Edmund G. Gardner

Die hl. Caterina von Siena

Eine Studie über Religion, Literatur und Geschichte
des 14. Jahrhunderts in Italien

6. Kapitel

Aus der Zelle in die Welt

 

Es waren stürmische Zeiten für Siena. Verschwörungen gegen die Vorherrschaft der Rifomatori waren an der Tagesordnung, und die Regierung antwortete mit Folter und Hinrichtungen. Zu Beginn des Jahres 1371 wurde eine Verschwörung aufgedeckt, und zwei Schuldige wurden verurteilt, attanagliati, das heißt, mit glühenden Zangen gefoltert zu werden, während man sie auf einem Karren durch die ganze Stadt zum Platz ihrer Hinrichtung brachte. Caterina befand sich in Alessas Haus, als der schauerliche Zug unterhalb durch die Straße zog. Auf ihre Gebete hin verstummten die furchtbaren Schreie und verzweifelten Gotteslästerungen der Verurteilten angesichts einer Christusvision, die ihnen am Stadttor erschien, „und sie gingen so freudig in den Tod, als wären sie zu einem Festmahl eingeladen.“

Im Juli des Jahres brachte ein groß angelegter Aufstand der Compagnia del Bruco, einer geheimen Vereinigung der Wollschläger, die der Wollgilde unterstellt waren und kein Koalitionsrecht besaßen, für kurze Zeit das ganze Gefüge des Staates ins Wanken. Es war ein merkwürdiger Vorgriff auf den Aufruhr der Ciompi in Florenz, der sieben Jahre später folgen sollte. Mehrere Tage lang hielten die Aufständischen die Stadt in Atem und zwangen die Regierung, sieben aus ihren eigenen Reihen in die Signoria aufzunehmen. Darauf folgte eine Gegenverschwörung der Dodicini und ihrer Verbündeten mit Zustimmung des Capitano del popolo, Francesco di Naddo, der von den Salimbeni unterstützt wurde. Am 30. Juli kam es zu einem blutigen Massaker an der Costa d’Orvile; aber trotz der Flucht ihrer Befehlshaber blieben die bewaffneten Kompanien der Stadt regierungstreu, und der Aufstand wurde mithilfe der Noveschi und des Adels niedergeschlagen. Der Capitano del popolo, in Scharlachrot gekleidet, wurde auf einem scharlachrot behängten Schafott mitten auf dem Campo enthauptet. Die Dodicini wurden aus der Verwaltung ausgeschlossen, und der oberste Magistrat bestand nun aus zwölf Mitgliedern des „Volkes der höheren Stände“ und drei Noveschi. Unter den zu einer Geldstrafe verurteilten Bürgern befand sich auch Nanni di Ser Vanni Savini, „berühmt unter denen, die der Welt huldigten und vom Stolz des Fleisches erfüllt waren“, wie Fra Raimondo ihn schildert, und der eine Summe von fünfhundert Florinen zahlen musste; wenig später werden wir ihn unter Caterinas Schülern finden.[1]

Beinahe unmittelbar, nachdem sie die Abgeschiedenheit im Haus ihres Vaters verlassen hatte, kam Caterina mit der Politik ihrer Heimatstadt und den wichtigen Fragen, die die gesamte Kirche bewegten, in Berührung. Nicht nur die Speere und Schwerter der widerstreitenden Parteien senkten sich vor ihr, wenn sie durch die Straßen von Siena ging; auch die Fürsten und Machthaber Italiens schienen sofort zu erkennen, dass eine neue geistige Kraft im Land erstanden war, und in Avignon würde der Papst selbst gerne die Geheimnisse erfahren, die Christus vor seinem Stellvertreter verborgen hatte, um sie der einfachen Jungfrau zu enthüllen, die er sich zu seiner Braut erwählte.

Dies war zum Teil auf die Wirkung zurückzuführen, die Birgittas Offenbarungen auf Gregor ausübten. Vom Beginn seines Pontifikates an hatte die schwedische Prinzessin den neuen Papst aufgefordert, die Empörung, die die Flucht seines Vorgängers verursacht hatte, wieder gutzumachen. In einer Vision vernahm sie die Stimme der heiligen Jungfrau, die versprach, dass, falls Gregor den Päpstlichen Stuhl in Rom wieder aufrichten und die Kirche erneuern würde, ihre Gebete seine Seele mit geistlicher Freude ihres geliebten Sohnes überfluten würden. Andernfalls würde er zweifellos die Rute des Zornes Christi zu spüren bekommen, sein Leben würde verkürzt werden, und er käme vor das Gericht Gottes. Sie forderte den Papst schriftlich auf, spätestens zu Beginn des folgenden April (offensichtlich jenen des Jahres 1372) nach Italien zu kommen, wenn er noch die allerseligste Jungfrau als Mutter behalten und dem Gericht Gottes entgehen wolle. Es würde keinen Frieden in Frankreich geben, bis sich das Volk durch besondere Werke der Demut und Frömmigkeit mit Gott versöhnt habe. Was die Expedition betreffe, die der Papst organisiere, um das Grab Christi mithilfe von Söldnern zu befreien, würde Ihm das ebenso wenig gefallen wie die Verehrung des Goldenen Kalbes.[2]

Auf Birgittas Ersuchen brachte der Einsiedler-Bischof Alfonso diesen Brief nach Perugia und vertraute ihn dem Grafen von Nola zur Weiterleitung an den Papst an. Eine Abschrift wurde dem Grafen und einer zwielichtigen Persönlichkeit, von der wir bald Näheres erfahren werden, dem päpstlichen Nuntius, dem Abt von Marmoutier, gezeigt und dann vernichtet, nachdem der Inhalt dem Kardinal d’Estaing und auch Gomez Albornoz, der sich durch Birgitta bekehrt hatte und nun Spoleto für die Kirche verteidigte, mitgeteilt worden war. Aber es gab eine wichtige Passage in der Offenbarung, die für Gregor allein bestimmt war. „Wenn nicht der Papst“, sagte Birgitta zu Alfonso (im Namen der allerseligsten Jungfrau sprechend), „zum genannten Zeitpunkt und Jahr nach Italien kommt, werden die Länder der Kirche, die nun unter seiner Herrschaft und im Gehorsam gegen ihn vereint sind, unter seine Feinde verteilt werden. Um die Bedrängnis des Papstes zu vergrößern, wird er nicht nur hören, sondern mit eigenen Augen auch sehen, dass ich die Wahrheit sage, und es wird ihm nicht gelingen, trotz all seiner Macht die besagten Länder der Kirche in ihren früheren Zustand des Gehorsams und des Friedens zurückzuführen. Die Worte, die ich dir jetzt sage, sollen dem Abt jetzt noch nicht mitgeteilt oder geschrieben werden, denn die Saat ist in der Erde verborgen, bis sie in den Kornähren ihre Frucht trägt.“[3] Diese Prophezeiung sollte sich bald buchstäblich erfüllen, und zwar zum Teil auf Kosten des Abtes.

Gregor, der den Abt aufgefordert hatte, eine Erklärung für die erste Offenbarung zu verlangen, erhielt auch auf die zweite keine Antwort; und da Birgitta wenig Hoffnung auf sein baldiges Kommen hatte, brach sie im Herbst 1371 in Begleitung von Alfonso, ihren beiden Söhnen Birger und Karl und anderen ins Heilige Land auf. In Neapel verliebte sich Karl in die immer noch schöne Königin, und Johanna, angezogen von der strahlenden männlichen Erscheinung des jungen nordischen Kriegers, erwiderte seine Leidenschaft. Beide waren verheiratet, aber die Königin soll eine Scheidung in Erwägung gezogen und diese auch ihm vorgeschlagen haben. Eine ehebrecherische Verbindung dieser Art schien Birgitta schlimmer als der Tod; als Karl Anfang März starb, ohne dass weitere Schritte unternommen worden wären, empfand sie das als seine Rettung.[4] Sie verließ Neapel unmittelbar nach dem Begräbnis und gelangte auf dem Weg über Zypern Anfang Mai nach Jerusalem. Im Oktober kehrte sie nach Neapel zurück und erlebte das Wüten der Pest in dieser fröhlichsten und ausschweifendsten aller Städte. Hier begann sie – offenbar auf Bitten der Königin und des Erzbischofs –, Buße zu predigen und drängte letzteren, eine umfassende Reform der neapolitanischen Kirche einzuleiten, um den unmoralischen Lebenswandel der Prälaten und Priester zu beseitigen. Sie forderte Johanna selbst zur Beichte und zu einer völligen Änderung ihres Lebensstils auf und ermahnte sie, die Angelegenheiten ihres Königreichs in Ordnung zu bringen, da Gott ihr offenbart habe, dass sie keinen leiblichen Erben haben werde: „Sie möge größere Demut und Reue für ihre Sünden zeigen, denn in Meinen Augen ist sie eine Plünderin vieler Seelen, eine maßlose Verschwenderin Meiner Güter, eine Rute und ein Ärgernis für Meine Freunde. Sie möge beständige Furcht in ihrem Herzen haben, denn ihr ganzes Leben lang hat sie eher das Leben einer Dirne als das einer Königin geführt. Sie möge den Rest ihrer Zeit, der kurz sein wird, Meiner Ehre widmen. Sie soll Mein Gericht fürchten und so leben, dass sie es nicht auf sich zieht. Andernfalls, wenn sie nicht auf Mich hören will, werde ich sie richten, nicht wie eine Königin, sondern wie eine undankbare Abtrünnige.“[5]

Als sie am 26. Januar 1373, dem Fest des heiligen Polykarp, für den Papst betete, hatte Birgitta eine Vision von Christus, der ihr sagte, dass Gregor durch seine übermäßige Liebe zu seinen eigenen Verwandten und durch die Kälte seines Herzens ihm gegenüber gefesselt sei, dass er aber durch die Fürsprache der Gottesmutter alle Hindernisse überwinden und nach Rom kommen werde. „Aber ob du ihn kommen sehen wirst oder nicht, dies zu wissen steht dir nicht zu.“

Im Februar sandte sie den Einsiedler-Bischof nach Avignon mit einem langen Brief an den Papst, in dem sie eine weitere Vision schildert, in der sie Gregor selbst vor dem Thron des himmlischen Richters stehen sah und den schrecklichen Vorwurf hörte, der an ihn gerichtet war: „Warum hasst du Mich so sehr? Warum sind deine Dreistigkeit und deine Anmaßung gegen Mich so groß? Denn dein weltlicher Hofstaat plündert Meinen himmlischen Hof. In deinem Stolz nimmst du Mir Meine Schafe weg; du greifst unrechtmäßig nach den Gütern der Kirche, die Mir allein gehören, und nach dem Eigentum der Untertanen der Kirche, um sie deinen weltlichen Freunden zu geben. Du beraubst Meine Armen um deiner Reichen willen. Zu groß sind deine Kühnheit und deine Vermessenheit. Was habe Ich dir angetan, Gregor? Ich habe dir geduldig erlaubt, zum obersten Hirtenamt aufzusteigen, und habe dir Meinen Willen kundgetan und dir großen Lohn versprochen. Wie hast du Mir all Meine Wohltaten vergolten? Warum lässt du an deinem Hof solch übermäßigen Stolz, unersättliche Begierde und die Wollust herrschen, die Ich hasse, und ebenso die abscheuliche Simonie? Mehr noch, du beraubst Mich unzähliger Seelen; denn beinahe alle, die an deinen Hof kommen, treibst du in den Feuerschlund der Hölle, weil du dich nicht um die Dinge kümmerst, die zu Meinem Hof gehören, obwohl du der Prälat und Hirte Meiner Schafe bist. Die Schuld liegt bei dir, weil du nicht sorgsam bedenkst, was zu ihrer geistlichen Rettung nötig ist und was gebessert werden muss. Und wenn Ich dich auch um dieser Dinge willen verurteilen könnte, so ermahne Ich dich doch um deines Seelenheiles willen, dass du so schnell wie möglich nach Rom kommst, zu deinem Sitz. Komm also und zögere nicht. Komm nicht mit deiner gewohnten Überheblichkeit und mit weltlichem Prunk, sondern in Demut und glühender Nächstenliebe. Und nachdem du so gekommen bist, tilge alle Laster an deinem Hof. Entferne dich von den Ratschlägen deiner fleischlich und weltlich gesinnten Freunde und folge demütig dem Rat Meiner geistlichen Freunde. Erhebe dich, erweise dich stark und fange an, Meine Kirche zu erneuern, die ich mit Meinem Blut erworben habe. Lass sie im Geiste zu ihrem ursprünglichen heiligen Zustand zurückkehren, denn jetzt ist sie ein Haus der Schande, das mehr verehrt wird als die heilige Mutter Kirche. Wenn du aber Meinem Willen nicht gehorchst, werde Ich dich vom Hof des Himmels verstoßen, und alle Teufel der Hölle werden deine Seele unter sich aufteilen, und statt mit Segen sollst du mit ewigem Fluch erfüllt sein. Wenn du Mir aber auf diese Weise gehorchst, werde Ich dich wie ein liebender Vater empfangen. Ich werde dir gnädig sein und dich segnen und dich mit den päpstlichen Gewändern eines wahren Papstes bekleiden und schmücken. Ich werde dich mit Mir selbst bekleiden, so dass du in Mir bist und Ich in dir, und du wirst ewigen Ruhm ernten.“[6]

Die Königin, deren Herz von Birgittas Worten für kurze Zeit erschüttert worden war, versorgte sie mit den Mitteln für die Rückkehr nach Rom, was sie zu Beginn der Fastenzeit erreichte. Hier kamen der Graf von Nola und der Abt von Marmoutier im Auftrag des Papstes zu ihr, der um Erleuchtung bat und – wie die Pharisäer in früheren Zeiten – nach einem Zeichen verlangte, da die wiederauflebenden Feindseligkeiten zwischen der Kirche und Bernabo Visconti gerade jetzt ein neuerliches Hindernis für seine Rückkehr darzustellen schienen. Als Antwort schrieb Birgitta Anfang Juli ihren letzten Brief an Alfonso, den er dem Papst zeigen sollte. Gregor möge zur Ehre Gottes, zur Rettung der Seelen und zur Erneuerung der Kirche tun, was ihm möglich ist, und er wird ein Zeichen ewigen Trostes haben. Wenn er aber nicht kommt, wird er ein Zeichen ganz anderer Art erhalten, nämlich den Verlust von zeitlichen und geistlichen Dingen und die Reue seines eigenen Gewissens. Was den Streit zwischen dem Papst und Bernabo anbelangt, der für unzählige Seelen eine Gefahr darstellt, möge Ersterer eine Einigung anstreben. „Denn selbst wenn der Papst von seinem päpstlichen Sitz vertrieben würde, wäre es besser, er demütigte sich und machte Frieden um jeden Preis, als dass so viele Seelen in ewiger Verdammnis zugrunde gehen sollten.“ Er möge Gott allein vertrauen und, auch wenn ihm alle davon abraten, nach Rom zu gehen, und alles in ihrer Macht Stehende tun, um ihn daran zu hindern, so wird doch keiner von ihnen die Oberhand gewinnen. „So spricht der Herr: Da der Papst zweifelt, ob er nach Rom kommen soll, um Frieden zu stiften und Meine Kirche zu reformieren, möchte Ich unter allen Umständen, dass er im nächstfolgenden Herbst erscheint. Und lass ihn wissen, dass er nichts Besseres tun kann, um Mir zu gefallen, als nach Italien aufzubrechen.“[7]

Wenige Tage später, am 23. Juli 1373, starb Birgitta. Ihre Tochter Katharina überführte den Leichnam nach Schweden und kehrte dann nach Rom zurück, um die von ihrer Mutter verheißene Ankunft des Papstes abzuwarten. Petrarca starb im folgenden Jahr.

In der Zwischenzeit hatte die andere Caterina die Arbeit aufgenommen, die der italienische Dichter und die schwedische Prinzessin gleichermaßen unvollendet zurücklassen mussten. Sie begann mit den beiden mächtigen Prälaten der kämpfenden Kirche, denen wir bereits im Zusammenhang mit Birgittas Offenbarungen begegnet sind – mit Kardinal d’Estaing und dem Abt von Marmoutier.

Kardinal d’Estaing hatte sich – wiewohl aufrecht und energisch – als strenger und unpopulärer Herrscher von Perugia erwiesen. Ende 1371 ernannte ihn der Papst zum Legaten von Bologna, als Nachfolger von Kardinal Anglico de Grimoard. Sein Platz in Perugia wurde von Kardinal Philippe de Cabassole, Petrarcas Freund, dem Patriarchen von Jerusalem, einem sanftmütigen und liebenswürdigen Prälaten, eingenommen, der in den wenigen Monaten seiner Regierung alle Sympathien der Perugianer gewann. Im Jänner 1372 hielt d’Estaing einen pompös-triumphalen Einzug in Bologna, von den Akklamationen der Bewohner empfangen, die in ihm den Verteidiger ihrer Freiheit gegen Bernabo Visconti sahen: „Er galt als gütiger und aufrechter Mann“, berichtet der Chronist, „und man sagte, er hätte vom Papst umfassendere legatorische Befugnisse und mehr Vollmachten erhalten, als jemals einem anderen Vertreter der Kirche zugestanden worden waren.“[8] Im folgenden August starb Kardinal de Cabassole, und an seine Stelle trat der Abt von Marmoutier, der im vorausgehenden Jahr als oberster Schatzmeister der Kirche nach Italien gekommen war und nun als Apostolischer Vikar über Perugia, das Patrimonium und Spoleto herrschte, während die Truppen weiterhin unter dem Kommando von Gomez Albornoz standen.

Nun beginnt die Reihe von Caterinas Briefen. Und unter den ersten von ihnen, die wir mit annähernder Sicherheit datieren können, sind die beiden Briefe an Kardinal d’Estaing in seiner Eigenschaft als Legat von Bologna und als oberster Repräsentant des Papstes in Italien. Sie sind gewissermaßen das Titelblatt für den gesamten Korpus ihrer mystischen Briefe und beinhalten bereits die Quintessenz ihrer vergeistigten politischen Lehre. Der Prolog ist Italien, der Epilog ist der Friede. Die Liebe zum Nächsten ist das Gebot; Eigenliebe und knechtische Furcht sind die Feinde, die es zu besiegen gilt. Die Philosophie, die sie vom Friedensfürsten in ihrer Zelle der Selbsterkenntnis gelernt hat, wird auf den politischen Status der Kirche und der Welt angewendet. Schon ist ihre Seele von jenem leidenschaftlichen Traum einer Erneuerung der Kirche bis in ihre Grundfesten hinein überwältigt – infino alle fondamenta, um ihre eigenen Worte zu gebrauchen –, der sie bald über die Alpen führen wird, als Botschafterin Christi wie auch von Florenz, dem jungfräulichen Abbild des italienischen Volkes, um den Papst mit Italien zu versöhnen und ihn nach Rom zurückzubringen.

Zu Beginn des Jahres 1372 richtete Caterina erstmals einen Brief an Kardinal d’Estaing, eingeleitet mit einem Wortspiel über legato und Legato, das sich in englischer Sprache unmöglich wiedergeben lässt. „Liebster und verehrter Vater in Christus, dem süßen Jesus“, so beginnt sie, „ich, Caterina, Dienerin und Sklavin der Diener Jesu Christi, schreibe Euch im Namen seines kostbaren Blutes, mit dem Verlangen, Euch durch das Band der Liebe gebunden zu wissen, so wie Ihr Legatus (Gebundener) in Italien geworden seid[9], wie ich erfahre und worüber ich außerordentlich froh bin, weil ich glaube, dass Ihr auf diese Weise viel für die Ehre Gottes und das Wohl der heiligen Kirche tun könnt. Ihr wisst aber, dass wir kein Werk der Gnade, weder für uns selbst noch für unsere Mitmenschen, ohne Liebe vollbringen können. Die Liebe ist das süße und heilige Band, das die Seele mit ihrem Schöpfer verbindet; sie verband Gott mit dem Menschen und den Menschen mit Gott. Diese unschätzbare Liebe hielt den Gottmenschen fest, geheftet und angenagelt am Holz des heiligsten Kreuzes.“ Diese Liebe allein vereint die Getrennten, macht die Armen reich an Tugend, beendet die Kriege, verleiht Geduld und Beharrlichkeit und kann niemals erschüttert werden, weil sie auf den lebendigen Felsen gegründet ist, auf ihn, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. In dieser Liebe verbunden, möge der Vertreter des Papstes in die Fußstapfen Christi treten:

„Ich wünschte, dass Ihr als ein wahrer Sohn und Knecht, der durch das Blut Christi des gekreuzigten Christus erkauft wurde, seinen Spuren folgt, mit mannhaftem Herzen und stetem Eifer, niemals ausweichend, weder aus Schmerz noch aus Freude, sondern bis zum Ende an diesem und jedem anderen Werk, das Ihr für Christus den Gekreuzigten unternehmen werdet, festhaltet. Bemüht Euch, die Ungerechtigkeiten und das Elend in der Welt auszurotten, die von den vielen Sünden herrühren, die die Menschen begehen und durch die der Name Gottes entehrt wird. Tut Euer Bestes als einer, der nach der Ehre Gottes und dem Heil des Nächsten hungert, ein Heilmittel für all dies zu finden. Ich bin gewiss, dass Ihr mit dem süßen Band der Liebe Euer Amt als Legat, das Euch vom Stellvertreter Christi übertragen wurde, auf diese Weise ausüben werdet. Aber ohne dieses Band der Liebe könnt Ihr nicht vollbringen, was Euch aufgetragen ist. Bindet Euch daher an den gekreuzigten Christus, folgt mit wahrer und königlicher Tugend seinen Spuren und verbindet Euch mit den Nächsten durch Taten der Liebe. Ich möchte uns überzeugt wissen, liebster Vater, dass wir niemals diese wahre und vollkommene Liebe, dieses Band der Liebe, erreichen werden, solange unsere Seele nicht von jeglicher Eigenliebe und weltlicher Anhänglichkeit befreit ist. Denn die eine Liebe ist der anderen so entgegengesetzt, dass die eine uns von Gott und vom Mitmenschen trennt, während die andere uns mit ihnen vereint: Die eine gibt Leben, die andere den Tod; die eine verbreitet Finsternis und die andere Licht; diese den Krieg und jene den Frieden. Die Eigenliebe engt das Herz so sehr ein, dass kein Raum bleibt, weder für Euch noch für Eure Mitmenschen. Die göttliche Liebe aber macht das Herz weit, empfänglich für Freund und Feind und jedes beseelte Lebewesen, weil es mit der Liebe Christi bekleidet ist und ihm deshalb nachfolgt. Die elende Eigenliebe verneint die Gerechtigkeit und begeht Ungerechtigkeiten; sie führt zu einer sklavischen Furcht, da sie – entweder aufgrund von Schmeicheleien oder aus Furcht vor dem Verlust des Ansehens – nicht das tun lässt, was sie in rechter Weise tun sollte. Es ist diese verkehrte Knechtschaft und Angst, die Pilatus dazu brachte, Christus zu töten. Ich möchte also, dass Ihr diese Art von Liebe ablegt und in einer wahren und vollkommene Liebe begründet seid; einer Liebe, die Gott um seinetwillen liebt, weil er es wert ist, geliebt zu werden, da er die höchste und ewige Güte ist, und dass Ihr Euch und Eure Mitmenschen um seinetwillen liebt und nicht zu Eurem eigenen Vorteil. So also, mein Vater und Legat unseres Herrn, des Papstes, möchte ich Euch mit dem Band der wahren und innigsten Liebe gebunden wissen, und so verlangt meine Seele, Euch zu sehen.“[10]

Und sie lässt einen zweiten Brief folgen „mit dem Wunsch, Euch als einen tapferen und nicht etwa feigen Mann zu sehen, sodass Ihr der Braut Christi mannhaft dienen könnt und geistliche wie auch weltliche Mittel zur Ehre Gottes anwendet, wie sie diese Braut in unserer Zeit nötig hat.“ Er möge die Augen seines Verstandes öffnen, um ihre Bedürfnisse zu erkennen, und sich vor sklavischer Furcht bewahren (eine bevorzugte Lehre Caterinas, die sie immer und immer wieder in nahezu denselben Worten wiederholt). Er möge auf das unbefleckte Lamm schauen, das nichts als die Ehre des Vaters suchte und nichts fürchtete, nicht einmal den schmählichen Tod am Kreuz. „Wir sind die Schüler, die durch diese süße und sanfte Schule gegangen sind.“ Und die Zeit ist gekommen, um das Erlernte in die Praxis umzusetzen:

„Setzt Euch mutig und mit allen Euren Kräften dafür ein, den Frieden und die Einheit des ganzen Landes zu bewirken. Und wenn es für diese heilige Aufgabe nötig sein sollte, Euer leibliches Leben zu opfern, dann gebt es hin, sogar tausendmal, wenn es möglich wäre. Es ist furchtbar, sich vorzustellen, zu hören und tatsächlich zu sehen, dass wir uns mit Gott im Kriegszustand befinden wegen der vielen Sünden der Untertanen und ihrer Hirten und jetzt sogar in einem physischen Krieg wegen der Auflehnung gegen die heilige Kirche.[11] Wo alle treuen Christen sich zu einem Krieg gegen die Ungläubigen rüsten sollten, führen die falschen Christen ihn gegeneinander; und die Diener Gottes können nicht an sich halten vor Leid und Schmerz, weil sie die Verdammnis so vieler Seelen erleben, die dadurch zugrunde gehen, und die Dämonen freuen sich, weil sie sehen, was sie sehen wollen. Es ist wahrlich an der Zeit, dass wir unser Leben in Nachahmung des Lehrers der Wahrheit hingeben und uns nicht um Ehre oder Schande kümmern, die uns die Welt durch schmerzvolle Qualen und den leiblichen Tod bereiten möchte. Ich bin überzeugt, dass Ihr das tapfer vollbringen werdet, wenn Ihr mit dem neuen Menschen, mit Christus Jesus, bekleidet seid und den alten Menschen, das heißt, Eure ichbezogene Sinnlichkeit, abgelegt habt. Denn dann seid Ihr frei geworden von der sklavischen Furcht. Auf andere Weise würde es Euch nie gelingen, sondern Ihr würdet in jene Sünden zurückfallen, von denen ich gesprochen habe. Bedenkt, dass Ihr tapfer und furchtlos sein müsst, und frei von jeder Ichbezogenheit (denn Ihr seid von Gott in ein Amt berufen worden, das keine sklavische, sondern nur eine heilige Furcht verlangt); deshalb habe ich gesagt, dass ich Euch als mutigen und furchtlosen Mann sehen möchte. Ich hoffe auf Gottes Güte, dass er Euch und mir diese Gnade erweisen möge, damit wir seinen Willen und Eure und meine Sehnsucht erfüllen können. Friede, Friede, Friede! Liebster Vater, veranlasst den Heiligen Vater, den Verlust der Seelen mehr zu fürchten als den Verlust von Städten; denn Gott verlangt nach Seelen mehr als nach den Städten.“[12]

Ein Mann ganz anderer Prägung als dieser großmütige und eifrige Kardinal war der zweite Lenker der päpstlichen Politik in Italien. Gérard du Puy, Abt von Marmoutier und Neffe Papst Gregors, war einer der schlimmsten jener reißenden Wölfe im Schafspelz, denen die Hirten aus Avignon ihre ausonischen [d.h. süditalischen] Herden anvertraut hatten. Während d’Estaing in der Legation von Bologna den Feldzug gegen die Visconti vehement verfolgte, ohne jedoch das Kirchenvolk, das seiner Herrschaft unterstand, zu unterdrücken, regierte der Abt mit Unterstützung von Hawkwoods Söldnern Perugia mit ver­werf­lichster Tyrannei. Um seinen Einfluss auf die unruhige Stadt zu sichern, baute er zwei große Festungen, die durch einen großen gedeckten und durch Bogen gestützten Gang verbunden waren, auf dem sich die Truppen hin- und herbewegen konnten. Er erdrückte das Volk mit Steuern, schloss alle Bürger, ob hoch oder niedrig, von seinen Beratungen aus und regierte die Provinz mit korrupten Notaren und ausländischen Kapitänen. Er duldete die ungeheuerliche Zügellosigkeit seiner Beamten, unter denen sein eigener Neffe der schlimmste Übeltäter war, und reagierte auf die Proteste der Geschädigten mit einer Antwort, die in ihrem brutalen Zynismus abstoßend war.[13] Dennoch war dieser verabscheuungswürdige Mönch der Verbindungsmann zwischen dem Papst und Birgitta und wurde nun, vermutlich unmittelbar nach dem Tod der letzteren im Juli 1373, aufgefordert, sich Caterina in ebensolcher Weise zu nähern. Sein päpstlicher Onkel, unbeeindruckt vom Tadel der schwedischen Prophetin, wartete noch immer – wie die Pharisäer von einst – auf ein Zeichen, und der Ruf der Jungfrau von Fontebranda war (möglicherweise durch einen Bericht des Legaten von Bologna) sogar bis in den päpstlichen Palast in Avignon gedrungen.

Wir wissen nicht, auf welche Weise sein Appell an Caterina herangetragen wurde, und auch nicht, ob sie sich des Charakters des Geistlichen, mit dem sie es zu tun haben sollte, bewusst war. Aber ihre Antwort ist erhalten geblieben, und sie ist eine der eindrucksvollsten ihrer politischen Briefe. Auch an diesen bösartigen Mann schreibt sie im Namen des kostbaren Blutes des Gottessohnes „mit dem Wunsch, Euch als wahren Priester zu sehen, der fest eingebunden ist in den Leib der heiligen Kirche.“ Der erste Teil des Briefes ist ein leidenschaftlicher Hymnus auf die Liebe, von deren Milch die Seele sich nährt, die Liebe, welche die Seele an Christus bindet, wie sie den Sohn Gottes an das Kreuz gebunden hat, das Feuer, das alle Laster, alle Sünden und jegliche Eigenliebe verbrennt. Alle müssen diesem Gesetz der Liebe folgen und ihr Gedächtnis, ihren Verstand und ihren Willen in diesem göttlichen Feuer läutern. Vor allem verlangt Gott von Menschen in der Stellung des Abtes Eifer und Sorge um das Heil der Seelen. „Das ist der Weg Christi des Gekreuzigten, der uns stets das Licht des Friedens schenken wird. Wenn wir aber einen anderen Weg einschlagen, werden wir von Finsternis zu Finsternis schreiten und schließlich in den ewigen Tod.“

Ihre Antwort an den Papst lautet, dass vor allem zwei Dinge die Kirche verunstalten und beseitigt werden müssen: die Vetternwirtschaft – „die übertriebene Zuneigung und Fürsorge für die Verwandten“ – und die Nachsicht, wenn es um die Verderbtheit des Klerus geht. „Christus hasst ganz besonders drei widernatürliche Laster: Unreinheit, Habsucht und den aufgeblasenen Stolz, der in der Braut Christi, das heißt in den Prälaten herrscht, die sich um nichts anderes kümmern als um Vergnügungen und Prunk und übermäßigen Reichtum. Sie sehen, wie die Dämonen der Hölle die Seelen der ihnen Anvertrauten wegschleppen, und es kümmert sie nicht, weil sie Wölfe geworden sind und Händler der göttlichen Gnade.“ „Ich sage nicht, dass die Braut Christi nicht mehr verfolgt werden wird; aber ich glaube, dass sie weiterhin blühen und sich entfalten wird. Aber für ihre vollständige Erneuerung ist es notwendig, dass sie bis auf die Grundmauern niedergerissen wird.“[14] Und was die vom Abt selbst bekundete Reue betrifft: „Ich, Eure unwürdige Tochter, habe die Schuld Eurer Sünden auf mich genommen – jetzt und auch in Zukunft –, und so werden Eure Sünden und meine gemeinsam verbrennen im Feuer der süßen Liebe, wo sie völlig verzehrt werden. Hofft und seid versichert, dass die göttliche Gnade sie Euch vergeben hat.“ „Ihr müsst vor allem zusammen mit dem Heiligen Vater nach Kräften daran arbeiten, die Wölfe und fleischgewordenen Dämonen unter den Hirten zu entfernen, die sich um nichts anderes kümmern als um Essen, schöne Paläste und stattliche Pferde. Wehe, wenn das, was Christus am Holz des Kreuzes erworben hat, mit Dirnen verprasst wird! Ich bitte Euch, auch wenn es Euer Leben kosten sollte: sagt dem Heiligen Vater, er möge diesen Lastern ein Ende setzen. Und wenn die Zeit kommt, neue Kardinäle und Hirten zu bestellen, dann sagt ihm, dass das nicht auf Grund von Schmeichelei, Geld oder Simonie geschehen soll, sondern bittet ihn mit allem Nachdruck, er möge bei den Kandidaten auf Tugend und guten heiligen Ruf achten und nicht die Adeligen bevorzugen. Denn es ist die Tugend, die den Menschen adelt und vor Gott wohlgefällig macht.“[15]

Das Jahr 1373 war gekennzeichnet von unzähligen Streitigkeiten und Morden, besonders unter den Ordensleuten und dem Klerus. Der Sieneser Chronist berichtet, dass Augustiner-Mönche ihren Provinzial in Sant‘ Antonio (einem Kloster des Ordens im Umland von Siena, in der Nähe von Bagni di Petriuolo) ermordeten; dass in Assisi die Minderbrüder einander mit Messern bekämpften und vierzehn getötet wurden. In Siena tötete ein junger Mönch in San Domenico einen anderen, und jedes Kloster war in sich gespalten. Dasselbe geschah aber auch außerhalb der Klöster: Jede Organisation innerhalb des Staates war von Intrigen und kleineren Verrätereien zerrissen; „und so ist die Welt eine einzige Finsternis.“[16] Der neue Senator von Siena, Graf Lodovico da Mogliano aus den Marken, der sein Amt im Februar antrat – „ein Mann in gesetzten Jahren, friedliebend und weise, der allen Bürgern Anlass zur Hoffnung gab“ – versuchte die Ordnung wieder herzustellen, indem er Verbrechen von Adeligen und gewöhnlichen Leuten unterschiedslos aburteilte. Aber das Ergebnis war eine Reihe von Ausschreitungen, bei denen auch sein eigenes Leben bedroht wurde und seine ganze Familie Gefahr lief, vom sienesischen Pöbel massakriert zu werden.[17]

Drei von Caterinas Briefen stehen unter dem Eindruck dieser Ereignisse. In einem Brief an Pietro, den Pfarrer von Semignano im Umland von Siena, der eine tödliche Fehde mit einem anderen Priester austrug und offensichtlich auch in anderer Hinsicht ein skandalöses Leben führte, stellt sie ihm die Würde des Priestertums vor Augen, die er durch seine Unreinheit und seinen Hass mit Füßen tritt, und droht ihm mit dem Gericht Gottes, wenn er sich nicht ändert und Frieden schließt. „Welche Schande, zwei Priester in tödlichem Hass verharren zu sehen! Es ist ein großes Wunder, dass Gott der Erde nicht befiehlt, Euch beide zu verschlingen. Kommt also, solange Ihr noch Zeit habt, Barmherzigkeit zu erlangen; eilt zum gekreuzigten Christus, der Euch gnädig aufnehmen wird, wenn Ihr nur wollt. Und denkt daran, dass, wenn Ihr das nicht tut, Euch jene Strafe treffen wird, wie sie dem ungetreuen Knecht zuteilwurde, dem sein Herr seine große Schuld erlassen hatte und der dann seinem Mitknecht eine geringe Schuld nicht erlassen wollte.“ In ähnlicher Weise fordert sie den Propst und Jacomo di Manzi, zwei Kleriker in Casole, auf, den Spuren des Lammes zu folgen – das durch sein Blutvergießen am Kreuz Frieden zwischen Gott und den Menschen gestiftet hat – und ihren Hass gegen ihre eigenen Sünden zu richten und Frieden mit Gott und ihren Nächsten zu schließen. „Ich beschwöre euch, im Namen des gekreuzigten Christus, mir diese Gnade nicht zu verweigern.“ An Madonna Mitarella da Mogliano, die Gattin des Senators, die ihr nach den Angriffen des Pöbels auf ihren Mann voll Angst geschrieben hatte, dass sie „nur noch auf die Gebete der Diener Gottes ihr Vertrauen und ihre Hoffnung setzen könne“, schrieb sie Worte voll sanften Trostes und der Erinnerung daran, dass kein Blatt ohne Gottes Wissen und Willen vom Baum fallen würde.[18]

Aber die Briefe waren zu dieser Zeit der kleinste Teil von Caterinas Tätigkeit. Wo immer Männer und Frauen in Siena leidend oder in Not waren, war sie zur Stelle. Die Kranken wurden geheilt, die Sterbenden durch ihren Beistand getröstet; hartgesottene Sünder ließen sich durch ihre Bitten zur Reue bewegen und hörten die süße Versicherung von ihren Lippen: „Hab keine Angst. Ich habe deine Sünden auf mich genommen.“ „Niemals sah ich einen Menschen“, schreibt Francesco Malavolti, „der zu dieser Jungfrau, die der Heilige Geist auserwählt hatte, gekommen ist, egal wie schlecht es um ihn bestellt war und in welchem Zustand er sich auch befand, der jemals von ihr weggegangen wäre, ohne sich vorher zum Guten bekehrt zu haben und ohne sofort zur Beichte zu gehen, alle bösen Taten aufzugeben und ein völlig neuer Mensch zu werden.“[19] Pietro di Giovannni Ventura berichtet uns, wie er auf Drängen seiner Schwester einen Besuch bei Caterina machte. Er war sieben Jahre lang nicht mehr zur Beichte gegangen. „Die Jungfrau erhob ihre Hände zum Himmel und sagte: ‚Pietro, ich will alle deine Sünden auf mich nehmen und dafür an deiner Stelle Genugtuung leisten. Aber von dir, Pietro, wünsche ich mir als Dank – dass du deine Sünden beichtest.‘ Darauf antwortete ich: ‚Es ist erst einige Tage her, dass ich sie gebeichtet habe.‘ Und darauf sie: ‚Das ist nicht so, denn ich weiß, dass es sieben Jahre her ist, seid du zuletzt gebeichtet hast.‘ Und sie fügte hinzu: ‚Warum willst du nicht zur Beichte gehen?‘ Und obwohl ich keinem Menschen von der Sache erzählt hatte, zeigte sie mir alles klar auf und ebenso den Grund, warum ich seit damals nicht willens war, zu beichten.“[20] Nach dieser Begegnung wurde Pietro einer der treuesten Anhänger und Schüler Caterinas, und obwohl er einmal für einen kurzen Moment schwankte und nach einem Zeichen verlangte, gehörte er zu jener kleinen Schar, die bis zum Schluss mit ihr zusammen sein sollte. Vielleicht war es das Wissen um die Schwäche dieses Augenblicks, die Caterina dazu veranlasste, ihm einen wunderbaren Brief über die Liebe und die Beharrlichkeit im Dienste des Geliebten zu schreiben.[21]

In Norditalien führte Kardinal d’Estaing energisch den Feldzug gegen die Visconti weiter: „Er war ein wahrhaft kühner Mann“, berichtet der Chronist von Bologna, „und führte häufiger Krieg gegen die Herren von Mailand als irgendein anderer Legat – außer dem Spanier –, der vor ihm hier war.“[22] Aber die toskanischen Republiken schwankten zwischen Bernabo und dem Papst. Anfang November 1373 kamen zwei Botschafter von Bernabo und Galeazzo nach Siena. Letzterer scheint bald zu seinem Herrn zurückgekehrt zu sein; der Gesandte Bernabos aber blieb „im Gasthaus der Ocha“ bis zum folgenden Januar, als die Sieneser seine Anwesenheit als kompromittierend empfanden und ihn aufforderten, die Stadt zu verlassen, wobei ihn der Gonfaloniere des Terzo di Camollia feierlich durch das Stadttor hinaus begleitete.[23] Während seines Aufenthalts in Siena suchte er im Auftrag Bernabos und seiner ehrgeizigen Gemahlin Beatrice della Scala ein Gespräch mit Caterina – möglicherweise in der Absicht, sie von den ehrenhaften Absichten seines Herrn zu überzeugen, um durch sie die öffentliche Meinung der Sieneser zu beeinflussen, da am päpstlichen Gerichtshof ein neues Verfahren gegen die Visconti wegen ihrer grausamen Unterdrückung des Mailänder Klerus eingeleitet wurde. Sollte dies sein Auftrag gewesen sein, so war der Botschafter offensichtlich nicht erfolgreich.

Caterina diktierte ihren Sekretären sofort zwei lange Briefe an Bernabo und Beatrice, die uns erhalten geblieben sind. Unglücklicherweise wurden die Passagen am Ende der Briefe, in denen sie direkt auf ihre Bitten oder Fragen antwortet, von den Zeitgenossen als von lediglich kurzlebigem Interesse beurteilt und daher nicht überliefert, weder in den gedruckten Ausgaben noch in einer der Handschriften. Aber wenn wir zwischen den Zeilen ihres Briefes an Bernabo lesen, erfahren wir, dass der Tyrann von Mailand sich gegenüber der einfachen Jungfrau aus Siena als eine Art Geißel Gottes darstellen wollte, von Gott beauftragt, um die Missetaten der Hirten der Kirche zu bestrafen.

Diesem blutrünstigsten und habgierigsten aller Despoten Italiens erläutert Caterina das Gesetz der Liebe, wie es sich im Mysterium der Erlösung zeigt. Sie spricht von der Vergänglichkeit aller irdi­schen Herrschaft, die in einem Augenblick vergehen kann, im Vergleich mit der Herrschaft über die Stadt der Seele, in der Gott ruht, und die, verteidigt durch den freien Willen, uneinnehmbar ist gegen alle Angriffe der Welt, des Fleisches und des Teufels. Um aber diese geistige Freiheit zu bewahren oder wieder zu erlangen, muss der Mensch im Blut Christi gereinigt werden; dieses Blut wird im Leib der heiligen Kirche aufbewahrt, um durch die Hände des Stellvertreters Christi verwaltet zu werden; und wir können nur durch ihn daran teilhaben. „Ich sage Euch also, liebster Vater und Bruder in Christus, dem lieben Jesus:  Gott will nicht, dass Ihr oder jemand anderer Euch zum Richter Seiner Diener macht; denn dieses Recht hat er sich selbst vorbehalten und seinem Stellvertreter übertragen. Und wenn der Stellvertreter nicht tut, was er sollte (und es ist schlimm, wenn er es nicht tut!), dann müssen wir demütig die Strafe und Züchtigung des höchsten Richters, des ewigen Gottes, abwarten, selbst wenn uns von diesen Männern unser Besitz weggenommen werden sollte. Ich bitte Euch inständig, im Namen des gekreuzigten Christus, befasst Euch nicht mehr damit. Besitzt Eure eigenen Städte in Frieden; straft Eure Untertanen, wenn sie Böses tun. Aber rührt jene nicht an, die Verwalter dieses glorreichen und kostbaren Blutes sind, das Ihr aus keinen anderen Händen als den ihren erhalten könnt. Ohne sie könnt Ihr die Frucht dieses Blutes nicht empfangen, sondern Ihr werdet ein verfaultes Glied, abgetrennt vom Leib der heiligen Kirche. Genug damit, Vater! Ich möchte jetzt, dass wir demütig unseren Kopf in den Schoß Christi im Himmel legen und in jenen des Christus auf Erden, der seine Stelle einnimmt, um unsere Ehrfurcht vor dem Blut Christi zu zeigen, zu dem er die Schlüssel besitzt. Wem er öffnet, dem ist aufgetan, und wem er [den Zugang zum Blut] verschließt, dem bleibt er verschlossen. Er hat die Macht und die Gewalt, und es gibt niemanden, der sie ihm aus den Händen nehmen könnte, denn sie wurde ihm von der ersten süßen Wahrheit verliehen.“

Möge Bernabo also ein treuer Sohn der Kirche werden. „Aber welche Genugtuung können wir leisten für die Zeit, in der Ihr ausgeschlossen wart? Dafür, Vater, scheint nun eine Zeit anzubrechen, in der wir süße und dankbare Wiedergutmachung leisten können: Denn da Ihr einst im Krieg gegen Euren Vater Euren weltlichen Besitz und sogar Euer Leben aufs Spiel gesetzt habt, fordere ich Euch jetzt im Namen des gekreuzigten Christus auf zu einem wahren und vollkommenem Frieden mit ebendiesem Vater, dem gütigen Christus auf Erden, und zum Krieg gegen die Ungläubigen, indem Ihr bereit seid, Euer Leben und Vermögen für den gekreuzigten Christus einzusetzen. Macht Euch bereit, denn es steht Euch wohl an, diese süße Genugtuung zu vollbringen. Wie Ihr ihn zuerst bekämpft habt, so eilt jetzt Eurem Vater zu Hilfe, wenn er das Banner des heiligsten Kreuzes erhebt. Ich wünschte, Ihr wäret der erste, der den Heiligen Vater auffordert und zur Eile drängt, denn es ist eine große Schande und ein Ärgernis für die Christen, wenn sie es zulassen, dass böse Ungläubige das besitzen, was von Rechts wegen uns gehört. Wir aber handeln wie Toren und Menschen mit niedriger Gesinnung, die nur gegeneinander Krieg führen. Wir sind durch Hass und Verbitterung untereinander entzweit, obwohl wir doch durch das Band der göttlichen und innigsten Liebe verbunden sein sollten.[24]

Und an Beatrice, deren Stolz und Habsucht in ganz Italien berüchtigt waren, schreibt sie „in dem Verlangen, Euch mit dem Gewand innigster Liebe bekleidet zu sehen, damit Ihr das Mittel und Werkzeug sein könnt, um Euren Gemahl mit Christus, dem süßen Jesus und mit seinem Stellvertreter, dem Christus auf Erden, zu versöhnen. Ich bin sicher, wenn Ihr die Tugend der Liebe besitzt, ist es unmöglich, dass Euer Gatte ihre Wärme nicht zu spüren bekommt.“[25] Aus einem Brief, den Elisabeth von Bayern, die Frau von Bernabos Sohn Marco (Petrarcas Täufling), an Caterina richtete, erfahren wir, dass sie beabsichtigte, persönlich nach Mailand zu kommen. Elisabeth drückt ihre große Enttäuschung darüber aus, dass die Heilige ihre Pläne geändert hat, und empfiehlt ihren Mann und ihre kleine vierjährige Tochter Anna demütig ihren Gebeten.[26]

Mit diesen ersten politischen Briefen trat Caterina in das nationale Leben ihres Landes ein. Die Herren Italiens und die Prälaten der Kirche hatten bereits erfahren, dass ihre Worte eine Macht besaßen, die nicht aus ihr selbst stammte; noch aber waren beide Parteien nicht bereit oder willens, dies für ihre eigenen Zwecke und zu ihrem Vorteil zu nützen.

Sowohl in den Briefen an den Kardinal von Bologna als auch an seinen Mailänder Gegenspieler bezieht sich Caterina auf den Kreuzzug. Von Beginn seines Pontifikates an hatte Gregor die Mächtigen der Christenheit gedrängt, untereinander Frieden zu schließen und ihre Waffen gegen die Türken und Sarazenen zu richten. Insbesondere bat er König Ludwig von Ungarn, als Verfolger der Ungläubigen und Verteidiger des katholischen Glaubens, die große Macht, die der Herr ihm verliehen hatte, „zur Verteidigung seines Volkes, das er durch das Vergießen seines kostbaren Blutes erlöst hat, einzusetzen und so von einem vergänglichen irdischen Reich in ein ewiges überzugehen.“[27] Aber bevor irgendetwas erreicht worden war, brach zwischen Venedig und Genua sowie zwischen Genua und Zypern ein Krieg aus. Bernabo Visconti hielt weiterhin alle kirchlichen Kräfte in Italien gebunden; und auch die Bemühungen des Papstes, Frieden zwischen Frankreich und England zu stiften, waren vergeblich.

Dennoch proklamierte Gregor zu Beginn des Jahres 1373 den Kreuzzug. Wie wir wissen, hatte Birgitta von Anfang an ihre prophetische Stimme gegen dieses Vorhaben erhoben, da es dem Papst lediglich eine Entschuldigung liefern würde, seine weitaus unmittelbareren Pflichten zu vernachlässigen, und den Söldnern eine Gelegenheit, in weit größerem Umfang zu plündern und zu verwüsten, als es innerhalb der Christenheit möglich war. Caterina dagegen war von der päpstlichen Ankündigung begeistert. Sie sah in dem geplanten Kriegszug gleichzeitig die Befreiung des Grabes Christi und die Befreiung Italiens von dieser bewaffneten Pest, die – wie der Adler des Prometheus – sich von seinen Innereien ernährte. Visionen traten ihr vor Augen von Heerscharen von Märtyrern, die ihr Blut für die Befreiung des Heiligen Landes gaben, von Männern, die bisher für Geld gefochten hatten und nun das Zeichen des Kreuzes anlegten, um ihre ungestüme Kraft und Leidenschaft im Kampf für den Glauben einzusetzen. Als wenig später die päpstlichen Aufrufe und Aufforderungen wiederholt wurden und neue Instruktionen aus Avignon in Italien eintrafen, ertönte ihre Stimme sicura, balda e lieta aus der „Stadt der Jungfrau“, wie einst jene von Dante[28] aus dem rötlichen Zeichen des Mars.

Doch am Horizont zeichneten sich bereits jene Wolken ab, die den Plan des Papstes zum Scheitern und sogar Caterinas beredtes Plädoyer zur Wirkungslosigkeit verurteilen sollten. Zu Beginn des folgenden Jahres 1374 rief der Papst Kardinal d’Estaing zurück und ernannte Guilleaume de Noellet, bekannt als Kardinal von Sant‘ Angelo, zu seinem Nachfolger als Legaten in Italien und päpstlichen Statthalter von Bologna. Der neue Legat betrat Bologna am 15. März. „Er zog durch die Toskana, und als er in Florenz ankam, erwiesen ihm die Florentiner große Ehre; aber hier haben wir ihn nicht so empfangen wie die anderen, da dieses Novum, den Kardinal zu wechseln, schon zu häufig war. Möge Gott uns einen gesandt haben, der gut für diese Stadt ist.“[29] Es war eine höchst unglückliche Wahl. Kardinal de Noellet war ein tyrannischer und unfähiger französischer Prälat der üblichen Art, wie Avignon sie delegierte. Er und sein Amtsbruder, der Abt in Perugia, sollten ihre italienischen Untertanen bald zur Verzweiflung treiben.

Es war ein dunkles und unglückseliges Jahr für ganz Italien und besonders für Caterinas Vaterstadt: „In Siena“, schreibt einer der Chronisten am Beginn der Aufzeichnungen dieses Jahres, „herrschten Pest, Krieg und größte Knappheit, sodass ein Scheffel Getreide zwei Goldflorinen wert war.“[30]

Im Frühjahr brach im Umland ein heftiger Kleinkrieg aus. Einer der Salimbeni, Andrea di Niccolò, hatte Perolla, eine Burg in den Sieneser Maremmen nahe Massa, eingenommen und die Tochter des verstorbenen Burgherrn Geri (offenbar selbst ein Verwandter der Salimbeni), dem die Burg rechtmäßig gehörte, von den Zinnen gestürzt. In dieser Festung, in der er sich sicher fühlte, sammelte er Banditen und Verbannte um sich, mordete und plünderte überall in den Maremmen und trieb bis vor die Tore Sienas Erpressungsgeld ein. Mithilfe der Florentiner (denen sie in gleicher Weise Hilfestellung bei der Unterwerfung der Ubaldini im vorausgegangenen Jahr geboten hatten) stellten die Sieneser unter ihrem Senator (dem bereits erwähnten Grafen Lodovico da Mogliano) eine große Armee auf und zwangen am 23. April die Festung zur Aufgabe. Der Senator kehrte mit neunundzwanzig Gefangenen, darunter Messer Andrea Salimbeni selbst, nach Siena zurück. Sechzehn von ihnen wurden hingerichtet, aber der Senator schreckte – entweder aus Freundschaftsgründen oder aus Angst vor den Salimbeni – davor zurück, den Hauptschuldigen zu verurteilen. Daher bewaffnete sich der Pöbel und besetzte den Palast der Signoria, um unter der Drohung, die ganze Stadt aufzuwiegeln, Gerechtigkeit zu fordern. Die eingeschüchterten Verteidiger ließen dem Anführer des Mobs, einem gewissen Noccio di Vanni, von Beruf Sattler, freie Hand zu tun, was ihm zum Vorteil der Republik schien. Noccio führte seine Anhänger sofort zum Palast des Senators, der bei ihrer Ankunft floh, drang ein, setzte sich als Richter auf den Stuhl und verurteilte Andrea unmittelbar zur Exekution. Er wurde sofort enthauptet. Aber als Noccio – etwa einen Monat später – diese Vorgangsweise mit einem von Andreas Gefährten wiederholen wollte, schaltete sich die Regierung ein und entzog ihm die Autorität, die sie ihm auf so seltsame Weise verliehen hatte.

Nur mit Mühe konnten die Tumulte in der Stadt beigelegt werden. Doch die Salimbeni, wütend über den Affront gegen ihren Clan, griffen im Umland von Siena zu den Waffen. Niccolò di Niccolò Salimbeni nahm Montemassi ein, Cione di Sandro Salimbeni plünderte den Bezirk von Montepulciano, Agnolino di Giovanni Salimbeni, nominell das Haupt der Familie, verwüstete die Hügel und Täler rund um Montalcino, während andere aus der Familie mit ihren Anhängern irgendwo anders im Hinterland Krieg führten und den Streitkräften der Republik trotzten. Aus Perugia sandte der Abt von Marmoutier Unterhändler mit einem Vermittlungsangebot zu beiden Parteien, wurde jedoch (mit gutem Grund) verdächtigt, ein geheimes Einverständnis mit den Salimbeni zu haben. Ein eher allgemeines Friedensangebot der Florentiner wurde von den letzteren zurückgewiesen, die nichts von Verhandlungen wissen wollten, solange das Blut ihrer Verwandten nicht gerächt war. In Siena selbst favorisierte eine Fraktion der Dodicini insgeheim die Rebellen. Die Signoria setzte eine zehnköpfige Obrigkeit ein, um den Krieg fortzuführen, ließ fünfundzwanzig der Dodicini inhaftieren, erpresste von ihnen eine beachtliche Summe Geldes in Form von Bußgeldern und bat Florenz und Lucca um Hilfe, die auch umgehend mit Ross und Mann gewährt wurde.

Es war zu dieser Zeit, dass Caterina zum ersten Mal das Gebiet ihrer Heimatstadt verließ. Der Ordensgeneral Fra Elias von Toulouse lud sie, bewegt von den widersprüchlichen Berichten, die ihm zu Ohren gekommen waren, zum Generalkapitel ein, das im Mai in Florenz tagte. „Nach Florenz kam“, schreibt ein anonymer Florentiner Zeitgenosse, „im Monat Mai 1374, als das Kapitel der Predigerbrüder zusammentrat, auf Befehl des Ordensoberen, eine, die den Habit der Schwestern der Buße des heiligen Dominikus trug und Caterina di Jacomo di Benincasa von Siena genannt wurde. Sie war siebenundzwanzig Jahre alt, und wir hielten sie für eine besondere Dienerin Gottes. Mit ihr kamen noch drei andere Frauen, die mit demselben Habit bekleidet waren und sie begleiteten. Als ich von ihrem Ruf hörte, gelang es mir, sie zu treffen und ihre Freundschaft zu gewinnen, so dass sie oftmals hier in mein Haus kam.“[31] Wir haben keinen Hinweis auf die Identität des Schreibers noch irgendeinen anderen Bericht über diesen ersten Besuch Caterinas in der großen Stadt, mit deren politischen Turbulenzen sie bald in Berührung kommen sollte. Vermutlich machte sie bei dieser Gelegenheit die Bekanntschaft verschiedener Florentiner Bürger aller Stände innerhalb des Staates, insbesondere von Messer Angelo Ricasoli, der Kardinal Piero Corsini als Bischof gefolgt war, und von Niccolò Soderini, einem vermögenden und einflussreichen Mann mit tiefreligiöser Gesinnung, der zu den „popolani grassi“[32] gehörte und ein führender Kopf in der Parte Guelfa war. Am 29. Juni verließ Caterina Florenz und kehrte in das Haus ihrer Mutter nach Siena zurück, wo die Pest wütete und sich die Schrecken des Jahres 1348 in der Stadt teilweise wiederholten.

Diese schreckliche Geißel war im Mai aufgetreten und wütete den ganzen Sommer bis zum September in der Toskana, um sich dann von dort nach Nord- und Zentralitalien und sogar über die Alpen hin auszuweiten. Obwohl alle Altersstufen und Bevölkerungsschichten betroffen waren, war die Sterblichkeit unter den Kindern besonders schlimm. Es herrschte ein furchtbarer Mangel an allem – Brot, Wein, Fleisch und Öl hatten unerhörte Preise. In den großen toskanischen Städten sammelten die Regierungen alle Zutaten, die zu Brot verarbeitet werden konnten, und verteilten sie sparsam gegen Bezugsscheine. Aber selbst so gab es nicht genug, um durchzukommen. In Siena handelte das Hospital von S. Maria della Scala entsprechend seiner großen Tradition und stellte alle Ressourcen in den Dienst an den Armen. Es wurde von der Casa della Misericordia und den Disciplinati Unserer Lieben Frau heldenhaft unterstützt. Die Totenkarren zogen von Straße zu Straße, um die Toten aufzulesen. Die Priester, die die Sterbenden betreuten und die Opfer begruben, teilten in vielen Fällen ihr Schicksal. Die Pest war bereits in Florenz, als Caterina noch dort war, und dauerte von März bis Oktober. Aber die Verwüstung war nicht so schlimm wie in Siena. Von einer Bevölkerung von 60.000 starben etwa 7.000 Florentiner; obwohl wir keine exakten Zahlen kennen, war die Sterblichkeit in Siena offenbar wesentlich höher.[33]

Zwei von Caterinas Brüdern, Bartolommeo, der sie von Florenz zurückbegleitet hatte, und Stefano, der nach Rom gereist war, ihre Schwester Lisa und acht ihrer Neffen und Nichten, Lapas Enkelkinder, starben. Caterina bereitete die Leichen eigenhändig für das Begräbnis vor und sprach über jede einzelne: „Wenigstens diese(n) werde ich nicht verlieren.“ Mit ihren Gefährten zog sie durch die Straßen der Stadt, suchte die am stärksten verseuchten Viertel auf, betrat die Häuser und die Spitäler, versorgte die Kranken, tröstete und bekehrte die Sterbenden und bahrte die Toten auf – von denen sie viele mit eigenen Händen begraben haben soll. Nicht wenige – darunter der Einsiedler Fra Santi und der fromme Rektor der Casa della Misericordia, Messer Matteo Cenni – gewannen durch ihren Dienst solche Kraft, dass sie – auf ihr Wort hin geheilt – aufstanden und ihr folgten, um den anderen zu helfen.

Der bedeutendste unter ihren Mitarbeitern war der vornehme und heilige Dominikaner, der jetzt ihr spiritueller Leiter und später ihr Biograf wurde: Fra Raimondo delle Vigne da Capua, den sie in ihrem letzten Brief als „Vater und Sohn, den mir die liebe Mutter Maria geschenkt hat“, bezeichnete. Raimondo war ein Mann von adeliger Geburt und großer Bildung (zu seinen Vorfahren gehörte der unglückselige Piero delle Vigne, der Kanzler Kaiser Friedrichs II., dessen Ruf Dante in einem berühmten Gesang des Inferno so vornehm gewürdigt hatte), war in seiner Jugend auf geheimnisvolle Weise – die er vage als „Wunder“ bezeichnet – in den Dominikanerorden berufen worden und hatte sich schnell zu einer gewichtigen Persönlichkeit unter den Mitbrüdern entwickelt. Er war 1367 Prior der Minerva-Kirche in Rom gewesen und wurde kurz darauf zum Leiter des Konvents der Dominikanerinnen von Santa Agnese in Montepulciano ernannt[34], wo er zwei Jahre verbrachte und auf Bitten der Nonnen eine Vita ihrer seligen Patronin verfasste, die immer noch in den Acta Sanctorum zu ihrem Festtag aufscheint. Anschließend wurde er als Lektor oder Professor der Theologie nach San Domenico in Siena gesandt und nahm sich dort (obwohl er einige Zeit lang nichts Wunderbares in ihr sah und ihren Offenbarungen nicht viel Glauben schenkte) sofort Caterinas Fall an. Er bestand darauf, dass sie nicht daran gehindert werden dürfe, so oft zu kommunizieren, wie sie wolle.[35] Sie fühlte, dass sie ihm wie keinem anderen Mann ihr Herz öffnen konnte und mit der freundlichen und demütigen Erlaubnis von Fra Tommaso übernahm er nun dessen Rolle als ihr hauptsächlicher Beichtvater und geistlicher Leiter.

„In der Überzeugung“, so schreibt er, „dass Christus weit mächtiger ist als Galen und die Gnade stärker als die Natur“, führte Raimondo eine ergebene Gruppe von Mönchen in das schlimmste Wüten der Pest, um ihr Leben für ihr Volk zu opfern, wenn es Gottes Wille wäre. Tag und Nacht konnte man ihn in den Spitälern sehen oder zu Besuch in den verseuchten Häusern der Befallenen, denen er das Aller­heiligste Sakrament spendete, ihre letzten Beichten abnahm und die Riten für die Verstorbenen vollzog. Er und Fra Bartolommeo waren unter jenen, die sich ansteckten und glaubten, dass Caterinas wunderbares Dazwischentreten sie vom Totenbett hatte aufstehen lassen. Aber alle drei Söhne ihrer Gefährtin Cecca Gori, die bei den Dominikanern eingetretenen waren, starben.

Viele Priester und Ordensleute hatten die Stadt verlassen, ebenso wie jene Laien, die eine sicherere Zuflucht finden konnten. Fra Filippo erzählt die Geschichte von einem dieser letzteren, einem Mann, den er kannte, einem großen Wucherer und Unterdrücker der Armen, der beim ersten Herannahen der Pest alles, was er besaß, in Bargeld umsetzte und nach Massa floh, wo er abwartete, bis er hörte, dass sie abgeklungen sei. Dann kehrte er in die Stadt zurück, trank und lachte mit seinen Freunden und prahlte, er habe Gott überlistet: „Und als er die Augen zum Himmel erhob, schrie er mit sich überschlagender Stimme: Du meintest mich zu fangen, Gott im Himmel, aber du hast mich nicht erwischt! Aber kaum hatte er diese Worte gesprochen, als er leiser hinzusetzte: Weh‘ mir, du hast mich tatsächlich erwischt, denn ich fühle die Schwellung.“ Und er ging geradewegs nach Hause und starb.[36]

Ein neues Mitglied in Caterinas mystischer Truppe war zu dieser Zeit ein junger Novize von San Domenico, Fra Simone da Cortona. Nach seinen eigenen Angaben war er ein melancholischer und sensibler junger Mann, der von Schüchternheit, Unsicherheit und religiösen Skrupeln geplagt wurde. Während die anderen jungen Mönche des Konvents aus Furcht vor Ansteckung den Umgang mit den Vätern, Raimondo, Tommaso Caffarini und Bartolommeo, die die Kranken besuchten, scheuten, suchte Simone eifrig ihre Gesellschaft und schloss sich ihrem Dienst an. Und sie brachten ihn, „wie um mich für meine Mühe zu entschädigen“, zu Caterina, „was für mich in der Tat eine herrliche Belohnung war.“ „O wie glücklich war ich, sie zu sehen, und wie eifrig hörte ich ihre glühenden Worte! Wahrhaftig, um ihretwillen hat sich alle Mühe für mich in Erholung verwandelt.“ Nur einmal, als sie bei ihr zu Besuch waren, vergaßen ihn die anderen Mitbrüder und ließen ihn draußen stehen. Caterina rief nach ihm und er, beschämt und verlegen, wollte nicht hineingehen. Danach, als sie gegangen waren, sagte Caterina zu ihren Gefährtinnen: „Mein Sohn ist betrübt weggegangen, weil er nicht mit mir sprechen konnte, aber ich werde ihn noch heute Nacht besuchen.“ Er ging ärgerlich und unglücklich zu Bett. Aber sie erschien ihm in einem Traum und schenkte ihm süßen Trost. Als er später Fra Bartolommeo begleitete, der in Asciano auf Volksmission war, erinnerte sich Caterina, die befürchtete, dass der junge Mann sich wieder vernachlässigt fühlen könnte, in den Nachbemerkungen der Briefe, die sie an den älteren Mönch richtete, immer an ihn und entschuldigte sich dafür, dass sie nicht die Zeit fand, ihm persönlich zu schreiben. „Sagt Frate Simone, meinem Sohn in Jesus Christus, dass der Sohn niemals Angst davor hat, zu seiner Mutter zu gehen. Nein, er läuft zu ihr, besonders dann, wenn er sich unnütz fühlt. Und seine Mutter nimmt ihn in ihre Arme und drückt ihn an ihre Brust und tröstet ihn. Und wenn ich auch eine schlechte Mutter bin, so will ich ihn dennoch stets liebend an meinem Herzen tragen.“[37]

Von ihren Mühen erschöpft, wurde Caterina am Fest Maria Himmelfahrt des Jahres 1374 gefährlich krank und betete voll Freude um den Tod, bis sie durch eine Vision der heiligen Jungfrau wiederhergestellt wurde, die ihr all die Seelen zeigte, die sie, wenn ihr Leben verlängert würde, noch zum ewigen Leben führen könne.[38] Da ihr, wie sie glaubte, offenbart worden war, dass sie im Paradies eine auserwählte Gefährtin der Agnes von Montepulciano sein würde, fühlte sie ein starkes Verlangen, ihren Schrein in dieser Stadt zu besuchen. Dorthin begab sie sich nun nach ihrer Genesung, gefolgt von Fra Raimondo und einem anderen Beichtvater; und in Girolamo del Pacchias Meisterwerk ist noch die Szene erhalten, wie sich Caterina über Agnes‘ unverwesten Leichnam beugte, um ihre Füße zu küssen, und wie sich einer von ihnen ihr entgegen hob, um von ihren Lippen berührt zu werden. Der Maler hat dies mit einer ähnlichen Episode verquickt, die sich etwas später zugetragen haben soll, als Caterina in Begleitung ihrer Schwägerin Lisa (die nach dem Tod ihres Gatten nach Siena zurückgekehrt war und den Habit der Mantellate genommen hatte) wieder nach Montepulciano kam, um die beiden Töchter der Letzteren im Konvent unterzubringen. Während sie ihr Gesicht auf das Seidentuch legte, das über das tote Gesicht von Agnes gebreitet war, „sahen Lisa und die anderen, als sie ihre Augen erhoben, ein ganz weißes und winziges Manna, das wie Regen in so großer Menge von oben herabkam, dass es den Leichnam von Agnes und die Jungfrau Caterina und auch alle anderen, die anwesend waren, derart bedeckte, dass Lisa ihre Hände mit den kleinen Körnern füllen konnte.“[39]

Während ihres ersten Aufenthaltes in Montepulciano wurden Fra Raimondos letzte Zweifel am göttlichen Ursprung von Caterinas Wirken und Offenbarungen zerstreut, die sein Inneres bis dahin im Ungewissen gelassen hatten: „Denn ich erinnerte mich, dass jetzt die Zeit des dritten Tieres mit dem Leopardenfell gekommen war, das die Heuchelei bezeichnet, und in meinen Tagen war ich Heuchlern begegnet, vor allem unter den Frauen, die leichter und bereitwilliger vom Feind verführt werden, wie der Fall unserer Urmutter zeigt.“ Auf Caterinas Fürsprache hin erlangte er eine so klare geistige Erkenntnis seiner eigenen Sünden und eine so überwältigende Reue, dass er überzeugt war, dies könne durch nichts anderes geschehen sein als durch die Gnade des Heiligen Geistes. Wenig später, als er neuerlich an der Wahrheit dessen zweifelte, was sie ihm offenbarte, sah er ihr Gesicht in das Antlitz Jesu verwandelt und erfuhr eine wunderbare Erleuchtung des Geistes in Bezug auf die Sache, von der sie sprach.[40] Dennoch war der gute Vater, der ebenso wie Dante „beschwert mit Adams Banden“[41] war, nicht immer in der Lage, ihren geistigen Höhenflügen zu folgen, und er gesteht das auch mit einigem Humor. Bei einer Gelegenheit, als sie sehr ausführlich über die göttlichen Geheimnisse sprach, schlief er ein: „Sie aber, die – während sie so sprach – ganz in Gott versunken war, setzte ihren Vortrag noch längere Zeit fort, ehe sie merkte, dass ich schlief. Schließlich bemerkte sie es und weckte mich, indem sie mit lauter Stimme sagte: ‚Ach, warum opfert Ihr das Heil Eurer Seele dem Schlaf? Rede ich denn über Gott für die Wände oder für Euch?‘“

Montepulciano lag in der Nähe der Lehnsgebiete der rebellischen Salimbeni, aber es ist wahrscheinlicher, dass die Beziehungen Caterinas zu dieser Familie zu einem späteren Abschnitt ihres Lebens gehören. Auch glaube ich nicht, dass ihre Vermittlung in den lokalen Fehden und Streitigkeiten dieser Periode zugerechnet werden sollte. Sie scheint während des größten Teils ihres Besuchs im Kloster Santa Agnese an Fieber gelitten zu haben und kehrte vermutlich so bald wie möglich nach Siena zurück.

Ungeachtet der Pest hatte sich der Krieg zwischen der Republik und den Salimbeni fortgesetzt. Im Oktober besiegten Letztere bei einem plötzlichen Ausfall aus ihrer belagerten Festung Boccheggiano die sienesischen Streitkräfte vollständig, obwohl sie zahlenmäßig beinahe drei zu eins unterlegen waren, nahmen ihren Anführer gefangen und erbeuteten die gesamten Kriegsgeräte. Die Regierung antwortete mit der Ausweisung aller Mitglieder der Familie aus Siena, erklärte sie zu Rebellen und ordnete an, dass ihre Paläste und Häuser abgerissen werden sollten. Im darauffolgenden März 1375 intervenierten die Florentiner und sandten Buonaccorso di Lapo Giovanni, Leonardo Strozzi und Carlo Strozzi als Botschafter, um Frieden zu stiften. Die drei kamen zunächst nach Siena und zogen dann weiter, um mit den Salimbeni in Val d’Orcia zu verhandeln. Ende April wurde unter Trompetenstößen in ganz Siena und in den Ländereien der Salimbeni verkündet, dass die Angelegenheit insgesamt der Entscheidung der Prioren der Kommune von Florenz übertragen worden war.

Die Vertreter beider Parteien waren in Florenz mit den abschließenden Verhandlungen beschäftigt, als die Nachricht von einem folgenschweren Friedensschluss, der in Norditalien erzielt worden war, die Toskana erreichte. Am 7. Juni traf ein Kurier in Pisa ein, der einen Olivenzweig von Kardinal de Noellet mit der Nachricht überbrachte, dass er in Bologna einen einjährigen Waffenstillstand zwischen dem Heiligen Stuhl und Bernabo Visconti ausgehandelt habe. Vier Tage später wurden der symbolische Olivenzweig und die offizielle Kundmachung des Waffenstillstands nach Siena gebracht. In beiden Städten wurde die Nachricht mit großer Sorge und Befürchtung aufgenommen. Die Leute hegten Zweifel an den Absichten und am guten Glauben des päpstlichen Legaten. Bedrohliche Gerüchte verbreiteten sich über Bewegungen von Hawkwoods Söldnern, die die Kirche aus ihrem Dienst entlassen hatte und die sich den Grenzen der Toskana näherten. „Aus diesem Waffenstillstand“, schreibt der Chronist von Pisa, „entstand ein so großes Übel, dass fast die ganze Welt in einen Krieg verwickelt wurde.“



[1] Cronica Sanese, S. 228. Vgl. Legenda, II. vii. 17 (§ 235).

[2] Revelationes, IV. 139, 140.

[3] Ibid., IV. 140. Vgl. Comtesse de Flavigny, Sainte Brigitte de Suède, S. 397– 402.

[4] Vgl. Comtesse de Flavigny, op. cit. S. 411– 415. Johannas dritter Ehemann, Jaime von Mallorca, starb im Jahr 1375. Cronicon Siculum (herausgegeben von J. de Blasiis), S. 28.

[5] Revelationes, VII. 11.

[6] Revelationes, IV. 141, 142.

[7] Ibid., IV. 143.

[8] Cronica di Bologna, S. 491, 492

[9] Legato nel legame della carità sì come sete fatto Legato – gebunden durch das Band der Liebe, so wie Ihr zum Legaten ernannt worden seid.

[10] Brief 7 (23). Das Palatino MS. 56 besagt, dass dieser Brief an den Kardinal in Corneto geschickt worden sei, „essendo nuovamente fatto ine legato“. Leser des Infernos werden sich daran erinnern, dass es dieser Legat war – „vir magnae virtutis et scientiae“ –, der auf Betreiben von Benvenuto da Imola den ernsthaften, aber erfolglosen Versuch unternahm, das widernatürliche Laster an der Universität von Bologna auszurotten. Vgl. Benvenuto, Comentum, I. S. 523, 524 (wo wir anstelle der Jahreszahl 1375 vermutlich 1373 annehmen sollten).

[11] Das heißt, der Krieg zwischen Bernabo Visconti und dem Heiligen Stuhl. Caterina bezeichnet ihn in ihrem Brief an Bernabo persönlich in der gleichen Weise als „Rebellion gegen die heilige Kirche“.

[12] Brief 11 (24). Vgl. Petrarcas Canzone, Italia mia: „I’ vo gridando: Pace, pace, pace.”

[13] Vgl. Pellini, I. S. 1111, 1112; Anhang zu Graziani, S. 217–219; Montemarte, I. S. 41; Chronicon Regiense (Rer. It. Script., xviii.), S. 85.

[14] [Der vollständige Satz lautet in seiner Weiterführung: „Egli è bisogno che, a raconciare, al tutto si guasti infino a le fondamenta. E questo è l guastare chio voglio che voi intendate, e none in altro modo.“ D.h. „Es ist notwendig, dass sie bis auf die Grundmauern niedergerissen wird, damit sie in allem erneuert und in Schönheit umgestaltet werden kann. So, und nicht anders, müsst ihr den Abriss verstehen, den Ich will und von dem Ich zu euch gesprochen habe.“ – Da es die einzige Stelle ist, wo Caterina von einem Abbrechen und Erneuern „bis zu den Fundamenten“ spricht, ist es schwer zu sagen, was sie damit wirklich gemeint hat].

[15] Brief 109 (41). [Dupré-Theseider vermutet, dass es sich bei dem Adressaten dieses Briefes nicht um Gérard du Puy, sondern um Abt Bérenger von Lézat handelt, den der Papst mehrmals als Botschafter nach Italien ent­sandte. Vgl. Eugenio Dupré Theseider, Epistolario di Santa Caterina da Siena, Roma 1940, LI, 194–201. Dieser Ansicht haben sich inzwischen auch die nachfolgenden Herausgeber der Briefe angeschlossen].

[16] Cronica Sanese, S. 238.

[17] Ibid., S. 235, 236; O. Malavolti, S. 141.

[18] Briefe 59 (47), 3 (43), 31 (333).

[19] Contestatio Francisci de Malavoltis, Kap. iii., MS. cit., S. 440; [Prozess, S. 576–577].

[20] Contestatio Petri quondam Johannis Venture de Senis, MS. cit., S. 482; [Prozess, S. 623].

[21] Brief 47 (235).

[22] Cronica di Bologna, S. 496.

[23] Cronica Sanese, S. 238, 239.

[24] Brief 28 (191). In der Bulle des Papstes gegen Bernabo und Galeazzo, die mit 7. Jänner 1373 datiert ist (Raynaldus, vii. S. 235–237), wird ersterer beschuldigt, gewisse Priester mit erschreckender Grausamkeit zu Tode gefoltert zu haben. Offensichtlich bezieht sich Caterina auf diese Angelegenheit, und das Datum der päpstlichen Bulle scheint zusammen mit der nachweislichen Anwesenheit des Gesandten Bernabos in Siena den Anlass für ihr Schreiben zu bilden.

[25] Brief 29 (319).

[26] Lettere dei discepoli di S. Caterina, 2.

[27] Raynaldus, vii. S. 201, 202, 203.

[28] [Vgl. Dante, Par. xv. 67: La voce tua sicura, balda e lieta / suoni la volontà, suoni il disìo – Erklinge sicher, kühn, voll Freudigkeit / die Stimm‘ in deinem Willen, deinem Sehnen].

[29] Cronica di Bologna, S. 495.

[30] Annali di Siena dal 1300 al 1400. Biblioteca Comunale di Siena, MS. A.iv. 1., S. 18.

[31] Miracoli e transito di Santa Caterina, Biblioteca Riccardiana, MS. 1267, S. 190. Dieses kleine Werk wurde 1862 von Grottanelli unter dem Titel Alcuni miracoli di Santa Caterina da Siena, secondo che sono narrati da un Anonimo, suo contemporaneo – Einige Wunder der heiligen Caterina von Siena, wie sie von einem anonymen Zeitgenossen erzählt werden, gedruckt. Vgl. Augusta Drane, I. S. 216–218.

[32] So wurde die Gruppe der reichen Kaufleute bezeichnet.

[33] Marchionne di Coppo Stefani, Istoria Fiorentina, Lib. IX. rubr. 745, der die Sterblichkeitsziffern von Florenz angibt, berichtet, dass Florenz im Vergleich zu seiner Einwohnerzahl weniger stark betroffen war als jede andere Stadt der Toskana und dass anderswo ein Drittel der Bevölkerung starb.

[34] Um jede Möglichkeit der Häresie oder des Skandals zu vermeiden, war es Praxis des Ordens, nur Ordensbrüder mit gefestigtem Ruf und ebensolcher Lehre in diese Ämter zu berufen.

[35] Legenda, II. xii. 8 (§ 314). Es war offenbar am Fest des heiligen Johannes des Täufers, als er als Diakon beim Hochamt in San Domenico in Siena mitwirkte, dass Caterina Raimondo zum ersten Mal sah. Vgl. Augusta Drane, I. S. 224, und Tantucci, S. 122. Dies muss im Jahr zuvor gewesen sein, wenn der Verfasser der Miracoli mit seiner Angabe Recht hat, dass Caterina im Jahr 1374 bis zum 29. Juni in Florenz war.

[36] Assempro 57, Come un uomo diceva che Dio non l’aveva gionto – Wie ein Mann erzählte, dass Gott ihn nicht überzeugt habe.

[37] Contestatio Fr. Simonis, MS. cit., S. 511–516; [Prozess, S. 682]; Brief 105 (113). Vgl. Dante, Par. xxii. 1– 9.

[38] So der Verfasser der Miracoli, zitiert von Augusta Drane, I. S. 237.

[39] Legenda, II. xii. 17–19 (§§ 327, 328). Vgl. Raimondo, Vita S. Agnetis de Monte Politiano (Acta Sanctorum, Aprilis Bd. ii.), S. 793, 794.

[40] Legenda, I. ix. 6, 7 (§§ 87–91). Vgl. Par. xxvii. 105, wo Dante von Beatrice sagt, „che Dio parea nel suo volto gioire – dass Gott in ihrem Blick zu lächeln schien“.

[41] [Vgl. Dante, Purg. ix, 10: „quand‘io, che meco avea di quel d’Adamo“].