Edmund G. Gardner
Die hl. Caterina von Siena
Eine Studie über Religion, Literatur und Geschichte
des 14. Jahrhunderts in Italien
11. Kapitel
Caterinas letzte Gesandtschaft nach Florenz
Trotz des Abbruchs der Verhandlungen im Oktober und der Verletzung des Interdikts in Florenz hatte keine Partei die Hoffnung auf einen Kompromiss völlig aufgegeben. Die finanzielle Lage der Florentiner war kaum besser als die der Kirche, und ihre Einigkeit war mehr zur Schau gestellt als echt. Bevor Fra Raimondo die Toskana verließ, war Niccolò Soderini nach Siena gekommen und hatte ihm versichert, dass die Mehrheit der Florentiner ernsthaft den Frieden wünschte, aber durch das Vorgehen einer Minderheit, die die Regierung stellte, daran gehindert wurde. Das Mittel, das er dagegen empfahl, war, dass die gläubigen Bürger gemeinsame Sache mit den Führern der Parte Guelfa machen und diese wenigen als Feinde des öffentlichen Wohls ihrer Ämter entheben sollten, wobei die „Abmahnung“ von vier oder sechs solcher Personen seiner Meinung nach ausreichend sei.[1] Der Ordensmann wiederholte dieses Gespräch gegenüber dem Papst, jedoch ohne unmittelbares Ergebnis.
Zeitgleich mit der Rückkehr des Papstes von Anagni nach Rom kam der Augustiner-Eremit Johannes von Basel nach Florenz. Trotz der zuvor getroffenen Entscheidung, nicht über einen Frieden zu diskutieren, solange Gregor nicht alle seine Prozesse rückgängig gemacht hätte, wurde ihm gestattet, sich mit den Acht zu beraten, denen er vorschlug, dass die Florentiner Piombino, Viterbo oder Pisa als Ort für einen allgemeinen Kongress wählen sollten.[2]
Die verzweifelte Situation des Papstes zu dieser Zeit kommt in einem Bericht an seinen Nuntius in Neapel sehr anschaulich zum Ausdruck. Weder Zunge noch Feder, so schreibt er, könne seine drängenden Nöte angemessen ausdrücken: In den Provinzen herrsche Anarchie, die Söldner fordern lautstark ihren Sold, er sei innerlich mehr leidend als man passenderweise in Worten ausdrücken könne, und Königin Johanna selbst scheine die Feinde der Kirche zu begünstigen.[3] Sein Rat war durch den Verlust des loyalen und energischen Kardinals Pierre d’Estaing, der im November verstarb, weiter geschwächt worden.
Zu Beginn des neuen Jahres 1378 setzte Gregor den extremen Schritt, an Bernabo Visconti zu appellieren, und sandte den Bischof von Urbino, um den Florentinern ihren eigenen Verbündeten als Vermittler vorzuschlagen. Gleichzeitig beschloss er, die Parte Guelfa mit Hilfe von Caterina auf seine Seite zu ziehen. „Man hat mir geschrieben“, sagte er zu Fra Raimondo, „dass ich Frieden haben werde, wenn Caterina von Siena nach Florenz geht,“ worauf dieser erwiderte, dass sie alle bereit wären, im Gehorsam für Seine Heiligkeit auch das Martyrium zu erleiden. „Ich wünsche nicht, dass Ihr geht“, antwortete der Papst, „denn Euch würden sie misshandeln. Aber ich glaube nicht, dass sie Caterina etwas antun werden, denn sie ist eine Frau, und sie halten sie in Ehren.“[4] Auf Geheiß des Papstes setzte Raimondo umgehend die erforderlichen Bullen und Empfehlungsschreiben auf und sandte sie an Caterina, die „wie eine vollkommen gehorsame Tochter“ sofort nach Florenz aufbrach.
Das genaue Datum ist ungewiss, doch spätestens Anfang März 1378 befand sich Caterina nun zum dritten Mal innerhalb der Mauern von Florenz. Es ist klar, dass sich ihre Mission im Auftrag des Papstes weniger an die Kommune oder an das Volk insgesamt, sondern eher an die Parte Guelfa richtete. Nach dem Hinweis, den Niccolò Soderini Fra Raimondo gegeben hatte, sollte sie ihren moralischen Einfluss zur Unterstützung der von Führern der Partei beschlossen Maßnahmen nutzen, um zu verhindern, dass die extremen Vertreter der gegnerischen Seite die bereits begonnenen Friedensverhandlungen unterbrechen, und um sicherzustellen, dass die Republik dieses Mal den Frieden nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten anstrebte. Um kein Aufsehen zu erregen und keine antiklerikalen Gefühle zu wecken, begleitete sie keiner ihrer Ordensbrüder oder Priester, mit Ausnahme von Fra Santi. Neben Lisa und Giovanna di Capo scheinen Neri und Stefano ihre einzigen Begleiter gewesen zu sein. Als Stefano im April oder Mai aus Gehorsam gegenüber seinen Eltern nach Siena zurückkehren musste, wurde sein Platz von Cristofano Guidini eingenommen.[5]
Es handelt sich um eine der wenigen Episoden in Caterinas Leben, für die wir externe zeitgenössische (und ausnahmsweise sogar gegnerische) Belege haben: „In diesem Jahr“, schreibt Marchionne Stefani unter dem Jahr 1377 (die Florentiner begannen ihr neues Jahr am 25. März), „geschah es, dass in Florenz eine Frau auftrat, die Caterina hieß, die Tochter von Jacopo Benincasa. Da sie für äußerst heilig, rein, gut und keusch gehalten wurde, begann sie, die Gegner der Kirche zu tadeln. Die Führer der Partei hießen sie freudig willkommen, und unter den bedeutendsten Köpfen in dieser Angelegenheit waren Niccolò Soderini, der ihr in seinem Haus ein Zimmer zur Verfügung gestellt hatte, in dem sie sich zuweilen aufhielt, Stoldo di Messer Bindo Altoviti und Piero Canigiani. Das waren jene, die sie in höchsten Tönen lobten. Und es ist wahr, dass sie sich in kirchlichen Angelegenheiten auskannte, sowohl durch ihre angeborene Begabung als auch durch das, was sie sich angeeignet hatte, und sie sprach und schrieb sehr gut. Auch Piero Canigiani ließ am Fuße von San Giorgio für sie eine Wohnung errichten und sammelte von allen Anhängern seiner Partei, Männern und Frauen, Geld, um Steine und Holz zu kaufen und sie dorthin zu bringen. Entweder böswillig aus eigenem Antrieb oder von diesen Männern dazu veranlasst, kam sie mehrmals zu den Treffen der Partei, um dort zu erklären, dass es rechtens sei, die Ammonitio[6] anzuwenden, damit sie Maßnahmen zur Beendigung des Krieges ergreifen könnte. Die Anhänger der Partei hielten sie daher für eine Prophetin, die anderen für eine Heuchlerin und ein böses Weib. Viele Dinge wurden über gesagt, von den einen aus Bosheit und von anderen, weil sie glaubten, weise zu sein, wenn sie schlecht von ihr redeten.“[7]
Sobald Caterina angekommen war, begann sie den führenden Bürgern mit Nachdruck die Notwendigkeit klarzumachen, mit dem Papst Frieden zu schließen. Niccolò Soderini brachte sie zu einer Unterredung mit den Vertretern der Parte Guelfa, denen sie erklärte, dass es absolut rechtens sei, diejenigen, die den Krieg zu verlängern suchten, ihrer Ämter zu entheben, da solche Männer keine Herrscher, sondern Zerstörer der Stadt seien. Zu den führenden Männern der Partei, die vom 20. März bis 20. Mai dieses Jahres im Amt waren, gehörten Stoldo Altoviti, Ristoro Canigiani, Tommaso Soderini, Alessandro Buondelmonti und Benedetto Peruzzi. Sie erklärten sich bereit, jeden nur möglichen Druck auf die Signoria auszuüben, damit diese sich für den Frieden einsetzt, „nicht nur mit Worten, sondern mit Taten.“ Leider bedurfte es keines Anstoßes von ihrer Seite, um Bürger zu „ermahnen“, die sie als störend empfanden. Man hatte sich bereits beschwert, dass es in Florenz weniger gefährlich sei, Gott zu lästern als die Führer der Partei. Die gewalttätigeren unter ihren Anhängern nutzten daraufhin die erstbeste Gelegenheit, um ihren jeweiligen privaten Feind als Ghibellinen zu verwarnen, „selbst dann, wenn er mehr Guelfe gewesen wäre als Karl der Große.“[8]
Unter den Florentinern, die zu dieser Zeit Caterinas Schüler wurden, verdienen zwei besondere Beachtung: Barduccio di Piero Canigiani und Giannozzo di Benci Sacchetti. Barduccio, den wir bereits als einen der „angenommenen Söhne“ von Giovanni dalle Celle erwähnt haben, war ein schwindsüchtiger Jüngling, der nun mit Leib und Seele an Caterina hing, sich ihrer geistlichen Familie als einer ihrer Sekretäre anschloss und sie nie wieder verließ. „Er war jung an Jahren“, schreibt Fra Raimondo, „aber erfahren im Leben; geboren in der Stadt der Blumen, aber geschmückt mit allen Blüten der Tugend. Die heilige Jungfrau liebte ihn, wie mir schien, noch zärtlicher als die anderen, und ich glaube, dass sie das um der besonderen Reinheit seines Charakters willen tat.“[9] Giannozzo, der Bruder Franco Sacchettis, war ein bekehrter Verschwender und Taugenichts, ein Dichter von nicht geringem Rang in seiner Volkssprache, dessen laudi vom Volk während der Prozessionen gesungen wurden, solange es durch das päpstliche Interdikt des Messopfers beraubt war. Eine dieser Dichtungen, O divina carità, liest sich, als wäre einer von Caterinas Briefen in Verse übertragen worden. Eine andere, die mit den Worten Maria dolce che fai beginnt und häufig anderen zugeschrieben wurde, ist auf ihre Art ein Klassiker.[10] Er gehörte zu jenen jungen Männern, die sich zu Beginn des Interdikts den Bruderschaften in Fiesole angeschlossen hatten; und obwohl Marchionne Stefani ihn (im Lichte der späteren Ereignisse) als „einen Mann von übler Sorte und einen Heuchler“ bezeichnet, kann an der Ernsthaftigkeit seiner Bekehrung kein Zweifel bestehen. Leider fuhr er fort, in den trüben Gewässern der politischen Intrigen zu fischen und gleichzeitig seine politischen Gegner mit dichterischen Schmähschriften anzugreifen; sein späteres Schicksal war eine der vielen Tragödien, die Caterinas Leben betrübten.
In der Zwischenzeit war Sarzana als Ort der Friedenskonferenz unter dem Vorsitz von Bernabo Visconti ausgewählt worden. Der Papst war durch Jean de la Grange, den Benediktiner-Kardinal von Amiens, und durch zwei weitere französische Prälaten der Kurie vertreten. Venedig, Frankreich, Neapel und die Anhänger der Liga sandten Botschafter; Otto von Braunschweig nahm persönlich teil. Die Florentiner Prokuratoren – Pazzino Strozzi, Alessandro dell‘ Antella und Benedetto Alberti, zusammen mit zwei Vertretern der Acht, Andrea Salviati und Simone Peruzzi – waren am 3. März aufgebrochen. Alles schien gut zu gehen. Am 20. März kamen Strozzi, Alessandro dell‘ Antella und Andrea Salviati nach Florenz, um mit der Signoria zu beraten und kehrten am 22. zum Kardinal und Bernabo zurück.[11] Die Delegierten legten bereits die Höhe der Entschädigung fest (weniger als die Hälfte des ursprünglich vom Papst geforderten Betrags) und standen kurz davor, auch hinsichtlich der anderen Bedingungen zu einer Einigung zu kommen.
Doch am Abend des 27. März, zwei Stunden nach Sonnenuntergang, hörte man an der Porta San Frediano ein Klopfen und den Ruf: Öffnet schnell für den Boten des Friedens. Die Wachen schoben die Riegel zurück, sahen aber niemanden. Trotzdem verbreitete sich sofort die Kunde in der ganzen Stadt: Der Olivenzweig ist eingetroffen, der Friede ist geschlossen. Die Menschen liefen aus ihren Häusern und wiederholten die Worte, sie trugen Fackeln und begannen die Stadt zu beleuchten. Die Prioren, die keine diesbezüglichen Nachrichten erhalten hatten, erließen eine Proklamation, in der jedermann aufgefordert wurde, in Ruhe heimzukehren und sein Haus bis zum Morgen nicht mehr zu verlassen. Einige Tage später erreichte die Nachricht Florenz, dass Papst Gregor zu ebendieser Stunde gestorben war.[12] Die Menschen behaupteten, es sei der Engel Gottes gewesen, der gekommen war; aber war es nicht eher der unruhige Geist des Papstes selbst, der eine Versöhnung mit jener Stadt suchte, die er aus dem Schoß der Kirche verbannt hatte?
Zum ersten Mal seit vierundsiebzig Jahren wurde am 8. April wieder ein neuer Papst im Vatikan gewählt. Kuriere ritten in Florenz ein und brachten die Nachricht, dass der römische Kardinal Francesco Tebaldeschi in das Papstamt erhoben worden sei.[13] Bald darauf folgte die offizielle Mitteilung, dass nicht Tebaldeschi, sondern „der Herr Bartolommeo von Bari“ zum Papst gewählt worden war und den Namen Urban VI. angenommen hatte. Was das bedeutete und was geschehen war, werden wir gleich erfahren.
Auf die Nachricht vom Tod Gregors hin verließen die päpstlichen Vertreter Sarzana, und die Friedensverhandlungen waren damit ergebnislos zu Ende gegangen. Im Mai schickten die Florentiner acht Botschafter, zwei aus jedem Viertel der Stadt, um den neuen Papst Urban zu ehren. Vier dieser Gesandten, Donato Barbadori, Alessandro dell‘ Antella, Pazzino Strozzi und Stoldo Altoviti, wurden zusammen mit Filippo Corsini (dem Bruder des Kardinals von Florenz) weiterhin als Prokuratoren der Republik nominiert, um Frieden mit dem Heiligen Stuhl zu schließen.
Gerüchte über seltsame Entwicklungen in Rom und innerhalb des Kardinalskollegiums hatten Caterina zweifellos bereits über Raimund erreicht, der Pedro de Luna als den Hauptverantwortlichen für die Wahl Urbans VI. ansah. Seit dem Tod Pierre d‘ Estaings war der Kardinal von Aragon Caterinas größte Hoffnung unter den bedeutenden Prälaten der Kurie geworden. Ihm schrieb die Heilige jetzt „in dem Wunsch, Euch als Liebhaber jener Wahrheit zu sehen, die uns frei machen wird“, um ihm ein bemitleidenswertes Bild vom geistlichen Zustand der Stadt Florenz im Hinblick auf das gebrochene Interdikt zu geben. Dort „vergessen die Ordensleute und Weltpriester und besonders die Bettelmönche, die von der süßen Braut Christi eingesetzt wurden, um die Wahrheit zu verkünden, ebendiese Wahrheit und leugnen sie von der Kanzel herab. Sie haben nicht nur das Interdikt gebrochen, sondern sie raten anderen, mit gutem Gewissen zu zelebrieren, und den Laien, dem Gottesdienst beizuwohnen, und sie sagen, wer dies nicht tue, begehe eine Sünde. Sie haben das Volk in eine so schlimme Häresie gestürzt, dass es jammervoll ist, daran auch nur zu denken, geschweige denn, es mitanzusehen. Und sie werden durch die sklavische Menschenfurcht und Gefallsucht und aus dem Verlangen nach Zuwendungen (Opfergaben) dazu verleitet, so zu handeln und zu reden.“ „Ich möchte, dass Ihr Euch für die Wahrheit begeistert, mein lieber Vater. Und damit das heilige Vorhaben, das Ihr begonnen habt (als Ihr Euch furchtlos allem aussetztet, weil Ihr wusstet, dass die Braut Christi einen guten und heiligen Hirten braucht), auf Dauer zur Wirkung gelangt, bitte ich Euch, dem Christus auf Erden nahe bleiben und ihm mit dieser Wahrheit ständig in den Ohren zu liegen, damit er seine Braut in der Wahrheit erneuert. Und sagt ihm ganz offen, dass er sie durch gute und heilige Hirten erneuern muss, und zwar tatsächlich und wahrhaftig, nicht nur mit klingenden Worten. Er möge um des gekreuzigten Christus willen mit Strenge und Güte die Laster ausmerzen und die Tugenden einpflanzen, soweit es in seiner Macht steht. Und es möge ihm gefallen, Italien zu versöhnen, damit wir dann als eine schöne Truppe (bella brigata) das Banner des Kreuzes ergreifen und aus Liebe zur Wahrheit uns Gott als Opfer darbringen können.“[14]
Die Verletzung des Interdikts war von Anfang an den religiösen Gefühlen der Mehrheit der Florentiner zuwider gewesen. Nun, da Gregor tot war, überredete Caterina die Signoria, seinen Nachfolger versöhnlich zu stimmen, indem sie ihren Erlass betreffend die zwangsweise Feier der Heiligen Messe zurücknahm. „Mir scheint, dass bereits ein erstes Morgenrot zu sehen ist“, schrieb sie an William Flete, „denn unser Erlöser hat diese Menschen erleuchtet, sodass sie aus dem verkehrten Dunkel der Sünde, die sie durch die erzwungene Feier der Messe begangen haben, befreit sind. Dank der göttlichen Gnade befolgen sie jetzt das Interdikt und beginnen ihrem Vater gehorsam zu sein.“[15] Und zur gleichen Zeit schrieb sie in ähnlichem Sinn an Alessa, die sie nicht nach Florenz begleitet hatte: „Lass in den Klöstern besondere Gebete aufopfern und sage unserer Priorin, sie möge alle ihre Töchter auffordern, besonders um den Frieden zu beten, damit Gott uns gnädig sei und ich nicht ohne ihn zurückkehre. Und betet auch für mich, ihre elende Tochter, dass Gott mir die Gnade verleihen möge, stets die Wahrheit zu lieben und zu verkünden und für diese Wahrheit auch zu sterben.“[16]
In Florenz hingegen verschärften sich die Meinungsverschiedenheiten von Tag zu Tag, und ein völliger Bruch zwischen der Parte Guelfa und der Signoria schien unmittelbar bevorzustehen. Je näher die Aussicht auf Frieden rückte, desto mehr schwand die Macht der Anhänger der Acht, und die Anführer der Parte Guelfa wurden in ihren Abmahnungen immer arroganter und unverschämter. Im Hintergrund – kaum wahrgenommen oder beachtet von einer der beiden Fraktionen – war das unheilvolle Grollen eines bevorstehenden Sturms zu hören: Die Handwerker und Arbeitslosen der untersten Schichten, die Ciompi, tauschten finstere und geheime Schwüre aus und bereiteten einen allgemeinen Aufstand vor, der wenige Wochen später die ganze Stadt erfassen sollte.
Die Parte Guelfa wurde von einer kleinen Gruppe fanatischer und anmaßender Parteigänger dominiert, unter denen Lapo da Castiglionchio, Bettino Ricasoli und Piero degli Albizzi die prominentesten waren. Sie beeinflussten die Wahlen bei jenen Zusammenkünften, bei denen beschlossen wurde, diese oder jene Person „abzumahnen“. Die Schuldsprüche, die die Führer auf ihr Betreiben hin aussprachen, wurden nachts veröffentlicht, „entweder um Aufruhr zu vermeiden oder um die Angst zu schüren, weil sie den Anschein eines geheimen Tribunals erweckten“.[17] Selbst Männer von so hohem Ansehen wie Ristoro Canigiani und Stoldo Altoviti verfolgten dieselbe Politik. Von Beginn an war Caterina dieser Fraktion in die Hände gefallen, die sich traditionell als jene der Kirche verstand, und es ist eindeutig, dass ihre skrupellosesten Mitglieder sie einfach zu einem Werkzeug für ihre privaten Ziele machten, indem sie ihren Namen in ihre Kampagne hineinzogen, um ihre eigenen persönlichen Gegner aus den Ämtern auszuschließen. Niccolò Soderinis gut gemeinter Vorschlag an Fra Raimondo und Caterinas eigene unglückliche Rede vor den Funktionären der Partei trugen in der Tat bittere Früchte. Vergeblich schickte sie Stefano Maconi zu den einzelnen Mitgliedern, um sie zur Mäßigung aufzufordern, vergeblich bat sie selbst dringend, die Mittel zur Sicherung des Friedens nicht zu einer Ursache des Bürgerkriegs zu verkehren, indem sie ihren eigenen Hassgefühlen Luft machten. Die Zahl derer, die in diesen Monaten, in denen Caterina in Florenz war und Ristoro Canigiani das Amt eines der Führenden der Partei innehatte, ohne Erklärung oder Einspruchsmöglichkeit aus ihren Ämtern ausgeschlossen wurden, nahm täglich zu. Den ganzen März und April hindurch ging es so weiter. Am 22. April schließlich unternahmen die Führer den extremen Schritt, Giovanni Dini, das mächtige Mitglied der Acht, „abzumahnen“, und am 30. April verwarnten sie neben sieben anderen prominenten Bürgern auch Piero Donati, der als einer der Prioren ausgelost worden war, und Maso di Neri, der zu den Zwölf zählte.[18] Das führte zu einer Krise.
In der neuen Signoria, die ihr Amt am 1. Mai 1378 antrat, war Salvestro de‘ Medici als Gonfaloniere der Justiz tätig – ein strenger Guelfe, der jedoch der Partei zutiefst zuwider war. Obwohl er offen seine Absicht erklärte, die Vormachtstellung der Partei zu stürzen, war er leidenschaftlich für den Frieden mit der Kirche, und es war vielleicht auf seine Initiative hin, dass die Gesandten in Rom ermächtigt wurden, eine Vereinbarung zu treffen. Da sie nicht wagten, ihn „abzumahnen“ und darauf vertrauten, dass fünf seiner Kollegen zu ihren Anhängern zählten, boten die Führer der Partei an, ihm auf halbem Weg entgegenzukommen, indem sie versprachen, dass künftig niemand mehr auf bloßen Verdacht hin abgemahnt werden sollte, wenn er nicht tatsächlich ein Ghibelline war, und dass kein Name mehr als dreimal zur geheimen Abstimmung über eine Abmahnung vorgebracht werden sollte. Diese Zusicherungen wurden einige Wochen später (Ristoro Canigiani war übrigens nicht mehr im Amt) in eklatanter Weise gebrochen, als Bettino Ricasoli, der damals Vorsitzender der Hauptleute war und zwei Anhänger Salvestros abmahnen wollte, die Türen des Palastes zuschließen und die Abstimmung zweiundzwanzig Mal wiederholen ließ, bis er seinen Willen bekam. Die militanteren Gemüter innerhalb der Partei unter Führung von Lapo da Castiglionchio schlugen vor, den Palazzo Vecchio zu stürmen und den Staat zugunsten ihrer Partei zu reformieren. Piero degli Albizzi jedoch überredete sie, die Ausführung dieses verräterischen Planes bis zum Festtag des heiligen Johannes aufzuschieben, an dem die Signoria zum Palio-Rennen gehen würde, der Palast also verlassen wäre und die Stadt von Menschen aus dem Umland wimmeln würde. Dann wäre es an der Zeit, die alte Lilien-Standarte der Guelfen hervorzuholen, den Palast mit Bewaffneten zu besetzen und die ganze Stadt mit dem Ruf Viva il Popolo e la Parte Guelfa zu erfüllen.
Aber man kam ihnen zuvor. Am 18. Juni versammelte Salvestro, der an diesem Tag der proposto der Signoria war, die Kollegien und den Rat des Volkes, erstere im Palazzo Vecchio, letzteren im angrenzenden Palast des Capitano, und präsentierte der Signoria eine Petition, wonach alle Bestimmungen gegen die Magnaten der Stadt und des Umlandes, insbesondere die Ordinamenti della Giustizia, erneuert und verschärft werden sollten. Dem wurde in den Kollegien heftig widersprochen, und Buonaccorso di Lapo, der namens der Zwölf sprach, prangerte den Vorschlag als insgesamt unannehmbar an.[19] Salvestro lief sofort zum Palast des Capitano und rief den Rat des Volkes gegen seine Amtskollegen an. Ein wilder Tumult erhob sich im Ratszimmer. Ein Schuhmacher, Benedetto di Carlone, wurde gegen Carlo Strozzi gewalttätig: „Carlo, Carlo, die Sache wird anders ausgehen, als du glaubst, und eure Vorherrschaft muss völlig zerstört werden.“ Benedetto Alberti rief der Menge auf dem Platz vom Fenster aus zu: „Ruft alle Viva il Popolo!“
Die Kunde verbreitete sich in der Stadt. Alle Geschäfte wurden geschlossen, das Volk begann sich zu bewaffnen. Die Führer der Parte Guelfa und ihre Anhänger, Adelige und popolani gleichermaßen, hatten sich heimlich bewaffnet und waren im Palast der Partei versammelt, um Maßnahmen gegen den Gonfaloniere zu beschließen. Unter den Anwesenden waren Lapo da Castiglionchio, Piero degli Albizzi, Niccolò Soderini, der verhasste Bartolo Siminetti und Piero und Ristoro Canigiani. Doch als sie den Tumult hörten, zerstreuten sie sich unauffällig und kehrten in ihre Häuser zurück. Unter dem Eindruck des Aufruhrs verabschiedeten die Kollegien die Maßnahme, die am folgenden Tag mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit im Volks- und im Gemeinderat angenommen wurde, wenn auch nur mit knapper Mehrheit.
Drei Tage lang blieben die Dinge in Schwebe, die Stadt wurde bei Nacht bewacht, die Geschäfte geschlossen, während die Signoria, die Vertreter der Zünfte und die Führer der Partei ergebnislose Verhandlungen führten. Am Dienstag, dem 22. Juni, der „Antevigil“ des Johannesfestes, bewaffneten sich die Zünfte und strömten mit ihren Bannern auf die Piazza und schrien: Viva il Popolo! Die Signoria ermächtigte die Magistraten und Kollegien, die Stadt zu reformieren und die unpopulären Gesetze der Parte Guelfa aufzuheben. Aber in der Zwischenzeit hatte die Bevölkerung, angeführt von Männern aus der Kürschnergilde mit ihrem Banner, begonnen, auf eigene Faust Rache zu nehmen. Angestachelt, wenn auch nicht von der Regierung, so doch zumindest von den Abgemahnten, stürmten sie die Häuser der Führer der Parte Guelfa. Die Häuser von Lapo da Castiglionchio und seiner Familie mit Blick auf die Ponte Rubaconte wurden zuerst angegriffen, wobei Messer Lapo selbst – als Mönch verkleidet – ins Casentino entkam. Die Häuser von Carlo Strozzi nahe der Porta Rossa, von Bartolo Siminetti am Mercato Nuovo, der Albizzi nahe von San Piero Maggiore, von Filippo Corsini und anderen wurden der Reihe nach geplündert und in Brand gesteckt. Dann überquerte die Menge den Arno und zerstörte unter Beschimpfungen gegen „den Heuchler Niccolò und seine heilige Caterina“ die Häuser von Niccolò und Tommaso Soderini nahe dem Ponte alla Carraia. Auf Betreiben ihrer Nachbarn, der Mannelli, die abgemahnt worden waren, als Ristoro noch einer der Führer der Partei war, plünderten und verbrannten sie als nächstes die Häuser von Piero und Ristoro Canigiani in der Nähe von S. Felicità. Das Haus Donato Barbadoris, der nicht an den Untaten der Parte Guelfa beteiligt und im Staatsdienst auswärts war, teilte dasselbe Schicksal. Eine Horde Randalierer brach die Gefängnisse auf und befreite die Gefangenen, drang in das Kloster der Angeli ein, wo viele Bürger ihre Güter in Sicherheit gebracht hatten, plünderte es und tötete zwei Laienbrüder. Das war allerdings mehr, als die Anstifter der Krawalle einkalkuliert hatten, und als sie den Racheakt vollzogen und den Mob zu weiteren Ausschreitungen bereit sahen, veranlassten sie die Signoria, Soldaten auszuschicken mit der Anordnung, die ersten fünf Plünderer, die in jedem Viertel ergriffen würden, zu hängen, wobei bevorzugt Flamen und andere Fremde ausgesucht werden sollten als Warnung für die anderen.[20] Dies geschah, und der Tumult legte sich.
In der Zwischenzeit hatte Caterina für einen kurzen, unbeschreiblichen Augenblick die ersehnte Freude des Martyriums verspürt – nur um dann bitter enttäuscht zu werden. Eine Bande bewaffneter Aufständischer kam – möglicherweise auf Anstiftung verbitterter Opfer der Parte Guelfa – nach der Plünderung der Häuser der Canigiani angerannt und erklärte, sie würden sie lebendig verbrennen oder in Stücke hauen. Sie war offenbar allein mit Neri, Barduccio und Cristofano und mit ihren Frauen in dem kleinen Haus am Hang von San Giorgio. Diejenigen, denen das Haus gehörte, fürchteten um ihre eigene Sicherheit und forderten sie und ihre Gefolgschaft auf, es zu verlassen. „Sie aber, die sich ihrer eigenen Unschuld bewusst war und gerne für die heilige Kirche leiden wollte, ließ sich in keiner Weise von ihrer gewohnten Standhaftigkeit abbringen; vielmehr sprach sie lächelnd ihren Gefährten Mut zu, ehe sie sich in Nachahmung ihres göttlichen Bräutigams an einen Ort begab, wo ein Garten war. Dort sprach sie zu den Ihren noch einige aufmunternde Worte und versenkte sich dann ins Gebet.“ Bald drangen die Männer ein, fuchtelten mit ihren Waffen herum und schrien: „Wo ist Caterina?“ Sie ging ihnen entgegen und fiel mit strahlendem Gesicht vor ihrem Anführer auf die Knie und sagte: „Ich bin Caterina. Macht mit mir, was immer Gott zulassen will, aber im Namen des Allmächtigen gebiete ich Euch, keinem von denen, die bei mir sind, ein Leid anzutun.“ Der Grobian zögerte und hieß sie dann weggehen. „Warum sollte ich fliehen“, antwortete sie, „wenn ich gefunden habe, wonach ich verlangte? Ich bringe mich meinem ewigen Bräutigam als lebendiges Opfer dar. Wenn ihr dazu gesandt seid mich zu töten, handelt mutig. Ich werde mich nicht von der Stelle rühren. Aber verletzt keinen meiner Gefährten.“ Daraufhin entwich die ganze Bande in Verwirrung. Aber als sich ihre Gefährten um sie versammelten und sich freuten, dass sie ihren Händen entkommen war, weinte sie bitterlich und sagte, sie hätte gedacht, dass Gott ihr nun die rote Rose des Martyriums verleihen wollte, jetzt aber erkenne sie, dass ihre Sünden sie dessen beraubt hätten.
„Ich versichere Euch“, schrieb sie an Fra Raimondo, „dass ich heute noch einmal aufs Neue beginnen will, damit mich meine Sünden nicht von einem so großen Gut abhalten, mein Leben hinzugeben für den gekreuzigten Christus … Mein Wunsch, mein Leben für die Wahrheit und für die süße Braut Christi dahinzugeben, wurde nicht erfüllt. Der ewige Bräutigam hat mir vielmehr einen schlimmen Streich gespielt, wie Euch Cristofano genauer mündlich berichten wird. Ich habe allen Grund zu weinen, da meine Sündhaftigkeit so groß ist, dass ich es nicht verdiente, dass mein Blut Leben brächte oder Erleuchtung den Verblendeten oder die Versöhnung des Sohnes mit dem Vater. Auch wurde mit meinem Blut kein Stein eingemauert in den mystischen Leib der heiligen Kirche. Ja es schien sogar, als ob die Hände dessen, der das tun wollte, gebunden wären. Und als ich sagte: Ich bin es, den ihr sucht. Nehmt mich und lasst diese meine Familie gehen, waren ihm meine Worte wie ein Schwert, das ihm geradewegs durchs Herz drang.
O mein Vater, fühlt in Euch wunderbare Freude, denn niemals zuvor habe ich in mir solche Geheimnisse mit so großer Freude erfahren. Es war darin die ganze Süße der Wahrheit, das Glück eines aufrichtigen und reinen Gewissens und der Wohlgeruch der süßen Vorsehung Gottes: die Zeit der neuen Märtyrer, die (wie Ihr wisst) von der ewigen Wahrheit vorausgesagt wurde. Worte wären nicht fähig, um die Seligkeit zu schildern, die meine Seele verspürte. So sehr fühle ich mich jetzt meinem Schöpfer verpflichtet, dass, selbst wenn ich meinen Leib zum Verbrennen hingäbe, dies, wie mir scheint, nicht genug wäre für diese große Gnade, die ich und meine geliebten Söhne und Töchter empfangen haben. Ich erzähle Euch das alles nicht, um Euch Kummer zu bereiten, sondern damit Ihr unermessliche Freude empfindet und Ihr und ich damit beginnen, uns über meine Unvollkommenheit zu betrüben, weil meine Sünden so viel Gutes verhindert haben.
Wie glücklich wäre meine Seele gewesen, hätte ich mein Blut geben können für die süße Braut, aus Liebe zum (kostbaren) Blut und für das Heil der Seelen! Mehr will ich über diese Angelegenheit nicht sagen. Ich überlasse es Cristofano, Euch dies und alles andere zu berichten. Nur das möchte ich Euch noch sagen: bittet den Christus auf Erden, er möge sich wegen des Geschehenen vom Frieden nicht abhalten lassen, sondern ihn großzügig umsetzen, damit er dann die anderen großen Aufgaben, die zur Ehre Gottes und zur Erneuerung der heiligen Kirche vor ihm liegen, in Angriff nehmen kann. Durch das Ereignis hat sich der Stand der Dinge nicht geändert; im Gegenteil, die Stadt ist vorläufig friedlich, so wie es sich gehört. Sagt ihm, er möge Milde und Mitleid walten lassen mit diesen Seelen, die in großer Finsternis sind, und sagt ihm, er möge mich rasch aus dem Gefängnis befreien, denn wie es scheint, kann ich von hier nicht weggehen, solange der Friede nicht geschlossen wird. Ich würde dann gerne nach Rom kommen, um das Blut der Märtyrer zu kosten und Seine Heiligkeit zu besuchen, und auch um wieder bei Euch zu sein, um freudigen Geistes und jubelnden Herzens und mit wachsender Hoffnung im Licht des heiligen Glaubens von den bewundernswerten Geheimnissen zu erzählen, die Gott in diesen Tagen gewirkt hat.“[21]
Vermutlich wurde dies am Tag des Aufruhrs geschrieben, unmittelbar nachdem die Signoria den Aufstand fürs erste niedergeschlagen hatte, ohne dass Menschenleben zu beklagen waren, mit Ausnahme derer, die nach dem Gesetz hingerichtet worden waren. „Aber auch wenn der Aufruhr vorläufig vorüber war“, schreibt Raimondo, „waren die heilige Jungfrau und ihre Gefolgschaft keineswegs in Sicherheit; nein, alle Bewohner der Stadt hatte ein so großer Schrecken erfasst, dass es wie in den Zeiten der Märtyrer niemanden gab, der sie in sein Haus aufnehmen wollte. Ihre geistlichen Söhne und Töchter rieten ihr daher, nach Siena zurückzukehren. Sie aber antwortete ihnen, dass sie das florentinische Gebiet nicht eher verlassen könne, bis der Friede zwischen dem Vater und seinen Kindern verkündet sei, denn das, sagte sie, hätte sie als Auftrag vom Herrn erhalten. Als sie das hörten, wagten sie nicht, ihr zu widersprechen. Schließlich fanden sie einen trefflichen und gottesfürchtigen Mann, der sie ohne Angst in sein Haus aufnahm, dies aber wegen der aufgebrachten Menge und der feindseligen Menschen geheim hielt.“[22]
Dieser treffliche Mann war mit ziemlicher Sicherheit der Schneider Francesco di Pippino, in dessen kleinem Haus auf der Piazza del Grano Caterina für wenige Tage Unterschlupf fand. Ihre einflussreichen Freunde, die Canigiani, die Soderini, die Altoviti, waren geflohen oder hielten sich versteckt. Am Tag nach dem Tumult, dem 23. Juni, vollendete die offizielle Rache der Regierung die Gewalt des Pöbels. Alle Gesetze zugunsten der Parte Guelfa wurden für ungültig erklärt, und alle, die von den Führern der Partei seit 1357 abgemahnt worden waren, wurden unter gewissen Bedingungen für wählbar erklärt. Die Verordnungen, welche die Magnaten von allen Ämtern und Räten ausschlossen, mit Ausnahme derjenigen der Parte Guelfa und des Rates des Podestà und der Kommune, wurden bestätigt. Lapo da Castiglionchio wurde zum Aufrührer erklärt und mit dem Bann belegt, über die anderen verhängte man mildere Strafen. Carlo Strozzi musste für fünf Jahre Florenz verlassen, zudem wurden er und seine Nachkommen zu Magnaten erklärt. Tommaso Soderini verlor auf Lebenszeit alle seine Funktionen. Niccolò Soderini musste dreißig Meilen von Florenz entfernt in die Verbannung. Ristoro Canigiani wurde zum Magnaten erklärt, während Piero Canigiani für zehn Jahre von seinen Ämtern ausgeschlossen wurde.
Dennoch befand sich die Stadt in heller Aufregung. Am Johannistag gab es weder eine Feier noch einen Palio. Und für den Rest des Monats hielten die Handwerker und Kaufleute ihre Geschäfte geschlossen, die Bürger wagten nicht, ihre Waffen niederzulegen, und ganz Florenz wurde Tag und Nacht streng bewacht. Die Anwesenheit Caterinas schien nutzlos und hätte nur zu neuerlicher Empörung führen können. Nach einigen Tagen verließen sie und ihre Jünger die Stadt und zogen sich, wie Fra Raimondo es nannte, „an einen einsamen Ort zurück, der zwar außerhalb der Stadt lag, aber noch zum Hoheitsgebiet von Florenz gehörte und für gewöhnlich von Eremiten bewohnt wurde“. Man nimmt an, dass es sich dabei um Vallombrosa im Casentino handelte, wo sich Giovanni dalle Celle und andere aufhielten. Es wird behauptet – was allerdings fragwürdig ist –, dass Niccolò Soderini sie dorthin begleitet hätte.
Die neue Signoria, die ihr Amt am 1. Juli aufnahm, mit Luigi di Piero Guicciardini als Gonfaloniere der Justiz, wurde vom Volk als aus „friedfertigen und ruhigen Männern“ zusammengesetzt beurteilt, die „die Ruhe der Stadt und ihrer Mitbürger wollten.“ Sie nahmen ihre Pflichten in aller Stille auf, ohne das Läuten der Glocken, da die Amtseinführung nicht auf der Ringhiera, sondern in der Ratshalle stattfand. Sie befahlen den Bürgern, die Waffen niederzulegen, den Bauern die Stadt unter Androhung der Todesstrafe zu verlassen, die Läden zu öffnen, die Barrikaden niederzureißen, und jedermann sollte seinen Geschäften nachgehen. „Der Signoria wurde in allen Dingen gehorcht, und in einigen Tagen war alles erledigt. Es schien, als ob es in Florenz nie etwas anderes gegeben hätte, und jeder lobte die Signoria und die Kollegien für die Maßnahmen, die sie getroffen hatten. Die Stadt entwickelte sich tagtäglich vom Guten zum Besseren und blieb zehn Tage lang in Ruhe und Frieden, ohne dass es zu einem Aufruhr kam.“[23] Unter diesen Umständen konnten Caterina und ihre Gefolgschaft es wagen, nach Florenz zurückzukehren, wo sie sich, wie Fra Raimondo berichtet, „wegen der Regenten, die ihr offenbar noch feindlich gesinnt waren, zunächst verborgen hielt“, dann aber offen und mit großem Verlangen den Friedensschluss zwischen der Republik und der Kirche erwartete.
Von Florenz aus schrieb sie nun an Papst Urban, den sie, wie erwähnt, in Avignon kennen gelernt hatte und dessen etwas raueren Charakter sie wahrscheinlich schon kannte, ihren ersten Brief „in dem Verlangen, Euch in der Wahrheit und in der vollkommenen Liebe gegründet zu sehen, damit Ihr wie ein guter Hirte Euer Leben für Eure Schäflein hingebt.“
Sie drängt ihn, sich der Erneuerung der Kirche zu widmen: „Heiligster Vater, Gott hat Euch als Hirte eingesetzt über seine Schäflein in der gesamten Christenheit. Er hat Euch zum Kellermeister gemacht, um das Blut des gekreuzigten Christus auszuteilen, dessen Stellvertreter Ihr seid. Er hat Euch dazu in einer Zeit berufen, in der die Schlechtigkeit Eurer Untertanen zahlreicher ist als je zuvor, sowohl im Leib der heiligen Kirche wie auch im universalen Leib der christlichen Religion. Und deshalb ist es dringend notwendig, dass Ihr in der vollkommenen Liebe gegründet seid, verbunden mit der Perle der Gerechtigkeit. O liebster Vater, die Welt kann nicht mehr weiter – so sehr haben sich die Laster ausgebreitet, besonders bei denen, die im Garten der heiligen Kirche als süß duftende Blumen eingesetzt wurden, um den Wohlgeruch der Tugend zu verströmen. Aber stattdessen sehen wir sie so voll Bosheit, dass sie die ganze Welt vergiften.
O weh! Wo sind die Reinheit des Herzens und die vollkommene Keuschheit, so dass durch ihre Ehrenhaftigkeit die Unenthaltsamen wieder enthaltsam werden? Stattdessen ist es umgekehrt, weil oftmals jene, die enthaltsam und rein leben, durch die Ausschweifung der Unreinen Geschmack bekommen an der Unkeuschheit. O weh! Wo sind die großzügige Nächstenliebe und die Sorge um die Seelen? Wo sind die Almosen für die Armen zum Wohl der Kirche und zur Unterstützung ihrer Bedürfnisse? Ihr wisst sehr wohl, dass sie das Gegenteil tun. Ach, ich Armselige! Voll Trauer sage ich Euch, dass sich die Söhne der Kirche von jenem Gut ernähren, das sie durch das Blut Christi erhalten, und dass sie sich nicht schämen, als Betrüger dazustehen und ihr Spiel zu treiben mit jenen heiligen Händen, die von Euch, dem Stellvertreter Christi, gesalbt wurden! Wobei noch gar nichts gesagt ist von all den anderen Übeltaten, die sie begehen.
O weh! Wo ist die tiefe Demut, mit der sie ihren eigenen sinnlichen Stolz überwinden könnten? Mit diesem Stolz und ihrer großen Habgier begehen sie ihre simonistischen Handlungen, indem sie Pfründe erwerben durch Geschenke, Schmeicheleien oder Bestechung, geschmückt mit liederlichem, eitlen Gepränge – nicht wie Männer der Kirche sind sie, sondern schlimmer als die Laien! Ach, mein liebes Väterchen, bringt uns doch Abhilfe! Tröstet das quälende Verlangen der Diener Gottes, die vor Gram sterben und nicht sterben können. Sie warten mit großer Sehnsucht auf Euch als einen wahren Hirten, damit Ihr die Besserung bewirkt, nicht in Worten, sondern in Taten. Lasst die Perle der Gerechtigkeit, vereint mit Barmherzigkeit, aus Euch heraus leuchten und ruft ohne jede knechtische Furcht in der Wahrheit jene zur Ordnung, die an der Brust der heiligen Braut genährt werden und zu Verwaltern des Blutes bestellt wurden.“ Mit dieser Erneuerung der Kirche möge er beim Heiligen Kollegium selbst den Anfang machen und eine Gruppe von heiligen und furchtlosen Männern als Kardinäle auswählen, die ihm in seiner mühevollen Aufgabe beistehen und die Laien durch das Vorbild ihrer eigenen tugendhaften Lebensführung bessern sollen. Und er möge unverzüglich die Florentiner und ihre Verbündeten wieder in die Gemeinschaft der Kirche aufnehmen. Dank der Güte Gottes ist aus den jüngsten Unruhen kein schlimmer Schaden entstanden. Seine Kinder haben sich beruhigt und bitten ihn um Gnade. Und wenn sie auch nicht so zu bitten scheinen, wie er es erwartet hätte, so möge er sie dennoch gewähren, und sie werden sich als treuer erweisen als die anderen. „Ach, mein Väterchen, ich möchte nicht länger hierbleiben. Macht dann mit mir, was Ihr wollt. Aber gewährt mir, der Armseligen und Elenden, die bei Euch anklopft, diese Gnade und Barmherzigkeit. Mein Vater, versagt mir nicht die Brotsamen, um die ich Euch für Eure Kinder bitte.“[24]
Urban war nicht mehr in Rom, sondern im Tivoli, allein mit den vier italienischen Kardinälen: Corsini, Orsini, Brossano und Tebaldeschi. Die Umstände hatten ihn gezwungen, mit Florenz Frieden zu schließen, zu welchen Bedingungen auch immer, und die Gesandten, insbesondere Barbadori und Filippo Corsini, taten trotz der Behandlung, die ihnen widerfahren war, ihre Pflicht gegenüber der Republik. Die neue Signoria war ebenso wie der Papst entschlossen, unverzüglich Frieden zu schließen, ohne über die Bedingungen zu feilschen.
In der Zwischenzeit schien eine seltsame Ruhe über Florenz hereingebrochen zu sein. Die Prioren, die eifrig ihrer Aufgabe nachgingen, die Stadt innerhalb und außerhalb zu befrieden, schienen keine Warnung erhalten zu haben, dass sich unter der Oberfläche etwas regte. Aber der unterste Teil der Bevölkerung, der noch immer damit rechnete, für seine Taten bei den jüngsten Unruhen bestraft zu werden, hielt geheime Versammlungen ab, leistete schreckliche Eide und bereitete sich zum Aufstand gegen die bürgerliche Regierung vor; und jene aus der Oberschicht, die abgemahnt worden waren und sich mit dem Erreichten nicht zufriedengaben, hetzten sie auf. Noch war nicht das geringste Gerücht über das, was sich anbahnte, zur Signoria gedrungen.[25]
Endlich, am Sonntagnachmittag, dem 18. Juli, ritt ein Bote durch die Porta San Piero Gattolino in Florenz ein, mit einem Olivenzweig in der Hand, und überbrachte Briefe des Papstes und der Botschafter mit der Ankündigung, dass die Friedensbedingungen vereinbart seien. Der Olivenzweig wurde an einem Fenster des Palazzo Vecchio befestigt, und die große Glocke des Turms dröhnte über der Stadt und rief die Bürger zu einem Parlament zusammen.
„O liebste Kinder“, schrieb Caterina an Sano di Maco und ihre anderen Schüler in Siena, „Gott hat das Rufen und die Stimme seiner Diener erhört, die schon so lange vor seinem Angesicht gerufen haben, und ebenso das Wehklagen über ihre toten Kinder. Nun sind sie wiedererstanden: Vom Tod sind sie zum Leben gelangt und von der Blindheit zum Licht. O liebste Kinder, die Lahmen gehen und die Tauben hören, blinde Augen sehen und die Stummen reden und rufen mit lauter Stimme: Friede, Friede, Friede. Mit großer Freude sehen wir, wie diese Kinder zum Gehorsam und zur Liebe ihres Vaters zurückkehren und ihre Herzen versöhnt sind. Gerade wie Menschen, die eben erst zu sehen beginnen, sagen sie: Dank sei dir, Herr, der du uns mit unserem Heiligen Vater versöhnt hast. Nun wird das Lamm heilig genannt, der liebe Christus auf Erden, den man zuvor einen Häretiker und einen Pataria genannt hat. Jetzt nehmen sie ihn wieder als Vater an, nachdem sie ihn zuvor zurückgewiesen haben. Ich bin darüber nicht verwundert, denn die Wolke hat sich aufgelöst, und heiteres Wetter ist gekommen. Freut Euch, freut Euch, liebste Kinder, weint süße Tränen der Dankbarkeit vor dem höchsten und ewigen Vater. Aber gebt Euch damit nicht zufrieden, sondern bittet ihn, er möge bald das Banner des heiligsten Kreuzes aufrichten. Jubelt und freut Euch in Christus, dem lieben Jesus. Lasst unsere Herzen zerspringen beim Anblick der Großzügigkeit der unendlichen Güte Gottes. Nun ist der Friede geschlossen, ungeachtet jener, die ihn gerne verhindert hätten. Der höllische Dämon ist besiegt.“[26]
Die ganze Stadt war außer sich vor Freude. Eine jubelnde Menge drängte sich auf der Piazza, als die Prioren zum Klang von Musik und Salven auf die Balustrade des Palastes traten und ihre Notare die Dokumente laut vorlasen, die das Abkommen zwischen dem Papst und der Republik bekannt gaben. Ganz Florenz war beleuchtet, und der allgemeine Jubel dauerte bis in die Nacht. Doch am nächsten Tag, dem 19. Juli, erreichte wie ein Blitz aus heiterem Himmel ein Gerücht die Signoria, der gesamte Staat stehe am Rande des Abgrunds. Mehrere Verhaftungen wurden vorgenommen, und bei Einbruch der Dunkelheit gestand ein gewisser Simoncino, genannt Bugigatto, unter der Folter in der Kapelle des Palastes, dass für den nächsten Morgen ein allgemeiner Aufstand der niedrigsten Stände geplant sei. Seine Schreie wurden von einem Handwerker gehört, der die Uhr des Palastes reparierte und in das Geheimnis eingeweiht war; und dieser schlug Alarm. Am Dienstagmorgen, dem 20. Juli, erhob sich die gesamte Bevölkerung, und die verheerende Revolution der Ciompi, der ungelernten Arbeiter, die über keine eigene Zunft verfügten und daher keine politischen Rechte besaßen, brach wie eine Flutwelle über Florenz herein.
Der strittige Punkt war das Recht, sich zu organisieren und zusammenzuschließen, und damit verbunden eine Reihe von Beschwerden, insbesondere von Seiten jener, die den Konsuln der Arte della Lana unterstellt waren.[27] Aber in dem anarchischen Zustand der nächsten paar Tage – obwohl die Petition der Aufständischen von der Signoria unverzüglich bewilligt worden war – schien alles Grundsätzliche in einem Strudel der Empörung unterzugehen. Angeführt von einem Gauner, Betto di Ciardo, der das große Banner der Gerechtigkeit trug, das sie aus dem Palast des Vollstreckers entwendet hatten, plünderte ein Teil des Pöbels die Häuser jener wohlhabenden Bürger, die ihnen unliebsam waren und steckten sie in Brand, während ein anderer Teil sich derer bemächtigte, die sie als Freunde betrachteten, und sie – ob sie wollten oder nicht – im Namen des Volkes zu Rittern machten. Luigi Guicciardini, der Gonfaloniere, fand sich in beiden Gruppen wieder. Die Acht des Krieges und Salvestro de‘ Medici waren unter jenen, die zu Rittern geschlagen wurden, Buonaccorso di Lapo Giovanni einer von denen, deren Häuser zerstört wurden. Am Abend des zweiten Tages, dem 21. Juli, übergab der Podestà, Giovanni dei Marchesi del Monte, den Palast des Podestà, woraufhin die Fahnen der Zünfte (die niederen Zünfte hatten sich auf die Seite des Volkes gestellt) aus den Fenstern gehängt wurden. Am 22. Juli verließ die Signoria kleinmütig den Palazzo Vecchio, und der Pöbel zog triumphierend ein, während die Glocken des Turms zu Ehren des Sieges des popolo minuto – der rechtlosen Unterklasse – ertönten.
Ein Wollkämmer, Michele di Lando, der der Republik in den Kriegen als Armbrustschütze gedient hatte, trug das Banner der Gerechtigkeit in den Palast. Ihn bestimmte die Masse durch Akklamation zum Gonfaloniere und Herrn von Florenz. Es ist nicht notwendig, die Geschichte zu wiederholen, wie dieser Mann, der sich in keiner Weise an den Ausschreitungen des Pöbels beteiligt hatte, den Staat rettete. Da er sich solcherart als Alleinherrscher der Stadt fand, ließ er unverzüglich eine Proklamation verlautbaren, wonach die Plünderungen und Brutalitäten der Aufständischen bei Androhung der Todesstrafe einzustellen seien, und berief ein Parlament ein, von dem er als Gonfaloniere der Justiz bis Ende August bestätigt wurde. Am folgenden Tag, dem 23. Juli, schlug er die Namen der neuen Magistraten vor. Neben ihm selbst repräsentierten zwei der neuen Signoria das popolo minuto, zwei die niederen Zünfte (unter ihnen der bereits erwähnte Schuhmacher Benedetto di Carlone) und zwei die höheren Zünfte. Sie begannen ihre Amtsgeschäfte mit den üblichen Formalitäten am 25. Juli.
Allerdings ließ die allgemeine Panik nicht nach. Trotz wiederholter Aufrufe der Signoria flüchteten viele Bürger in ihre Villen im Umland und nahmen ihre Familien und den beweglichen Besitz mit, während jene, die blieben, weder ihre Waffen ablegen noch ihre Geschäfte öffnen wollten. Man ließ die Armbrustschützen der Republik durch die Stadt marschieren, um das Vertrauen wiederherzustellen, aber ohne Erfolg. Es gab einen generellen Versuch, den Staat zu erneuern: Die Abmahnungen der Parte Guelfa wurden annulliert und abgemahnte Familien wieder zu den Ämtern zugelassen. Am letzten Tag des Juli wurden alle Zettel in den Wahlurnen, aus denen die Namen der Magistrate gezogen wurden, verbrannt, „damit alles von Grund auf neu geordnet und gute Männer und Kaufleute mit einem Amt betraut werden können“. Am 1. August zogen die Prioren am Morgen mit Trompeten und anderen Instrumenten durch die Straßen, was „diejenigen, die in Frieden leben wollten, mächtig beruhigte“. Am Nachmittag marschierten tausend Armbrustschützen durch die Stadt, und es wurde verkündet, dass jeder Kaufmann wieder sicher seinen Geschäften nachgehen könne, wobei gegen jeden, der ihn belästigen sollte, schwere Strafen verhängt würden. Am Abend traf die Nachricht ein, dass der Friede mit dem Papst unterzeichnet worden sei und die Absolution bald folgen sollte.[28]
Es war ein ehrenhafter und gerechter Friede, der am 28. Juli in Tivoli unterzeichnet wurde, wobei der Papst am folgenden Tag allen Klerikern des Florentiner Hoheitsgebietes die Erlaubnis zur Feier der heiligen Messe erteilte. Die Florentiner sollten eine Entschädigung von 250.000 Florinen in monatlichen Raten zahlen, alle Verordnungen gegen die Kirche innerhalb von zwei Monaten aufheben und die beschlagnahmten Güter an die Kirchen, Klöster und Spitäler zurückgeben. Der Papst seinerseits würde sie von allen Zensuren freisprechen. Perugia und Città di Castello sowie die anderen Mitstreiter und Anhänger der Republik Florenz, soweit sie Untertanen der Kirche waren, wurden unter der Bedingung einbezogen, dass sie innerhalb von zwei Monaten Gesandte zum Papst schickten, um zu unterzeichnen; in der Zwischenzeit durfte der Papst keinen Krieg gegen sie führen. Sie sollten praktisch ihre Freiheiten behalten und dabei die päpstliche Oberhoheit anerkennen, eine Entschädigung zahlen und ihren üblichen Tribut leisten.[29] Doch Florenz war zu sehr von internen Streitigkeiten geplagt, um in den allgemeinen Jubel einzustimmen. Gerüchte über neue Unruhen veranlassten die Bürger, am folgenden Tag, dem 2. August, erneut zu den Waffen zu greifen, und dieser Belagerungszustand dauert mehrere Tage lang an; die Stadt wurde sorgfältig bewacht und die Menschen erwarteten stündlich einen neuen Aufstand.[30] Dennoch gab es eine kurze Pause, bevor die Unruhen erneut begannen.
Mit dem Friedensschluss zwischen Florenz und dem Heiligen Stuhl war Caterinas zweiter großer politischer Auftrag vollendet. Trotz der großen persönlichen Gefahr, der sie und ihre Anhänger durch den blinden Hass der breiten Masse ausgesetzt waren, war sie während dieser turbulenten Tage der Revolution und Anarchie in der Stadt geblieben, bis die Nachricht eintraf, dass der Vertrag tatsächlich unterzeichnet worden war. Dann versammelte sie ihre Anhänger um sich und verkündete ihre Absicht, unverzüglich nach Siena zurückzukehren, da sie nun den Auftrag Christi und seines Stellvertreters erfüllt habe.[31] Die Aufregung und Beunruhigung in der Stadt war so groß, dass man es für zu riskant hielt, ihr eine Audienz bei der Signoria zu gewähren. Wahrscheinlich war es am 2. August, mitten in der neuerlichen Panik, als sie einen letzten Blick auf Florenz warf und in aller Stille nach Hause ging, „zurück zu ihrem täglichen Weg mit Gott“.
Unter den Strozzi-Manuskripten der Nationalbibliothek von Florenz existiert noch eine Abschrift aus dem vierzehnten Jahrhundert von jenem Brief, den Caterina bei dieser Gelegenheit an den Gonfaloniere und die Prioren der Republik richtete. Es ist ihr Abschiedsschreiben an Florenz. „Ihr habt den Wunsch“, heißt es darin, „Eure Stadt zu erneuern. Aber ich versichere Euch, dass dieser Wunsch niemals in Erfüllung gehen wird, solange Ihr Euch nicht bemüht, den Hass und die Rachsucht in Euren Herzen und Eure Selbstsucht zu überwinden, das heißt, wenn Ihr nicht nur an Euch selbst denkt, sondern an das allgemeine Wohl der ganzen Stadt.“ Sie schlägt einige offensichtliche Reformen bei der Wahl der Magistraten vor, ermahnt sie, auf die Einhaltung der Friedensbestimmungen zu achten und weist vorsichtig darauf hin, dass die Verbannten zurückgeholt werden sollten. Dann spricht sie von sich selbst:
„Lasst den Kummer, den ich empfinde, weil ich eure Stadt (die ich als die meine betrachte) in so großer Not sehe, meine Entschuldigung sein. Ich hatte zuerst nicht vorgehabt, Euch zu schreiben, denn ich wollte Euch diese Dinge persönlich sagen, zur Ehre Gottes und zu eurem eigenen Heil. Es war meine Absicht, Euch aufzusuchen und mit Euch den heiligen Frieden zu feiern, um den ich mich so lange auf jede Weise bemüht habe, soweit es mir mit meinen Fähigkeiten und meinen geringen Kräften möglich war – und wäre ich in der Lage gewesen mehr zu tun, so hätte ich es getan. Ich wollte erst abreisen und nach Siena zurückkehren, nachdem ich mich mit Euch gefreut und der göttlichen Güte und Euch gedankt hätte. Nun aber hat scheinbar der Teufel ungerechtfertigterweise ihre Herzen so gegen mich aufgebracht, dass ich nicht weiteres Unrecht auf Unrecht häufen wollte; denn dies hätte die Zerstörung nur noch weiter ausgedehnt. So bin ich denn mit Gottes Gnade abgereist, und ich bitte die höchste und ewige Güte, er möge Eure Herzen versöhnen und so in Liebe miteinander zu verbinden, dass weder Teufel noch Geschöpfe Euch je wieder trennen können. Was immer ich Gutes für Euch tun kann, will ich gerne tun, selbst bis zum Tod und trotz der sichtbaren und unsichtbaren Dämonen, die jedes heilige Verlangen im Keim ersticken wollen. Ich gehe getröstet weg, weil sich nun mein Verlangen erfüllt hat: Denn als ich in diese Stadt kam, hatte ich mir vorgenommen, nicht eher von hier wegzugehen, solange ich nicht die Versöhnung zwischen Euch Kindern mit Eurem Vater erleben würde – selbst wenn ich dafür hätte sterben müssen –, weil ich Euch in großer Gefahr für Seele und Leib gesehen habe. Aber ich gehe traurig und voll Sorge weg, weil ich die Stadt in so großer Bitterkeit zurücklasse. Möge der ewige Gott, der mich in der einen Sache getröstet hat, auch in der anderen trösten – so dass ich sehen und hören kann, wie Ihr in guter, beständiger und vollkommener Weise Frieden habt. Dann werdet Ihr seinem Namen Lob und Ehre erweisen und Euch nicht mehr in einem so quälenden Kriegszustand befinden. Ich hoffe, dass die süße Milde Gottes das Auge seiner Barmherzigkeit Euch zuwenden und das Verlangen seiner Diener erfüllen wird.“[32]
[1] Legenda, III. vi. 28 (§ 422).
[2] Gherardi, Vorwort zum Anonimo Fiorentino, S. 237.
[3] Instruktion an Pietro Raffini, datiert Rom, 6. Dezember 1377. Pastor, Geschichte, I. Dok. 8.
[4] Legenda, III. vi. 29 (§ 423).
[5] Vgl. Brief 298 (254) und den Brief Stefanos, datiert mit Siena, 22. Mai 1378, an Neri di Landoccio, „Florentie apud sanctum Georgium“, in Lettere dei discepoli, 9.
[6] [D.h. die „Abmahnung“, was praktisch einer Amtsenthebung gleichkommt.]
[7] Lib. IX. rubr. 773. Marchionnes Feststellung, Canigiani habe die Spenden nachträglich zu seinem eigenen Nutzen verwendet, sind offenkundig eine parteipolitische Unwahrheit. Nach Caterinas Tod erkennt selbst dieser Anhänger der Acht praktisch ihre Heiligkeit an. Ibid., Lib. XI., rubr. 866.
[8] Ibid., Lib. IX. rubr. 767, 788.
[9] Legenda, III. i. II (§ 341).
[10] Vgl. F. Palermo, Rime die Dante Alighieri e di Gioannozzo Sacchetti, S. ciii. – cxxx.; Marchionne Stefani, Lib. X. rubr. 821.; O. Gigli, Sermoni Evangelici e Lettere di Franco Sacchetti, Dok. I.
[11] Anonimo Fiorentino, S. 351.
[12] Anonimo Fiorentino, S. 352; Mannis Cronichetta d‘Incerto, S. 215; Historia Sozomeni Pistoriensis (Rer. It. Script., xvi.), S. 1104.
[13] Cronaca di Ser Nofri, Corazzini, I Ciompi, S. 7.
[14] Ich folge dem Text des Palatino MS. 56, weil die gedruckten Ausgaben dieses Briefes (Gigli, 25; Tommaseo, 284) unvollständig sind. Caterinas Kritik an den Bettelmönchen ist bemerkenswert, weil sie zeigt, dass die Franziskaner – zumindest ein Teil von ihnen – sich gegen den Papst auf die Seite des Volkes stellten.
[15] Brief 227 (126).
[16] Brief 277 (181).
[17] Capponi, Storia della Repubblica di Firenze, II. S. 2. Vgl. Rodolico, La Democrazia Fiorentina, S. 171–176.
[18] Anonimo Fiorentino, S. 351 – 353; Ammirato, I. 2, S. 713, 714.; Legenda, III. vi. 30, 31 (§§ 424, 425), wo Fra Raimondo anzudeuten scheint, dass Caterina die Abmahnung von Giovanni Dini billigte.
[19] Anonimo Fiorentino, S. 243, 504.
[20] Zu diesem „Tumulto degli Ammoniti“ vgl. Marchionne Stefani, Lib. X. rubr. 792–795; Ammirato, I. 2, S. 717 - 721; Gino Capponi (der Ältere), Tumulto de‘Ciompi, S. 234–242; Anonimo Fiorentino, S. 358–360.
[21] Brief 295 (96), in den Harley- und Casanatense MSS. Der Bericht von Raimondo über das Ereignis – Legenda, III. vi. 32, 33 (§§ 426, 427) – basiert eindeutig auf dem, was Cristofano ihm erzählt hat, leicht gefärbt, vielleicht aus dem unbewussten Wunsch, dadurch eine Ähnlichkeit mit der Szene im Garten Getsemani herzustellen.
[22] Legenda, III. vi. 34 (§ 428).
[23] Gino Capponi (der Ältere), op. cit., S. 245–247.
[24] Brief 291 (15).
[25] Vgl. Gino Capponi (der Ältere), op. cit., S. 251 - 255. In einer Passage, die seltsamerweise an Caterina erinnert, sagt er: „Per lo peccato commesso contro a Santa Chiesa di Dio .... permise Iddio dare questa disciplina a questa nostra città, come appresso si dirà. – Wegen der Sünde, die gegen die heilige Kirche Gottes begangen wurde, ... hat Gott dieser unserer Stadt die Strafe auferlegt, wie im Folgenden erläutert wird.“
[26] Brief 303 (246). Caterina schreibt am Sonntag, dem 18. Juli. Ein weiterer Friedensbote war bereits am Abend zuvor eingetroffen: „Sabato sera giunse l‘ ulivo a un‘ ora di notte; e oggi a vespero giunse l‘ altro. – Am Samstagabend ist der Olivenzweig zu nächtlicher Stunde eingetroffen, und heute zur Vesper kam der andere.“ Vgl. Gino Capponi, op. cit., S. 255, 256 und der Anonimo Fiorentino, S. 365, 366.
[27] Vgl. Rodolico, op. cit., S. 180 ff.
[28] Diario Compagnano, in Corazzini, S. 110 - 112.
[29] Gherardi, op. cit., S. 94 – 96, 221– 223. Die Absolution wurde am 10. August in Santo Spirito durch Fra Agostino della Scarperia formell verkündet, aber die tatsächlichen Bullen trafen erst im Oktober ein. Am 23. Oktober absolvierten der Bischof von Volterra und Fra Francesco aus Orvieto die Stadt feierlich im Namen des Papstes Urban VI. Vgl. Anonimo Fiorentino, S. 373, 387, 388.
[30] Diario Compagnano, loc. cit., S. 113.
[31] Vgl. Legenda, III. vi. 35 (§ 429).
[32] Unveröffentlicht. Anhang, Gardner IV [= Brief 377].