messer Piero Gambacorti, die später in der Geschichte des Dominikanerordens als die Selige Chiara bekannt wurde und der es nach vielen Widerständen seitens ihres Vaters durch die Intervention von Alfonso da Vadaterra gerade erlaubt worden war, den Schleier zu nehmen, schrieb Caterina am 26. Oktober und erinnerte sie daran, dass der göttliche Bräutigam, den sie sich erwählt hatte, sehr eifersüchtig sei, und forderte sie auf, so bald wie möglich seine wahre Dienerin und Braut zu werden.[16]

Endlich kam die Aufforderung Urbans, der sich darüber im Klaren war, was für eine Waffe die begnadete Jungfrau aus Siena in seinen Händen sein würde, nach Rom zu kommen. Raimondo berichtet uns, dass sie sich zunächst darauf berief, dass ihre ständigen Reisen viele in Siena und einige ihrer eigenen Mitschwestern erzürnten. Sie verlangte einen ausdrücklichen Befehl des Papstes, damit ganz klar sei, dass sie in heiligem Gehorsam handle.[17] „Durch die große Güte Gottes und im Auftrag des Heiligen Vaters“, schrieb sie am 4. November an den Schneider Francesco, „denke ich, dass ich etwa um die Mitte des Monats von hier aus nach Rom gehen werde, wenn es Gott gefällt; und wir werden auf dem Landweg reisen – ich berichte Euch das, wie ich versprochen habe. Betet, dass wir Gottes Willen erfüllen. Euch, Francesco, bitte ich um der Liebe des gekreuzigten Christus willen, dass Ihr Euch die Mühe macht, die Briefe, die ich Euch gemeinsam mit diesem schicke, bald zu überbringen zur Ehre Gottes und mir zum Gefallen. Geht auch zu Monna Pavola und sagt ihr, wenn sie von der Kurie noch nicht erhalten hat, was sie wollte, soll sie mir schreiben. Ich will mich für sie einsetzen wie für meine eigene Mutter. Sagt ihr, sie soll beten und alle ihre Töchter für uns beten lassen. Schaut, dass ihr Niccolò, den armen Mann aus der Romagna, findet und sagt ihm, dass ich dabei bin, nach Rom zu gehen, und dass er Mut fassen und Gott für uns bitten soll.“[18] „Bitte die ewige und höchste Güte Gottes“, schrieb sie an Suora Daniella, „dass das geschehen möge, was zu seiner Ehre und für das Heil der Seelen am besten ist, besonders jetzt, da ich nach gerade nach Rom gehen soll, um den Willen des gekreuzigten Christus und seines Stellvertreters zu erfüllen. Ich weiß nicht, welchen Weg ich nehmen werde. Bittet Christus, den lieben Jesus, er möge uns auf dem Weg führen, der ihm am meisten zur Ehre gereicht und unseren Seelen Ruhe und Frieden schenkt.“[19]

Caterina erreichte Rom am 28. November 1378, dem ersten Adventsonntag, con molto pace – in tiefem Frieden, wie sie an Stefano Maconi schrieb, der aus familiären Gründen in Siena zurückgehalten wurde.[20] Eine große Gruppe von Männern und Frauen begleitete sie, darunter Alessa, Cecca, Lisa, Giovanna di Capo, Neri di Landoccio, Barduccio Canigiani, Gabriele Piccolomini, Fra Bartolommeo di Domenico, Fra Santi und Giovanni Tantucci. „Viele weitere wären gekommen“, schreibt Raimondo, „wenn sie es nicht verboten hätte. Diejenigen, die kamen, vertrauten sich der göttlichen Vorsehung in freiwilliger Armut an und entschlossen sich, eher mit der heiligen Jungfrau umherzuziehen und zu betteln, als in ihren eigenen Häusern zu bleiben und sich eines so lieben und tugendhaften Umgangs zu berauben.“[21] Raimondo selbst, der noch Prior der Minerva war, empfing sie in Rom, und Lapa scheint sich ihnen später angeschlossen zu haben. Am 30. November schrieb Lando di Francesco, der sich als Botschafter von Siena in Rom aufhielt, um die Rückgabe von Talamone zu erwirken, an die Signoria: „Caterina di Monna Lapa ist hier angekommen, und unser Herr, der Papst, hat sie sehr gerne gesehen und gehört. Es ist nicht bekannt, was er von ihr wollte, aber er war froh, sie zu sehen. Das Kastell Sant‘ Angelo hält immer noch stand und wird täglich von den Römern bombardiert.“[22]

Urban empfing Caterina in einer öffentlichen Audienz, umgeben von jenen seiner neuen Kardinäle, die sich in Rom aufhielten. Auf sein Geheiß sprach sie zu ihnen und drängte sie zu Standhaftigkeit und Vertrauen auf die göttliche Vorsehung. „Diese schwache kleine Frau beschämt uns alle mit ihrem Mut“, sagte er, als sie geendet hatte. „Was braucht der Stellvertreter Jesu Christi zu fürchten, wenn auch die ganze Welt sich gegen ihn stellen sollte? Christus, der Allmächtige, ist mächtiger als die Welt, und er wird seine Kirche niemals fallen lassen.“[23]

Die Situation war voller Gefahren: Francesco di Vico verwüstete von Viterbo aus das Patrimonium, Giordano Orsini in Marino konnte sogar die Tore Roms bedrohen, Clemens ließ durch bewaffnete Galeeren in der Tiber-Mündung Urbans Zugang zum Meer unterbinden, während im Königreich Neapel und anderswo Truppen zusammengezogen wurden, um den Streit mit Waffengewalt zu entscheiden. Die Römer hatten die Belagerung des Kastells Sant‘ Angelo selbst in die Hand genommen, konnten sich jedoch gegen den tapferen Widerstand der beiden französischen Hauptleute nicht durchsetzen, und Urban, der seine Residenz nicht im Vatikan aufschlagen konnte, war gezwungen in S. Maria in Trastevere zu bleiben. Hier veröffentlichte er am 29. November, am Tag nach Caterinas Ankunft, eine Bulle, in der er die „Kinder des Unrechts und die Söhne der Verdammnis“ mit dem Kirchenbann belegte: Clemens selbst, die Ex-Kardinäle von Amiens, Marmoutier und Sant‘ Eustachio; den Grafen von Fondi; Pierre de Cros, den Patriarchen von Konstantinopel, den Erzbischof von Cosenza und eine Reihe weiterer Prälaten; den Grafen von Caserta, Francesco di Vico, Niccolò Spinelli und die drei Führer der bretonischen und Gascogner Söldner, Jean de Malestroit, Silvestre Budes und Bernardon de la Salle.[24]

Bemerkenswert ist der offensichtliche Unwille Urbans, gegen Pedro de Luna vorzugehen, sowie die Tatsache, dass die Bulle die drei italienischen Kardinäle Corsini, Brossano und Jacopo Orsini, die sich nach der Wahl von Clemens nach Tagliacozzo zurückgezogen hatten, immer noch als „unsere ehrwürdigen Brüder und unsere geliebten Söhne“ bezeichnet. Es ist klar, dass er sie noch nicht als seine Feinde betrachtete.

Die Figur dieses groben, gewalttätigen und unerbittlichen Mannes, der von der Wahrheit seines Anspruchs, der Vikar des Friedensfürsten zu sein, überzeugt war und sich von Männern umgeben sah, die bereit waren, gegen ihn zu agieren, wenn es ihren Zwecken diente, hat etwas Heroisches (und angesichts seines späteren Sturzes sogar etwas tragisch Pathetisches) an sich, wenn er mit der blassen, ekstatischen Gestalt der stigmatisierten Braut Christi an seiner Seite in den Kampf gegen die Welt zog für das, was er für die Sache der Gerechtigkeit hielt. Sein erster Gedanke war, sie für die Bekehrung der Königin von Neapel einzusetzen und sie zusammen mit Katharina von Schweden als Botschafterinnen zu entsenden, um sie auf seine Seite zu ziehen. Caterina von Siena nahm die Mission mit Eifer und Begeisterung an. Aber Katharina von Schweden, die sich mit lebhaftem Abscheu erinnerte, was sie anlässlich des Todes ihres Bruders am Hof von Neapel erlebt hatte, weigerte sich strikt zu gehen. Fra Raimondo, der ebenfalls mehr über seine Landesherrin und ihre Methoden wusste als seine geistliche Führerin, war von den Befürchtungen der schwedischen Jungfrau so beeindruckt, dass er sich Urban gegenüber freimütig zu diesem Thema äußerte und dieser nach einigem Nachdenken entschied, dass es besser wäre, wenn sie nicht gingen. Caterina, die sich wie eine Mutter um die Seele der Königin sorgte und selbst nach dem Martyrium begehrte, wurde bitter enttäuscht. „Wenn Agnes und Margarethe so über diese Dinge gedacht hätten“, sagte sie, „hätten sie niemals die Märtyrerkrone erworben. Ist denn unser Bräutigam nicht in der Lage, uns zu beschützen? Das sind unnütze Überlegungen, die eher einem Mangel an Glauben als echter Vorsicht entstammen.“[25] Sie musste sich fürs erste damit begnügen, einen weiteren flammenden Brief an Johanna zu schicken und sie nochmals zu drängen, die Sache Urbans zu der ihren zu machen und ihr mit der göttlichen Vergeltung und dem Aufstand ihrer eigenen Untertanen als Ergebnis ihrer Unschlüssigkeit zu drohen. „Ich flehe Euch an“, schrieb sie, „erfüllt den Willen Gottes für Euch und auch den Wunsch meiner Seele, die von ganzem Herzen und mit allen Kräften Eure Rettung verlangt. Durch die göttliche Güte veranlasst, die Euch unermesslich liebt, habe ich beschlossen, Euch in tiefem Kummer zu schreiben. Ich habe Euch schon früher in dieser Angelegenheit geschrieben. Habt Geduld, wenn ich Euch zu sehr mit Worten belaste und wenn ich so offen und ungebührlich zu Euch spreche. Die Liebe, die ich für Euch empfinde, lässt mich voll Zuversicht sprechen, und die Schuld, die Ihr auf Euch geladen habt, lässt mich von der gebotenen Ehrerbietung Abstand nehmen, die ich Euch schulde, und respektlos mit Euch reden. Viel lieber möchte ich Euch die Wahrheit mündlich sagen, um Eures Heiles und vor allem um der Ehre Gottes willen, als schriftlich.“[26] Eine Zeit lang hoffte Caterina, dass sie dennoch nach Neapel reisen und die unberechenbare Seele der Königin für das gewinnen könnte, was sie als „die Wahrheit, die wir zu unserem Heil kennen und lieben müssen“, erachtete.

Eine weitere und noch schmerzlichere Enttäuschung erwartete Caterina. Im November hatte Urban beschlossen, eine zweite Gesandtschaft nach Frankreich zu schicken, und seine Wahl war auf Fra Raimondo als einen der Botschafter gefallen. Der andere war Jacopo di Ceva, „Marschall der Römischen Kurie“, derselbe Beamte, der als Prokurator von Papst Gregor im Prozess gegen die Florentiner aufgetreten war. Zu ihnen sollte bei ihrer Ankunft noch ein dritter hinzukommen, Guillaume de la Voulte, den Urban vom Bistum Marseille in jenes von Valencia versetzt hatte und der sich den Clementinern noch nicht angeschlossen hatte. Der Ordensmann hatte den Auftrag, Briefe an den König, an die Universität von Paris (die in dieser Frage gespalten war, da eine starke Fraktion noch immer Urban unterstützte, während eine andere die Berufung an ein allgemeines Konzil verlangte), an den Herzog von Anjou, an Kardinal de Grimoard und an verschiedene französische Bischöfe zu schreiben.[27] Anfang Dezember brach Raimondo auf. Nach mehr als einem Jahr der Trennung hatten sie nur wenige Tage in Gesellschaft des jeweils anderen verbracht, und Caterina – obwohl sie ihn dringend bat, sich in den Dienst der Kirche zu stellen – spürte die Trennung am stärksten. Instinktiv wusste sie, dass das lange Gespräch, das sie führten, bevor er aufbrach, ihr letztes sein würde: „Wir werden nie wieder so miteinander sprechen“, sagte sie. Das Schiff, das ihn nach Pisa bringen sollte, lag im Tiber bereit. Caterina begleitete ihn zum Ufer. Als die Matrosen zu rudern begannen, kniete sie sich betend eine Zeit lang nieder; dann erhob sie sich und machte weinend das Kreuzzeichen, als das Schiff abfuhr. „Sie schien zu sagen“, schreibt der Mönch, „Du, mein Sohn, wirst in Sicherheit reisen, weil dich das Zeichen des heiligen Kreuzes beschützt. Deine Mutter aber wirst du in diesem Leben nie mehr sehen.“

Obwohl die Galeeren der Clementiner die Tiber-Mündung bewachten und die gesamte italienische Küste durchkämmten, erreichte Raimondos Schiff wohlbehalten Pisa. Hier erhielt er einen Brief von Caterina, geschrieben „mit dem Wunsch, Euch mit dem wahren und vollkommenen Licht erleuchtet zu sehen“. „Wisst Ihr“, fragt sie, „wie sehr meine Seele das wünscht? So sehr, wie ich mich danach sehne, aus der Dunkelheit befreit und mit diesem Licht vereint und von ihm durchdrungen zu sein. Ich bitte Euch um der Liebe des gekreuzigten Christus und der süßen Mutter Maria willen, versucht, so viel Ihr könnt, in Euch den Willen Gottes und meinen Wunsch zu erfüllen. Dann wird meine Seele selig sein. Es ist keine Zeit mehr zu schlafen. Wir müssen uns aus dem Schlummer der Nachlässigkeit und aus der Blindheit der Unwissenheit erheben, uns durch den Ring des heiligsten Glaubens der Wahrheit königlich vermählen und diese Wahrheit verkünden, ohne sie jemals aus Furcht zu verschweigen. Vielmehr müssen wir kühn und großmütig bereit sein, wenn nötig unser Leben zu opfern, ganz berauscht vom Blut des demütigen und makellosen Lammes, das wir aus der Brust seiner liebsten Braut trinken, der heiligen Kirche, die wir ganz zerrissen sehen.“[28]

Der Mönch setzte seine Reise auf dem Seeweg nach Genua und dann zu Land nach Ventimiglia fort. Jacopo di Ceva wurde an der Grenze von den Soldaten des Grafen von Genf, Clemens‘ Bruder, festgenommen. Raimondo selbst wurde gewarnt, dass er in einen Hinterhalt gelockt werde und sein Tod gewiss sei, wenn er weiterzöge. Er kehrte nach Genua zurück und berichtete Urban, was geschehen war, der ihm auftrug, zu bleiben, wo er war, und den Kreuzzug gegen die Clementiner zu predigen.[29] Der Papst scheint mit seinem Verhalten völlig einverstanden gewesen zu sein, Caterina aber erschien es als ein Verrat an der Wahrheit, eine kleinmütige Flucht vor dem Martyrium. „Gott wollte, dass Ihr Eure eigene Unvollkommenheit einseht“, schrieb sie, „indem er Euch zeigte, dass Ihr noch immer ein Milchkind seid und kein Mann, der sich von Brot ernährt. Denn hätte er gesehen, dass Ihr dazu schon Zähne habt, so hätte er Euch von diesem harten Brot gegeben, wie er es bei Euren Gefährten tat. Aber Ihr wart noch nicht würdig, auf dem Schlachtfeld zu bleiben, sondern wurdet zurückgetrieben wie ein Kind. Und Ihr seid nur zu gerne weggelaufen und wart froh über die Gnade, die Gott Eurer Schwachheit erwiesen hat. Mein schlimmes Väterchen! Wie selig wären Eure und meine Seele gewesen, wenn Ihr mit Eurem Blut einen Stein in die Mauer der heiligen Kirche eingefügt hättet aus Liebe zum Blut!“[30]

In der Zwischenzeit hatte sich Urban auf Caterinas Betreiben entschlossen, die „Diener Gottes“ zu seiner Unterstützung einzuberufen, Rom mit Männern im Ruf der Heiligkeit zu bevölkern und wenigstens sicherzustellen, dass alle geistlichen Kräfte innerhalb der Kirche an seiner Seite wären. „In diesem schrecklichen Sturm, der die Kirche mit dem Schiffbruch bedroht“, schrieb er am 13. Dezember an den Prior von Gorgona, Don Bartolommeo Serafini, „glauben und hoffen Wir, dass Uns auf göttliche Weise durch Gebete und Tränen der Gerechten, mehr als durch die Waffen der Soldaten und durch menschliche Klugheit, geholfen wird. Deshalb rufen Wir wie Petrus, der die Hilfe des Herrn erflehte, als er im See versank, und sofort durch Seine liebevolle Hand gerettet wurde, aufrichtig und mit der Ergebenheit des Herzens die frommen Tränen und beharrlichen Gebete der gerechten Kinder der Kirche zu Hilfe, damit sie demütig und fromm die Ohren des Herrn bestürmen und Er eher geneigt sei, Mitleid mit Uns zu haben.“ Er solle Tag und Nacht in allen Kongregationen und Einsiedeleien von Männern und Frauen in der Toskana und anderswo besondere Gebete und Opfer darbringen lassen und einige Vertreter der verschiedenen geistlichen Orden auswählen, darunter Giovanni dalle Celle und William Flete, und gemeinsam mit ihnen am zweiten Sonntag nach Epiphanie in Rom vor dem Papst erscheinen.[31] Eine Reihe anderer, die in dieser Bulle nicht namentlich angeführt werden, scheinen gleichfalls einberufen worden zu sein, darunter Frate Antonio da Nizza und Fra Paolino da Nola aus Lecceto und drei der Eremiten von Monte Luco oberhalb Spoleto.

Caterina selbst leitete die Bulle an den Prior von Gorgona weiter. „Nun ist die Zeit gekommen“, schrieb sie, „in der sich zeigen wird, wer ein Liebhaber der Wahrheit ist. Wir müssen uns vom Schlummer erheben und uns das Blut Christ vor Augen stellen, damit wir für den Kampf gestärkt werden. Unser lieber Heiliger Vater, Papst Urban VI., der wahre Oberhirte, will scheinbar jenes Heilmittel anwenden, das für die Erneuerung der heiligen Kirche notwendig ist. Er möchte die Diener Gottes an seiner Seite versammeln und sich und die heilige Kirche durch ihren Rat leiten lassen. Aus diesem Grund sendet er Euch diese Bulle, in der die Namen aller aufgezeichnet sind, die Ihr einberufen sollt. Tut es eifrig und schnell und ohne Zeit zu verlieren, denn die Kirche Gottes kann sich keine Verzögerung mehr leisten. Lasst alles andere beiseite, was auch immer es sein mag, und drängt die anderen dazu, bald hier zu sein. Zögert nicht, zögert nicht um der Liebe Gottes willen. Tretet ein in diesen Garten, um hier mit den anderen zu arbeiten. Fra Raimondo ist anderweitig beschäftigt, da ihn der Heilige Vater zum König von Frankreich geschickt hat. Betet für ihn zu Gott, dass er ihn zu einem echten Sämann der Wahrheit macht, bereit, notfalls sogar sein Leben dafür hinzugeben. Der Heilige Vater verhält sich gut und würdevoll, eifrig um die Ehre Gottes bemüht, als der mutige Mann, der er nun einmal ist.“[32]

Gleichzeitig schrieb sie an die Eremiten von Spoleto, an Frate Andrea da Lucca und seine Gefährten, an Giovanni dalle Celle, an William Flete und Frate Antonio und forderte sie auf, dem Ruf des Papstes zu folgen und ihre Zellen zu verlassen. „Jetzt muss sich zeigen“, schrieb sie an die beiden in Lecceto, „ob wir tatsächlich von der Liebe zur Erneuerung der Kirche ergriffen sind. Denn wenn dem so ist, werdet Ihr den Willen Gottes und Seines Stellvertreters befolgen: Ihr werdet den Wald verlassen und das Schlachtfeld betreten. Wenn Ihr es aber nicht tut, dann missachtet Ihr den Willen Gottes.“[33] Und an die Eremiten von Spoleto: „Ihr braucht hier (in Rom) keine Annehmlichkeiten oder große Tröstungen fürchten, denn Ihr kommt ja, um zu stützen, und nicht, um Euch zu erfreuen – außer am Kreuz Christi.“[34] „Aber da ist noch etwas“, sagt sie am Ende des Briefes an Giovanni dalle Celle, „worum ich Euch bitte und im Namen des gekreuzigten Christus dränge: Geht nach Florenz und sagt Euren Freunden, die etwas bewirken können, sie mögen ihrem Vater helfen und die Versprechen halten, die sie ihm gemacht haben. Sie mögen nicht so undankbar sein für die Gnaden, die ihnen von Gott und von Seiner Heiligkeit erwiesen wurden. Denn Ihr wisst recht gut, dass die Undankbarkeit die Quelle der Frömmigkeit zum Vertrocknen bringt, und viele Gnaden wurden ihnen schon erwiesen. Für die Beleidigungen aber, die sie begangen haben, welche Strafe haben sie dafür bekommen? Von ihm keine, sondern nur Gunstbeweise. Wenn sie das nicht erkennen wollen, werden sie die Strafe vom höchsten Richter erhalten, und sie wird unvergleichlich schwerer ausfallen als jede menschliche Züchtigung. Bittet sie also ernsthaft, sie mögen ihre Pflicht erfüllen und sich nicht von den Schmeicheleien des fleischgewordenen Teufels, des Antipapstes, täuschen lassen.“[35]

Der Prior von Gorgona und die meisten anderen scheinen dem päpstlichen Aufruf früher oder später Folge geleistet zu haben. Aber William Flete weigerte sich zu Caterinas Bestürzung standhaft, seinen Wald zu verlassen und erklärte, dies sei eine List des Teufels, um die Diener Gottes ihrer geistlichen Tröstungen zu berauben. Es wurde sogar geflüstert, Giovanni Tantucci sei nur wegen seiner Karriere nach Rom gegangen. Caterina war zu sehr enttäuscht, um sich in dieser Angelegenheit selbst an William zu wenden. „Der junge Mann, der Euch den vorliegenden Brief überbringt“, schrieb sie an Frate Antonio, „hat mir erzählt, dass Ihr noch vor Ostern kommen wolltet. Nun aber scheint es nach dem Brief, den Bruder William mir geschickt hat, dass weder er noch Ihr kommen werdet. Ich habe nicht die Absicht, diesen Brief zu beantworten. Aber ich bedaure zutiefst seine Einfalt, denn sie gereicht weder Gott zur Ehre noch dem Nächsten zur Erbauung. Wenn er aus Demut oder aus Furcht, seinen Frieden zu verlieren, nicht kommen möchte, dann sollte er von der Tugend der Demut Gebrauch machen, das heißt, er sollte demütig und bescheiden den Stellvertreter Christi um Erlaubnis bitten und seine Heiligkeit ersuchen, ihn um seines tieferen Friedens willen in seinem Wald bleiben zu lassen – die Entscheidung aber dennoch seinem Willen anheimstellen wie einer, der wahrhaft gehorsam ist. Das wäre Gott wohlgefälliger und für seine Seele nützlicher. Aber mir scheint, dass er genau das Gegenteil getan hat, indem er behauptete, dass einer, der an den göttlichen Gehorsam gebunden ist, den Geschöpfen nicht zu gehorchen braucht. Das würde mich bezüglich der anderen Geschöpfe nicht bekümmern, aber dass er den Stellvertreter Christi darin einschließt, betrübt mich sehr, weil ich sehe, wie er dadurch von der Wahrheit abweicht. Denn der Gehorsam gegen Gott entbindet uns niemals vom Gehorsam gegen den Papst. Im Gegenteil, je vollkommener unser Gehorsam Gott gegenüber ist, desto vollkommener ist auch jener andere; und wir sind stets verpflichtet, uns den Anordnungen zu unterwerfen und sie zu befolgen, sogar bis zum Tod. Selbst dann, wenn die Anordnung, die er uns auferlegt, unverständlich erscheinen und uns den Frieden und die Tröstungen des Geistes entziehen würden, sollen wir gehorchen. Denn wenn wir das Gegenteil täten, würde ich das für eine große Unvollkommenheit und eine Täuschung des Teufels halten.

Nach dem, was er schreibt, scheint es, als hätten zwei Diener Gottes eine Offenbarung erhalten, dass der Christus auf Erden und diejenigen, die ihm dazu geraten haben, nach diesen Dienern Gottes zu schicken, getäuscht worden seien und sie menschlichem und nicht göttlichem Rat gefolgt seien, und dass es sich eher um eine Anstiftung des Teufels als um göttliche Eingebung handle, um seine Diener ihres Friedens und ihres Trostes zu berauben; und weiters: falls Ihr und die anderen kämen, so würdet Ihr euren inneren Schwung verlieren und könntet dem Heiligen Vater weder durch Euer Gebet helfen, noch ihm im Geist Gottes verbunden sein. Wie gering wäre doch jemand mit dem Geist Gottes verbunden, wenn ihm dieser Geist wegen eines Ortswechsels verlorenginge! Das ist so, als ob Gott von einem Ort abhängig wäre und in Zeiten der Not nur im Wald zu finden ist und sonst nirgends. Was soll man da sagen? Auf der einen Seite wünschen wir, dass die Kirche Gottes erneuert, die Dornen herausgezogen und die duftenden Blumen der Diener Gottes an ihre Stelle gepflanzt werden, und auf der anderen Seite sagen wir, es sei eine Täuschung des Teufels, wenn wir nach ihnen schicken und sie aus ihrem Frieden und ihrer geistigen Ruhe herausholen, damit sie diesem Schifflein zu Hilfe kommen. Wenn er [William] wenigstens nur für sich selbst und nicht für die anderen Diener Gottes sprechen würde (denn wir sollten die Diener der Welt nicht mit einbeziehen)! Frate Andrea da Lucca und Frate Paolino, wahrhaft große Diener Gottes, haben nicht so gehandelt. Obwohl sie alt und bei schwacher Gesundheit sind und lange Zeit in ihrem Frieden waren, haben sie sich sofort unter Mühen und Unannehmlichkeiten auf den Weg gemacht und sind gekommen, um ihren Gehorsam zu erfüllen. Und obgleich sie eine große Sehnsucht drängt, in ihre Zellen zurückzukehren, wollen sie sich doch nicht von dem Joch befreien, sondern sie sagen: Lass das, was ich gesagt habe, als nicht gesagt gelten; und so besiegen sie ihren eigenen Willen und ihren persönlichen Trost. Wer so kommt, kommt, um zu ertragen und nicht, um zum Prälaten gemacht zu werden, sondern um der Würde vieler Mühen willen, mit Tränen, Wachen und beständigem Gebet. So jedenfalls sollte man handeln.

Nun wollen wir nicht mehr weiter über diese Dinge klagen, obwohl es noch viel darüber zu sagen gäbe. Aber über eines wundere ich mich, da ich das Gegenteil weiß: Dass man es für sicher erachtet, dass der Meister [Giovanni Tantucci] nur gekommen sei, um sich befördern zu lassen. Ich bin zutiefst betrübt, wenn ich sehe, wie unter dem Anstrich der Tugend Gott so offenkundig beleidigt wird, obwohl wir die Absicht eines Geschöpfes weder beurteilen können noch dürfen. Nicht einmal, wenn wir um einen Fehler wüssten, den wir aus seinem Ergebnis erkennen könnten, sollten wir über die Absicht urteilen, sondern sollten ihn mit großem Mitgefühl vor das Angesicht Gottes bringen. Wir tun aber das Gegenteil, wenn wir uns von unseren persönlichen Meinungen täuschen lassen. Möge Gott in seiner unendlichen Barmherzigkeit uns in Aufrichtigkeit auf den Weg der Wahrheit führen und uns das wahre und vollkommene Licht schenken, damit wir nie im Finstern gehen müssen. Ich ersuche Euch, den Bachelor [William Flete] und die anderen Diener Gottes, das demütige Lamm zu bitten, dass Er mich auf Seinem Weg gehen lässt. Mehr will ich nicht sagen.

Was Euer Kommen und Bleiben und das von Bruder William betrifft, so möge der Wille Gottes geschehen. Ich hatte kaum erwartet, dass er kommen würde, aber ebenso wenig hatte ich erwartet, dass er mit so wenig Rücksicht auf den heiligen Gehorsam und mit solcher Einfalt antworten würde. Empfehlt mich ihm und allen anderen. Ich bitte Euch und ihn, mir zu verzeihen, wenn ich Euch Grund zur Entrüstung gegeben und Schmerz bereitet haben sollte. Ich bekenne, dass ich aller Welt ein Ärgernis bin, weil ich mich so unwissend und sündhaft verhalte. Bleibt in der heiligen und zärtlichen Liebe Gottes.“[36]

Caterina scheint ihrem englischen Schüler bald verziehen zu haben, der im Übrigen in seiner Einsamkeit sehr erfolgreich für Urban wirkte.[37] Diejenigen, die kamen, wohnten alle in dem Haus, das Caterina offenbar vom Papst in der Rione della Colonna zugewiesen worden war (nicht zu verwechseln mit der „Contrada di Piazza Colonna“, wo sie später das Haus bezog, in dem noch ihre Kapelle gezeigt wird), und lebten dort als ihre Gäste. Die Zahl der Personen, die mit ihr zusammen waren, betrug zumindest vierundzwanzig, sechzehn Männer und acht Frauen, und stieg zeitweilig auf zwischen vierzig und fünfzig an. Sie lebten zur Gänze von Almosen, zum Teil in Rom erbettelt, zum Teil von ihren Freunden und Schülern in Siena und anderswo gesammelt. Die meisten von ihnen fasteten ständig und nahmen nur eine Mahlzeit am Tag zu sich. Jede Woche übernahm eine der Frauen im Wechsel die Hausarbeit, sodass die anderen für ihre religiösen Übungen oder für die anderen Dinge, um derentwillen sie sich in Rom aufhielten, frei waren. Raimondo berichtet uns, dass Giovanna di Capo eines Tages, als sie an der Reihe war, vergessen hatte, Brot zu besorgen oder Caterina zu sagen, dass keines mehr im Haus war, dass es sich aber – als sich die hungrigen servi di Dio zu Tische setzten – auf wunderbare Weise vermehrte, sodass der Überfluss anschließend an die Armen verteilt wurde.[38] Caterina selbst ging häufig durch die Straßen, um das Nötigste zu erbetteln, aber die meiste Zeit war sie damit beschäftigt, Urban ihre geistlichen Ratschläge zu erteilen, einen Brief nach dem anderen in seinem Namen zu diktieren und ihre übliche apostolische Arbeit unter den Armen zu verrichten.

In der Zwischenzeit wurden die Gemüter der Menschen auf beiden Seiten immer mehr verbittert, je mehr sich der Riss im nahtlosen Mantel vergrößerte und das Klirren der weltlichen Waffen über dem Donnern der kirchlichen Auseinandersetzungen hörbar wurde. „Wenn Christus, der unser Friede ist“, schrieb Luigi Marsili aus Paris an Guido dal Palagio, „und der aus verschiedenen ungläubigen Völkern die eine Kirche in seinem eigenen Blut geschaffen und geeint hat, nicht eingreift, fürchte ich, dass dieser schlimme Anfang eine böse Folge und ein noch schlimmeres Ende haben wird. Denn der Wille der Menschen ist so widersprüchlich, dass sie ihren Verstand nicht frei die Wahrheit erkennen lassen. Jeden Tag entfernt sich die eine Seite weiter weg von der anderen. Ich bin in einer Lage, in der ich nichts tun kann, als Gott zu bitten, er möge alle, die ihm treu ergeben sind, mit Liebe erfüllen. Denn ohne sie können wir keine vollkommene Eintracht finden.“[39] Vage Prophezeiungen über das nahende Ende der Welt begannen sich zu verbreiten, und es kam zu einem seltsamen Wiederaufleben der Lehren des Abtes Joachim, die über ein Jahrhundert lang in Vergessenheit geraten waren. Auch Giovanni dalle Celle neigte zu dieser Ansicht. So schrieb er in einem Brief an Guido dal Palagio, dass Christus das Ende der Welt zwar nicht seinen Aposteln, wohl aber dem Abt Joachim enthüllt habe, damit die Menschen darauf vorbereitet wären, da es unmittelbar bevorstünde. Er interpretiert eine dem Abt zugeschriebene Prophezeiung dahingehend, dass nach Papst Urban VI., „der viele Wunder vollbringt“, ein Gregor folgen würde, der der letzte Papst sein werde, nach diesem würde der Antichrist kommen, den einige als Papst bezeichnen würden: „Ihr seid jung und werdet möglicherweise alle diese Dinge erleben, wenn Ihr ein normales Lebensalter erreicht.“[40]

Dennoch begann das neue Jahr 1379 gut für die Sache der Urbanisten. England hatte sich nachdrücklich für den römischen Anspruch erklärt. Der König der Römer[41] trat in die Fußstapfen seines Vaters. Ludwig von Ungarn und Polen, der wichtigste Schiedsrichter über Krieg und Frieden in Osteuropa, ließ auf ein bewaffnetes Eingreifen hoffen. Am 1. Jänner schrieb Caterina, die William Flete bereits verziehen hatte (vielleicht in Anbetracht seiner Briefe an die eigenen Landsleute), an Pietro di Giovanni Ventura und Stefano Maconi: „Dank der süßen Güte Gottes haben die heilige Kirche und Papst Urban VI. in diesen Tagen die erfreulichsten Nachrichten seit langem erhalten. Ich lege Euch einen Brief an den Bachelor bei, aus dem ihr ersehen könnt, wie Gott seine Gnade über seine süße Braut auszugießen beginnt. Ich hoffe, dass er in seiner Barmherzigkeit so fortfahren und seine Gaben Tag für Tag vermehren wird. Ich weiß, dass seine Wahrheit nicht lügen kann. Er hat versprochen, seine Braut durch viele Leiden seiner Diener und durch ihre demütigen und beständigen Gebete, die sie unter Tränen und Mühen aufopfern, zu erneuern.“[42]

In Siena selbst hatte sich die Regierung und die Bevölkerung von Anfang an ohne Zögern für Urban ausgesprochen, der Jacomo di Sozzino Tolomei, den Bischof von Narni, als Nuntius in die Stadt gesandt hatte. „Was den Heiligen Vater betrifft“, schrieb Cristofano Guidini an Neri di Landoccio, „glaube ich nicht, dass es in Siena auch nur einen einzigen Menschen gibt, der nicht erkennt und glaubt, dass Papst Urban der wahre Hirte der heiligen Kirche ist, und wenn irgendwelche Gesandten des Gegenpapstes hierher kommen sollten, werden sie kein Gehör finden.“[43] Stefano wurde noch immer von seinen Familienangelegenheiten in Siena aufgehalten, die er trotz Caterinas Aufforderungen, die Knoten, die ihn an die Welt banden, durchzutrennen und nicht darauf zu warten, sie zu lösen, nicht abschütteln konnte. Er unterhielt einen ständigen Briefwechsel mit Neri di Landoccio, in dem er seine besondere Freude über das Vorgehen Urbans zum Ausdruck brachte und ihn der Loyalität der Sienesen versicherte. „Zum Beweis dafür berichte ich dir ferner, dass vor einigen Tagen zum ersten Mal das Gerücht aufkam, dass ein Gesandter des Antidämons von Fondi hierherkommen würde, der bereits in Pisa gewesen war. Da befürchtet wurde, man könnte ihn hier empfangen, appellierten viele, die die Ehre Gottes suchen (von denen ich mich selbst nicht ausschließen will, wie halbherzig ich sie auch suchen mag), an die Regierung und auch an andere außerhalb, die das verhindern konnten. Sie stellten ihnen vor Augen, dass dieser Dämon nur käme, um Häresie zu säen und unseren Glauben zu verunreinigen, und sie fügten hinzu, dass es der Ehre Gottes wohl sehr dienlich wäre, wenn er verbrannt würde. Pietro und ich gingen sofort zu unserem Herrn von Narni,[44] damit er zur Signoria gehe, und wir boten uns an, als seine Diener die ersten zu sein, die Hand an ihn legen wollten. Ich versichere dir, dass wir die Leute so wohlgesonnen fanden, dass du sehr erfreut darüber gewesen wärest, insbesondere jene der Regierung, die sofort Befehl gaben, dass ihm nicht erlaubt werden solle, die Stadt zu betreten. Außerdem hätten sie zugestimmt, dass er von den Kindern gesteinigt werden sollte. Ich bin sicher, dass er, wenn er gekommen wäre, auf die eine oder andere Weise sein Leben verloren hätte. Ich schreibe dir das, damit du dich ein wenig über die gute Gesinnung freuen kannst, die jetzt in dieser unserer unglücklichen Stadt herrscht, statt der Sorgen, die du zu anderer Zeit hattest, als du sie gegen den Gehorsam, den sie der heiligen Kirche schuldet, ankämpfen sahst. Vergiss mich nicht, mein lieber Bruder, sondern bete inständig für mich zu Gott, denn ich habe es gewiss sehr nötig; und bitte ihn besonders, dass er mir die Gnade gewähre, mich von dieser Verderbnis der Welt zu befreien, damit ich seinen Willen immer so erfülle, wie es ihm am besten gefällt.“[45]

Caterina hatte den Eindruck, dass Stefano ein stärkeres Bemühen und einen energischeren Entschluss brauchte, um sich zu befreien. „Du verlierst Zeit, wenn Du zuwartest, um Dich zu lösen“, schrieb sie ihm, „und Du bist nicht sicher, ob Du sie hast. Es ist besser, entschlossen mit wahrem und heiligem Eifer das Band zu durchtrennen. Ich möchte, dass Du dich mit ganzer Kraft befreist und Maria antwortest, die Dich mit großer Liebe ruft. Das Blut der ruhmreichen Märtyrer – die mit so glühender Liebe ihr Blut vergossen haben aus Liebe zum Blut (Christi) und ihr Leben gaben aus Liebe zum Leben – ist immer noch in Wallung und lädt Dich und die anderen ein, zu kommen und mitzutragen zum Lob und Ruhm des Namens Gottes und der heiligen Kirche und zum Beweis Eurer Tugend. Denn in diese heilige Stadt, deren Würde Gott dadurch bekundete, dass er sie seinen Garten nannte, in diesen Garten hat er seine Diener gerufen; er sagte, jetzt sei die Zeit für sie gekommen, um das Gold ihrer Tugenden zu prüfen. Nun lasst uns nicht so tun, als ob wir taub wären. Wenn uns die Kälte die Ohren verstopft hat, dann lasst uns das heiße Blut nehmen (denn es ist mit Feuer vermischt) und lasst uns sie auswaschen – dann wird alle Taubheit weggenommen werden. Verbirg Dich in den Wunden des gekreuzigten Christus. Fliehe die Welt und verlass das Haus deiner Eltern. Flüchte Dich in die Seitenwunde des gekreuzigten Christus, damit Du in das Land der Verheißung gelangst. Dasselbe sage ich auch zu Pietro. Setzt Euch an den Tisch des Kreuzes und nehmt dort, ganz trunken vom Blut, die Speise der Seelen zu Euch, indem ihr Schmerzen, Beleidigungen, Spott und Beschimpfung, Hunger, Durst und Blöße ertragt und Euch mit dem lieben Paulus, dem auserwählten Gefäß, in der Verfolgung um Christi willen freut. Wenn Du (den Knoten) durchschneidest, wie ich gesagt habe, wird Dir Dein Ausharren zum Ruhm gereichen; andernfalls wird es für Dich zur Qual, so dass Du Dich sogar vor Deinem eigenen Schatten fürchtest.“[46]

Kurz zuvor war Stefano von einer Bande von Marodeuren im Sieneser Umland ergriffen und wieder freigelassen worden, sobald er Caterinas Namen anrief. Caterina nahm das als ein weiteres Zeichen für ihren Schüler, sich von den Banden zu befreien, die ihn noch immer an die Welt fesselten, und sich ganz in den Dienst Gottes zu stellen. Erst dann würde er von den Feinden der Seele befreit werden, so wie er auch von jenen des Leibes befreit worden war. Dennoch fordert sie ihn nicht auf, zu ihr zu kommen, wenn seine Eltern sich dagegen wehren. „Ich fordere Dich nicht auf zu kommen. Ich hätte mich zwar sehr gefreut, wenn Du gekommen wärest – und wenn Du kommst, dann nur, wenn es zu Hause keine Probleme gibt. Wenn es aber Vater und Mutter beleidigt und kränkt, dann nicht, solange der Anstoß nicht nötig ist. Nein, ich möchte, dass Du jetzt jeden Ärger vermeidest, wann immer du kannst. Ich bin gewiss, wenn die göttliche Güte es für das Beste hält, wird das Ärgernis enden, sodass du in Frieden kommen kannst. Komm, sobald Du kannst.“[47]



[1] Brief 293 (26). Eine bessere Wiedergabe findet sich im Palatino MS. 56, aus dem ich zitiere.

[2] Brief 312 (315), datiert 8. Oktober 1378, im Harley-MS. [Der Brief, von Siena aus diktiert und an Johanna gerichtet, ist im Grunde ein indirekter Brief an die von Urban VI. abgefallenen Kardinäle.]

[3] [Caterina spricht hier im Bild, indem sie unseren freien Willen bzw. unseren Verstand als eine Art „Arbeiter“ im Weinberg unserer Seele bezeichnet.]

[4] Brief 313 (192), ergänzt durch das Harley-MS.

[5] Vgl. Bartholomaeus Senensis, op. cit., Lib. III. Kap. 2. Dieser in Verlust geratene Brief darf nicht mit Brief 55 (53) verwechselt werden, der zu einem früheren Zeitpunkt an Dom Guillaume geschrieben wurde.

[6] Sein Traktat, De Moderno Ecclesiae Schismate, wurde 1380 dem König von Aragonien gewidmet.

[7] Brief 308 (164).

[8] Brief 304 (345).

[9] Brief 305 (17).

[10] Bibl. Nazionale di Firenze, MS. xxxviii. 130.

[11] Brief 306 (18).

[12] Brief 312 (315).

[13] Bibl. Nazionale di Firenze, MS. cit.

[14] Brief 307(368). In verschiedenen Manuskripten ist er mit „a dì XX d’Octobre a Firenze, 1378“ datiert, wobei die Adresse mit dem Text verwechselt wurde. Caterina war in Siena und ihre Briefpartnerin in Florenz.

[15] Brief 309 (299).

[16] Brief 262 (322). Das Datum (mit einigen Ergänzungen) findet sich im MS. xxxviii. 130 der Bibl. Nazionale di Firenze.

[17] Legenda, III. i. 3 (§ 333).

[18] Siehe Anhang, Brief V. Monna Pavola, die Leiterin eines Hauses für geistliche Frauen in Fiesole, und Niccolò, ein aus der Romagna stammender Bettler in Florenz, gehörten bereits zu Caterinas Briefpartnern.

[19] Brief 316 (165).

[20] Brief 319 (255). Ein Teil dieses Briefes, offensichtlich in Barduccios Autograf, ist uns im MS. T. iii. 3 in Siena erhalten. Die Angabe des Barth. Senensis, op. cit., Lib. I. Kap. 10, dass Stefano Caterina nach Rom begleitete und als ihr Botschafter nach Neapel gesandt werden wollte, ist offenkundig falsch.

[21] Legenda, III. i. 3 (§ 333).

[22] Lettere dei discepoli, 10.

[23] Legenda, III. i. 4 (§ 334).

[24] Raynaldus, vii. S. 362–366. Vgl. Valois, I. S. 162. Im Dezember ernannte Clemens Pierre de Cros, den Patriarchen von Konstantinopel, den Erzbischof von Cosenza und Fra Niccolò da San Saturnino zu Kardinälen, zusammen mit dem Generalmeister der Minderbrüder, Fra Leonardo de‘ Griffoni.

[25] Legenda, III. i. 5 (§ 335). Vgl. Comtesse de Flavigny, Sainte Brigitte de Suède, S. 532–537; ich kann jedoch keinen Hinweis auf einen persönlichen Kontakt zwischen den beiden Katharinen finden.

[26] Brief 317 (316).

[27] Vgl. Denifle, Chartularium Universitatis Parisiensis, Tom. iii. S. 663–665. Die Instruktion, die dem Mönch die Vollmacht erteilt, gegen die Wahl von Clemens zu predigen, ist auf den 8. November datiert, die anderen auf den 21. und 28. November. Aber aus Raimondos eigenen Worten in der Legenda geht deutlich hervor, dass er Rom zumindest einige Tage nach Caterinas Ankunft verlassen hat, und aus ihrem Brief 323 (54) geht hervor, dass er am 13. Dezember aufgebrochen ist.

[28] Brief 330 (99), im Harley- und im Casanatense MS.

[29] Legenda, III. i. 6, 7 (§§ 336, 337).

[30] Brief 333 (100). Jacopo di Ceva wurde gefangengehalten, bis er – ebenso wie Guillaume de la Voulte – auf Clemens‘ Seite übergewechselt war. Vgl. Denifle, op. cit., Tom. iii. S. 557, und Valois, I. S. 125n.

[31] Die Bulle wurde von Gigli in den Anmerkungen zu Caterinas Briefen an Don Bartolommeo veröffentlicht. Eine frühere Instruktion (von zweifelhafter Authentizität), datiert auf den 6. September 1378, findet sich bei Barth. Senensis, op. cit., Lib. IV. Kap. 5, und Tromby, Storia del Patriarca S. Brunone, etc., VII. App. I. Dok. 38.

[32] Brief 323 (54).

[33] Brief 326 (127).

[34] Brief 327 (135).

[35] Casanatense, MS. 292. In den gedruckten Versionen dieses bemerkenswerten Briefes 322 (71) fehlt ein großer Teil dieser Passage.

[36] Casanatense, MS. 292. Die gedruckten Versionen dieses berührenden Briefs, 328 (130), lassen einen Großteil dieser Passage weg.

[37] Er hatte eine Vision, während er die Messe las, in der ihm deutlich gezeigt wurde, dass Bartolommeo von Bari der wahre Papst sei, und er schrieb in dieser Angelegenheit nach England mit dem Ergebnis, dass sein Zeugnis von seinen Landsleuten als Argument für ihr Festhalten an dem römischen Anwärter betrachtet wurde. Vgl. die Rationes Anglicorum, in Raynaldus, vii. S. 338.

[38] Legenda, II. xi. 4 – 6 (§§ 301–303).

[39] Brief vom 6. Dezember 1378, enthalten in den Lettere del B. Giovanni dalle Celle, S. 18.

[40] Lettere cit., 27. Vgl. Anonimo Fiorentino, S. 389, 390.

[41] [Wenzel von Luxemburg, der älteste Sohn Kaiser Karls IV.]

[42] Brief 332 (264).

[43] 14. Jänner 1379. Lettere dei discepoli, 11.

[44] [Damit ist der Bischof von Narni, Messer Jacomo di Sozzino Tolomei gemeint, der als Gesandter nach Siena gekommen war und dessen Hausgemeinschaft sich Stefano vorübergehend angeschlossen hatte.]

[45] 15. Jänner 1379. Ibid., 12.

[46] Brief 329 (262). Ich zitiere aus dem Original in der Biblioteca Comunale von Siena.

[47] Brief 365 (256). Ich zitiere aus dem Manuskript von Barduccio, das sich Besitz der Bruderschaft von Santa Lucia befindet, da der gedruckte Text teilweise sehr fehlerhaft ist. Ohne den ausdrücklichen Verweis auf den Dialogo am Ende hätte ich diesen Brief einem wesentlich früheren Datum als dem allgemein angenommenen Datum zuordnen müssen.