Edmund G. Gardner

Die hl. Caterina von Siena

Eine Studie über Religion, Literatur und Geschichte
des 14. Jahrhunderts in Italien

8. Kapitel

Zwischen Florenz und Avignon

 

Für jemand, der prophetischen Geist besitzt, müssen sich die düsteren Zeichen der Zeit bereits in der Ernennung der Kardinäle gezeigt haben – der zweiten seit der Erhebung Gregors zum Papst –, die am 21. Dezember des Jahres 1375 stattfand. Unter diesen neun neuen Kirchenfürsten befanden sich drei Verwandte des Papstes, darunter Gérard du Puy, der berüchtigte Abt von Marmoutier, der noch immer in der Zitadelle von Perugia belagert wurde. Alle waren Franzosen, mit Ausnahme von Simone Brossano, dem gewählten Erzbischof von Mailand, und Pedro de Luna, einem jungen spanischen Prälaten von adeliger Abkunft, hoher Bildung und offenbar aufrichtiger Frömmigkeit, der eine Professur an der Universität Montpellier innehatte. „Nimm dich in Acht“, sagte Gregor zu Pedro de Luna, „dass dein Mond nicht verfinstert wird.“ Doch gemessen an den scheinbar höheren Maßstäben war der Kardinal von Aragon, wie er genannt wurde, der Einzige der neun, der seiner Erhebung nicht unwürdig war.

Gregors Auswahl der Kardinäle zerstörte alle Hoffnungen auf eine mögliche Erneuerung des Heiligen Kollegiums gründlich. Für Caterina, die gerade nach Siena zurückgekehrt war, als die Nachricht Italien erreichte, schien es ein schlimmer Akt von Feigheit seitens des Papstes zu sein, das Auflegen einer Salbe auf eine tödliche Wunde, wo eher Messer und Brenneisen für das Leben des Patienten notwendig wären. Dies geht aus dem ersten ihrer erhaltenen Briefe an Gregor hervor, den sie offenbar zu Beginn des folgenden Jahres 1376 schrieb, „in dem Verlangen, Euch als fruchtbaren Baum zu sehen, der gepflanzt ist in den Boden einer wahren Selbsterkenntnis.“ Die Eigenliebe hat Prälaten und Untertanen gleichermaßen verdorben, und keiner wagt es, das Werk der Erneuerung in Angriff zu nehmen. „Der Kranke ist blind, denn er kennt seine eigenen Bedürfnisse nicht, und der Hirte, der sein Arzt sein sollte, ist blind, weil er nichts anderes im Sinn hat als seine Annehmlichkeit und seinen Vorteil und – um diesen nicht zu verlieren – weder das Messer der Gerechtigkeit noch das Feuer der glühenden Liebe anwendet. Ein derartiger Hirte ist wahrhaft ein Mietling. Nicht nur weil er seine kleinen Schafe nicht dem Rachen des Wolfes entreißt, sondern weil er sie selbst verschlingt. Und das alles nur, weil er sich selbst ohne Gott liebt und nicht dem lieben Jesus, dem wahren Hirten, folgt, der sein Leben für seine Schafe gegeben hat. Ach, mein Väterchen, liebster Christus auf Erden, ahmt den heiligen Gregor nach, denn für Euch ist es ebenso möglich, die Eigenliebe zu töten, wie für ihn, denn er war ja aus demselben Fleisch und Blut wie Ihr – und es ist derselbe Gott damals wie heute. Uns fehlen nur die Tugend und der Eifer für das Heil der Seelen. Aber dafür gibt es ein Heilmittel, Vater: dass wir nämlich jegliche Liebe zu uns selbst, zu irgendjemand oder sonst etwas aufgeben und nur Gott suchen. Lasst uns nicht mehr an Freunde und Verwandte oder an unsere materiellen Notwendigkeiten denken, sondern nur an die Tugend und an die Förderung der geistlichen Belange. Denn der einzige Grund, warum Euch die zeitlichen Dinge missglücken, ist der, weil Ihr die Sorge um die ewigen Dinge außer Acht gelassen habt.

Ich bitte Euch, schickt nach Lucca und Pisa eine Antwort, so wie Gott es Euch in väterlicher Art eingeben wird. Helft ihnen so weit wie möglich und fordert sie auf, standhaft zu bleiben und durchzuhalten. Ich bin bis jetzt in Pisa und Lucca gewesen und habe sie eindringlich beschworen, sich nicht mit den faulen Gliedern zu verbünden, die sich gegen Euch auflehnen. Aber sie sind in großer Ratlosigkeit, weil sie keine Ermutigung von Euch bekommen, von der Gegenseite aber ständig dazu angestachelt und unter Druck gesetzt werden, sich ihr anzuschließen. Aber bis jetzt haben sie noch nicht völlig eingewilligt. Ich bitte Euch, schreibt an Messer Piero diesbezüglich einen drängenden Brief, und zwar unverzüglich, ohne zu zögern.

Wie ich hörte, habt Ihr einige neue Kardinäle ernannt. Ich glaube, es wäre mehr zur Ehre Gottes und besser für Euch selbst, wenn Ihr stets darauf achten würdet, tugendhafte Männer zu ernennen. Andernfalls wäre das eine schwere Beleidigung Gottes und der Ruin der heiligen Kirche. Und wir dürfen uns nicht wundern, wenn Gott Seine Züchtigungen und Geißeln über uns kommen lässt, denn das ist nur gerecht. Ich bitte Euch, tut mutig und mit Gottesfurcht das, was Euch hier aufgetragen ist.“[1]

Schon damals durfte die Färberstochter aus Siena den Papst mit fast diktatorischen Worten anreden. Und in der Tat hatte Gregor solche starken Ratgeber nötig. Sein neu ernannter Kardinal du Puy musste am 1. Januar 1376 die Zitadelle von Perugia den Aufständischen abtreten. Vierzehn Tage später kehrte die florentinische Streitmacht im Triumph nach Florenz zurück, gekrönt mit Olivenkränzen und unter dem Klang von Musik und Glockengeläut. Caterina war kaum nach Siena heimgekommen, als am Tag der Kapitulation der Zitadelle von Perugia erneut Donato Barbadori als Gesandter in Pisa erschien, der von den Acht in diese Stadt und nach Lucca entsandt worden war, um nochmals die Beendigung ihrer Neutralität einzufordern. Am 13. März schrieb die Signoria von Florenz frohlockend an Bernabo Visconti: „Gestern haben wir durch die Gnade Gottes den Bund mit den Bewohnern von Pisa und Lucca geschlossen.“[2] Allerdings hatten weder Piero Gambacorti noch die Ältesten in Lucca die Absicht – da sie der Liga unter Zwang beigetreten waren –, feindliche Maßnahmen gegen den Papst zu ergreifen. Zudem hatte Lucca ausdrücklich darauf bestanden, dass keiner der Verbündeten gezwungen werden dürfe, jemandem zu helfen, der sich des Eigentums der Kirche bemächtigen wollte.

Unmittelbar nach der Übergabe der Zitadelle von Perugia richtete die Signoria von Florenz einen leidenschaftlichen Appell an die Römer durch Coluccio Salutati, den berühmten Kanzler der Republik; einer seiner Briefe aus späteren Jahren sollte Gian Galeazzo Visconti bedrohlicher erscheinen als eine Armee von zwanzigtausend Mann. Gott hat Mitleid mit Italien gezeigt, schrieb er, und die Herzen seiner Völker gegen die schreckliche Tyrannei der Barbaren gekehrt. Das müsse den Römern, deren Freiheitsliebe sie zu den Herren der Welt machte, besonders gefallen. Sie mögen sich gleichfalls erheben und mitwirken, diesen Abschaum aus Italien hinauszubefördern, denn das wäre eine echt römische Tat. Sie mögen sich nicht von den Vorschlägen der Priester verführen lassen, dass der Papst die Römische Kurie nach Italien zurückbringen wolle, wenn sie den Kirchenstaat unterstützen. Sicherlich würden die Römer nicht dulden, dass Italien zugunsten ihres eigenen Vorteils mit Füßen getreten würde. Das Beispiel Urbans V. habe gezeigt, wie wenig man solchen Versprechungen trauen könne, und, falls der Papst tatsächlich käme, würde er seinen Sitz in Perugia statt in Rom aufschlagen. „Deshalb, liebste Brüder, achtet auf ihre Taten, nicht auf ihre Worte. Denn nicht euer Vorteil, sondern die Gier nach Herrschaft führt sie nach Italien zurück. Lasst euch nicht von honigsüßen Worten täuschen, und lasst nicht zu, dass euer Italien, das eure Vorfahren um einen hohen Blutzoll zum Haupt der Welt gemacht haben, Untertan von Barbaren und Fremden werde. Wiederholt die Worte des berühmten Cato: Wir begehren nicht so sehr frei zu sein, als unter freien Bürgern zu leben.“[3]

Doch die Römer waren entschlossen, die Wiederherstellung des Apostolischen Stuhls in der Ewigen Stadt nicht zu verhindern. „Wir hatten die feste Absicht“, schrieb Gregor wenige Tage später an alle Staaten und Völker Italiens, „mit der Römischen Kurie in die Heilige Stadt und Unsere anderen Städte in Italien zurückzukehren, mit Euch zu leben und zu sterben, Euch von den schweren Lasten zu befreien, die ihr wegen der Kriegswirren – sehr zu Unserem Missfallen und dem Unserer Vorgänger – zu tragen hattet, und Euch im Frieden zu bewahren und mit Hilfe des Allmächtigen milde zu regieren.“[4] Er ernannte weiters einen Römer, Kardinal Francesco Tebaldeschi – einen guten, aber durch Alter und Krankheit geschwächten Mann –, zum Nachfolger des Kardinal-Abtes von Marmoutier als Generalvikar der Kirche im Kirchenstaat. Gleichzeitig versuchte er, durch die Intervention der Königin von Neapel und des Dogen von Genua, die zwei Botschafter, Niccolò Spinelli und Bartolommeo Giacoppi, nach Florenz entsandt hatten, zu einer Einigung mit der Liga zu kommen. Doch noch bevor diese dort eintrafen, erließ Gregor am 11. Februar einen schrecklichen Gerichtsbeschluss gegen die Florentiner, den sie als zu grausam bezeichneten, um ihn auch nur an Schismatiker und Ungläubige zu richten, in dem er ihre tatsächlichen oder angeblichen Vergehen gegen den Heiligen Stuhl aufzählte und alle Bürger, die seit Juni eine amtliche Funktion innegehabt hatten, namentlich aufforderte, noch vor dem letzten Tag des Monats März persönlich in Avignon zu erscheinen. Wenige Tage später erhob sich mit Hilfe der Florentiner die Stadt Ascoli, von der die Freiheit der gesamten Marken abhing, gegen die Kirche, und Gomez Albornoz, der hier nach dem Fall von Perugia Zuflucht gesucht hatte, wurde in der Zitadelle belagert.

Von Siena aus verfolgte Caterina den Verlauf der Ereignisse mit schmerzerfülltem Entsetzen: Io muoio di dolore e non posso morire, schreibt sie: „Ich sterbe vor Kummer und kann nicht sterben.“ Ihr schien es, als ob sich der Rachen der Hölle öffnete und die Teufel die Seelen der Menschen von allen Seiten wegschleppten. Obwohl sie vollkommen zugestand, dass die Ungerechtigkeiten und die Unterdrückung durch die päpstlichen Beamten die eigentliche Ursache des Krieges waren und dass, menschlich gesprochen, der Aufstand der Städte innerhalb des Kirchenstaates weitgehend gerechtfertigt war, betrachtete sie die Rebellion gegen den Papst an sich als schwere Sünde und infolgedessen die Politik der Florentiner als geradezu teuflisch. Ihre Seele ist zerrissen zwischen Italien und der Kirche, zwischen Freiheit und Glauben; und so erklärt sich auch die zuweilen seltsame Inkonsequenz der Briefe, mit denen sie versuchte, die streitenden Parteien als Anwälte der Liebe und des Friedens zu gewinnen.

Niccolò Soderini war für die ersten zwei Monate des Jahres 1376 zu einem der Prioren der Republik Florenz gewählt worden und sah sich nur widerwillig zu einer feindlichen Haltung gegenüber der Kirche gezwungen. An ihn schrieb Caterina „mit dem Wunsch, Euch als Glied zu sehen, das so fest in das Band der Liebe hineingebunden ist, so dass Ihr an dieser wahren Liebe teilhaben könnt. Denn da Ihr nun mit einem Leitungsamt betraut und in die Signoria aufgenommen wurdet, könnt Ihr das Mittel sein, um alle diese Glieder, Eure Mitbürger, zu binden, damit sie nicht in einer solchen Gefahr der Verdammnis von Seele und Leib bleiben.“ Wer sich gegen die Kirche wendet, schließt sich von den Sakramenten aus und verachtet das Blut Christi. Wenn sie sich demütig zeigen wollten, wäre der Papst bereit, sie zu empfangen. Er lädt sie zum Frieden ein, trotz des Unrechts, das sie ihm angetan haben. Sie täuschen sich, wenn sie sich für die beleidigte Partei halten, denn die Sünden der Diener Gottes hätten Seiner Bestrafung überlassen bleiben müssen. „Ich bitte Euch, Niccolò, um der unermesslichen Liebe willen, mit der Gott Euch geschaffen und so wunderbar erlöst hat, bemüht Euch in Eurer Position (denn Gott hat Euch dieses Amt nicht ohne einen großen verborgenen Zweck verliehen), Frieden und Einigung zwischen Euren Mitbürgern und der heiligen Kirche zustande zu bringen, damit Ihr selbst und die gesamte Toskana nicht in Gefahr geratet.“[5]

Und an den Papst schrieb sie, er solle die aufständischen Städte allein durch Liebe zurückgewinnen: „O mein liebes heiligstes Väterchen, ich sehe kein anderes Mittel, um Eure verlorenen Schäflein zurückzubekommen, die sich in rebellischem Ungehorsam von der Hürde der heiligen Kirche hinausverirrt haben. Deshalb bitte ich Euch im Namen des gekreuzigten Christus – und ich wünschte, Ihr würdet auch mir diese Gnade erweisen: besiegt ihre Bösartigkeit mit Eurer Güte. Wir gehören Euch, Vater. Und ich weiß, dass sie alle grundsätzlich ihr begangenes Unrecht einsehen. Aber wenn sie auch keine Entschuldigung für ihre bösen Taten haben, so schien es ihnen doch wegen der Härte und der grausamen Ungerechtigkeit, die sie durch schlechte Hirten und Gouverneure erdulden mussten, unmöglich, anders zu handeln. Denn als sie den Gestank der Lebensweise vieler ihrer Verwalter wahrnahmen, von denen Ihr wisst, dass es Teufel in Menschengestalt sind, gerieten sie in solch übermäßige Furcht, dass sie wie Pilatus handelten, der Christus töten ließ, um die Herrschaft nicht zu verlieren. Genauso haben sie gehandelt, denn sie haben Euch verfolgt, um ihren Einfluss nicht zu verlieren. Ich bitte also um Gnade für sie, Vater. Schaut nicht auf die Unwissenheit und den Stolz Eurer Söhne, sondern bringt uns elenden Kindern, die Euch beleidigt haben, durch Liebe und Wohlwollen den Frieden, indem Ihr sie milde straft und gütig ermahnt, wie es Eurer Heiligkeit gefällt. Ich versichere Euch, lieber Christus auf Erden, im Namen Christi im Himmel: Wenn Ihr so handelt, ohne Sturm und Streit, werden sie alle kommen, betrübt über die begangene Sünde und ihren Kopf in Euren Schoß legen. Dann werdet Ihr Euch freuen und ebenso wir alle: da Ihr durch Liebe das verlorene Schäflein wieder in den Schafstall der heiligen Kirche zurückgeführt habt. Und dann, mein liebes Väterchen, könnt Ihr Euer heiliges Verlangen und den Willen Gottes erfüllen, indem Ihr das heilige Unternehmen durchführt, zu dem ich Euch in Seinem Namen auffordere, es bald und ohne Nachlässigkeit zu beginnen. Dann werden sie sich mit großer Anhänglichkeit anschließen und bereit sein, ihr Leben hinzugeben für Christus.

O Gott, süße Liebe! Erhebt bald das Banner des heiligsten Kreuzes, Väterchen, und Ihr werdet sehen, wie die Wölfe zu Lämmern werden! Friede, Friede, Friede! – damit der Krieg nicht diesen schönen Augenblick verzögert! Wenn Ihr aber unbedingt Vergeltung und Gerechtigkeit üben wollt, dann tut das an mir elendem und unglücklichem Weib und verhängt über mich jede Qual und jeden Schmerz, wie es Euch gefällt, bis hin zum Tod. Ich glaube, der Gestank meiner eigenen Sünden war die Ursache der vielen Übel, Uneinigkeiten und großen Misslichkeiten. So nehmt also an mir, Eurer erbärmlichen Tochter, Rache, soviel, als Ihr wollt. Wehe, Vater, ich sterbe vor Kummer und kann doch nicht sterben. Kommt, kommt, und widersteht nicht länger dem Willen Gottes, der Euch ruft. Die ausgehungerten Schäflein warten darauf, dass Ihr kommt, um den Platz Eures Vorgängers und Vorbildes, des Apostels Petrus, in Besitz zu nehmen. Denn als Stellvertreter Christi seid Ihr verpflichtet, an Eurem angestammten Platz zu verweilen. Kommt also, kommt und zögert nicht länger. Fasst Euch ein Herz und fürchtet nichts, was noch geschehen könnte, denn Gott wird mit Euch sein.“[6]

Die Florentiner hatten bereits an die Kardinäle Piero Corsini und Jacopo Orsini appelliert, sie vor dem päpstlichen Gericht zu vertreten, und versprochen, Botschafter zu schicken, um ihre Unschuld zu beweisen. Caterina schrieb ebenfalls an diese beiden Prälaten und bat sie inständig, ihren Einfluss geltend zu machen, um das Eintreffen des Papstes in Italien und den Beginn des Kreuzzugs zu beschleunigen. Sie forderte den aus Florenz gebürtigen Kardinal Corsini auf, sich durch sein Wort und sein Beispiel für die Reform der Kirche einzusetzen, und den aus Rom stammenden Orsini, den Papst zu bedrängen, er möge mit den aufständischen Städten Frieden schließen.[7] Doch die Florentiner ließen sich nicht dazu bewegen, die Waffen niederzulegen, während sich eine Stadt nach der anderen im Kirchenstaat – darunter Anfang März auch Assisi – gegen die kirchlichen Beamten erhob und der Liga beitrat.

Die beiden päpstlichen Gesandten trafen schließlich aus Bologna ein und unterbreiteten im Namen des Papstes drei verschiedene Angebote: einen fünfjährigen Waffenstillstand mit Bernabo, den Florentinern und ihren Verbündeten, wobei die aufständischen Städte in der Zwischenzeit ihren üblichen Tribut an die apostolische Schatzkammer zu entrichten hätten; einen ewigen Frieden mit Bernabo und den Florentinern und einen Waffenstillstand für die Dauer von fünf Jahren mit den anderen, die – wie im ersten Fall – weiter ihren Tribut zahlen sollten; einen allgemeinen Frieden mit der gesamten Liga, wobei die Frage der aufständischen Städte – nach eigener Wahl der Florentiner – entweder dem König von Ungarn, der Königin von Neapel oder dem Herrn von Padua zur Entscheidung vorgelegt werden solle.[8] Diese Bedingungen wurden von den Florentinern zurückgewiesen. Ihre Agenten waren in Bologna beschäftigt, wo Kardinal de Noellet im Verdacht stand, die Festungen der Kommune an Hawkwood verpfänden zu wollen, wie er es bereits mit Bagnacavallo getan hatte, um die Engländer zu bezahlen.

In der Nacht des 20. März erhoben sich die Bologneser Adeligen unter der Führung von Taddeo Azzoguidi gegen den Legaten, während die kleinen „Signori“ aus dem Umland mit florentinischer Unterstützung und ihren bewaffneten Gefolgsleuten in die Stadt eindrangen. Vom Angriff überrascht, übergab der Kardinal die Schlüssel zu den Toren und Burgen, und seine Söldner leisteten keinen Widerstand. Diese Nachricht löste in Florenz überschäumenden Jubel aus, denn, so der Bologneser Chronist, „alle Anstrengungen, die sie unternommen hatten, um den Kirchenstaat zu stürzen, wären umsonst gewesen, hätte Bologna nicht rebelliert.“[9] Eine starke Streitmacht aus Fußtruppen mit dem Banner der Freiheit unter Führung von Conrad Wertingen wurde sofort nach Bologna entsandt und enthusiastisch begrüßt. Die Regierung der Stadt wurde in die Hände von sechzehn Stadtvätern gelegt, vier aus jedem Viertel, und der Kardinal wurde nach Ferrara eskortiert, wo der Marquis sich für die Kirche einsetzte.

Bagnacavallo und Faenza waren noch in Händen der Papisten, erstere unter Hawkwood, letztere regiert von einem französischen Prälaten mit dem Titel eines Grafen der Romagna. Da er um seine Position fürchtete, rief er Hawkwood und die Engländer herbei, die unter dem Ruf Viva la Chiesa in Faenza eindrangen, die Stadt plünderten und alle Einwohner vertrieben, mit Ausnahme einiger Frauen, die sie zu ihrem eigenen Vergnügen zurückbehielten. Zwei von Hawkwoods Anführern oder caporali kämpften um den Besitz eines schönen jungen Mädchens, einer Novizin aus einem der Klöster, die ihren himmlischen Bräutigam und dessen Mutter um Hilfe anrief, sie zu retten, als Hawkwood hinzukam. Da es ihm nicht gelang, die beiden zu trennen, erstach er das Mädchen mit seinem eigenen Degen. „Und so“, schreibt Fra Filippo, „wurde sie von der Jungfrau Maria erhört und befreit. Als Jungfrau und Märtyrerin und Braut ihres Sohnes trug sie sie fort in das Reich des ewigen Lebens, wie im Psalm (125,3) ge­schrieben steht: damit die Hand der Gerechten nicht nach Unrecht greift.“[10] Wenig später verkaufte Hawkwood sowohl Bagnacavallo als auch Faenza an den Marquis von Ferrara, um seine Lohnrückstände auszugleichen, die ihm die Kirche schuldete.

Trotz der Vertreibung des Legaten aus Bologna war die Lage der Florentiner äußerst kritisch. Sollte der Papst sein Urteil verkünden und die Nationen dazu bewegen können, es zu verwirklichen, würde der gesamte Handelsverkehr der Republik zerstört werden. Gerüchte kursierten bereits, wonach in Marseille in aller Eile päpstliche Galeeren ausgerüstet würden, um ihren Handelsverkehr zu überfallen, und dass ein großes Heer furchtbarer bretonischer Söldner in den Dienst der Kirche gestellt würde. Es ging vor allem darum, Zeit zu gewinnen. „Unter dem Druck dieser Maßnahmen“, schreibt Fra Raimondo, „sahen sie sich gezwungen, mit dem Papst in Friedensverhandlungen zu treten, wobei sie vor allem um solche Personen als Vermittler bemüht waren, die sie als Vertraute des Papstes kannten. Es war ihnen aber zu Ohren gekommen, dass die heilige Jungfrau wegen des Rufes ihrer Heiligkeit in den Augen des Papstes großes Ansehen genoss. Aus diesem Grund fassten sie den Beschluss, dass zuerst ich im Namen der Jungfrau Caterina zum Papst gehen sollte, um seine Empörung zu beschwichtigen.“ Raimondo sollte offenbar den Papst im Hinblick die beiden florentinischen Gesandten günstig stimmen, die bereits auf dem Weg waren.

Raimondo brach etwa in der vierten Märzwoche auf, begleitet von Giovanni Tantucci, Felice da Massa und anderen aus Caterinas Gefolge, mit einem Empfehlungsschreiben von Caterina an den Papst, das uns noch erhalten ist, in dem sie den zaudernden Pontifex bittet, sich mit Hilfe der göttlichen Gnade zu einem Werkzeug des Friedens für die ganze Welt zu machen. Sie bittet ihn im Namen des gekreuzigten Christus, die schlechten Hirten und Herrscher auszurotten, die „voll Unreinheit sind, voll Gier und aufgeblasen von Stolz“, die fauligen Pflanzen, die den Garten der Kirche vergiften und verkommen lassen, und an ihrer Stelle „duftende Blumen zu pflanzen, Hirten und Verwalter, die wahre Diener des gekreuzigten Jesus Christus sein wollen, die auf nichts anderes bedacht sind als auf die Ehre Gottes und das Heil der Seelen und die den Armen gegenüber väterlich gesinnt sind.“ Im Vergleich zu den Tugenden vieler Laien sei der luxuriöse Lebenswandel, den die Prälaten bisher führten, eine Schande. „Aber es scheint, dass die höchste und ewige Güte mit Gewalt bewirkt, was nicht aus Liebe geschehen ist. Es scheint, dass Gott es zulässt, dass seiner Braut Würde und Annehmlichkeiten genommen werden, um dadurch zu zeigen, wie er die heilige Kirche in ihren ursprünglichen Zustand der Armut, Demut und Sanftmut zurückversetzt sehen möchte, entsprechend jener heiligen Zeit, als die Hirten nur auf die Ehre Gottes und das Heil der Seelen bedacht waren und sich nicht um die weltlichen Dinge kümmerten, sondern um die geistlichen. Als sie sich dann aber mehr den zeitlichen als den ewigen Angelegenheiten zuwandten, wurden die Zustände immer schlimmer.“

Der Papst solle sich ein Herz fassen und nichts fürchten; wenn er nur nach Italien kommt und das Banner des Kreuzes aufrichtet, wird alles gut werden. Aber er muss wie ein sanftmütiges Lamm kommen, „nur mit der Macht der Liebe bewaffnet und einzig besorgt um die geistlichen Dinge … Entsprecht dem Ruf Gottes, der Euch auffordert, den Platz des ruhmreichen Hirten einzunehmen, des heiligen Petrus, dessen Stellvertreter Ihr seid. Erhebt das Banner des heiligen Kreuzes. Kommt, und Ihr werdet die Kirche durch gute Hirten erneuern. Ihr werdet ihr die Farbe der glühenden Liebe wieder zurückgeben, die sie eingebüßt hat, nachdem ihr von den verderbten Schlemmern bereits so viel Blut ausgesaugt wurde, dass sie ganz blass geworden ist. Habt also Mut und kommt, Vater, und lasst die Diener Gottes nicht warten, die von Verlangen gequält sind! Ich arme Erbärmliche kann nicht mehr länger warten: Obwohl lebendig, scheine ich vor Schmerz zu sterben, wenn ich sehe, wie Gott verhöhnt wird. Schiebt den Frieden nicht auf wegen der Vorfälle in Bologna, sondern kommt. Denn ich versichere Euch, dass die reißenden Wölfe ihre Köpfe wie sanftmütige Lämmer in Euren Schoß legen und Euch bitten werden, Vater, ihnen zu verzeihen. Ich sage nichts weiter. Ich bitte Euch, Vater, hört aufmerksam auf das, was Fra Raimondo und die anderen Söhne, die mit ihm kommen, Euch berichten werden. Sie kommen im Namen des gekreuzigten Christus und in meinem Namen. Denn sie sind wahre Diener Christi und Kinder der heiligen Kirche.“[11]

Kurze Zeit später schrieb sie an Raimondo und seine Gefährten: „Ich möchte sterben und kann nicht sterben, ich möchte bersten und kann nicht bersten, vor Verlangen, das ich nach der Erneuerung der heiligen Kirche, nach der Ehre Gottes und dem Heil der Geschöpfe hege – und im Verlangen, Euch und die anderen mit Reinheit bekleidet zu sehen, entflammt und aufgezehrt in seiner brennenden Liebe. Sagt dem Christus auf Erden, er solle mich nicht länger warten lassen. Und wenn ich ihn sehe, werde ich mit dem lieben alten Simeon singen: Nun lässt Du, Herr, Deinen Diener, wie Du gesagt hast, in Frieden scheiden.“[12]

Alle unmittelbaren Aussichten auf eine Versöhnung zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl schienen durch die Revolte von Bologna und die Plünderung von Faenza zerschlagen zu sein. Am letzten Tag des Monats März forderte Jacopo di Ceva, der Finanzberater der Kurie, der den Prozess formuliert hatte, vor dem versammelten Konsistorium die Verkündigung des Urteils gegen die Florentiner. Deren beide Gesandte, Donato Barbadori und Alessandro dell‘ Antella, erschienen weisungsgemäß, um die Kommune und die beschuldigten Bürger zu vertreten, die, wie sie sagten, nicht persönlich erscheinen konnten, da sie alle in Florenz in Gefangenschaft wären. Sie beteuerten die Unschuld der Republik, malten ein grelles Bild von den üblen Taten der päpstlichen Legaten und erbaten eine Verlängerung der Frist, damit sie auf alle Anschuldigungen umfassend antworten könnten. Daraufhin verhängte Gregor feierlich das Interdikt über Florenz, er widerrief alle Privilegien, die von seinen Vorgängern gewährt worden waren, erklärte die Güter aller Florentiner für beschlagnahmt und ihre Besitztümer und ihre Personen zur freien Beute all jener, die sich ihrer bemächtigen konnten. Er untersagte unter denselben Strafandrohungen allen Privatpersonen, Kommunen oder Fürsten, mit ihnen in irgendeiner Weise Geschäfte zu machen oder sie zu begünstigen, wobei alle bestehenden Verpflichtungen aufgehoben wurden, und drohte, die Waffen aller Mächte der Christenheit gegen die gesamte Nation zu mobilisieren. Die Acht wurden zusammen mit einundfünfzig anderen namentlich genannten Bürgern (unter denen sich auch Niccolò Soderini befand) exkommuniziert und mit ihren Söhnen und Enkeln formell aller Bürgerrechte und jedes rechtlichen Schutzes beraubt, sollten sie nicht bis zum 30. Mai in Avignon erscheinen. Gegen diesen Urteilsspruch erhob Donato Barbadori einen leidenschaftlichen und feierlichen Protest im Namen der Republik: Er wandte sich an das große Kruzifix, das gegenüber dem päpstlichen Thron hing, und appellierte vom Papst an Christus selbst: „Schau auf mich herab, o Gott meines Heiles, und errette mich. Bleibe bei mir, denn mein Vater und meine Mutter haben mich verlassen.“[13]

Während diese Dinge in Avignon geschahen, hatte Caterina in Siena eine Vision, in der ihr schien, der göttliche Bräutigam wolle ihr auftragen, mit dem Kreuz auf ihren Schultern und dem Olivenzweig in der Hand zwischen der Kirche und ihren Gegnern zu vermitteln:

„In der Nacht zum ersten April“, schreibt sie an Raimondo und seine Gefährten, „erschloss mir Gott Seine Geheimnisse deutlicher, und Er machte Seine wunderbaren Mysterien auf solche Weise sichtbar, dass meine Seele sich nicht mehr im Körper zu befinden schien und eine solche Fülle des Entzückens erfuhr, wie keine Zunge sie beschreiben kann. Dann erläuterte Er mir unter anderem das Geheimnis der Verfolgung, die die heilige Kirche derzeit erleidet, sowie der Erneuerung und Erhöhung, die sie in der Zukunft erfahren sollte, wobei Er sagte, dass die gegenwärtige Zeit geduldet sei, um ihr ihre wahre Gestalt wiederzugeben.[14] Dann zitierte die erste süße Wahrheit einige Worte aus dem heiligen Evangelium: Es ist notwendig, dass Ärgernisse in die Welt kommen; aber wehe dem Menschen, durch den das Ärgernis kommt; wie um auszudrücken: ‚Ich dulde zwar diese Zeit der Verfolgung, um Meiner Braut die Dornen herauszuziehen, denn sie ist von Dornengestrüpp umwuchert. Aber die bösen Absichten der Menschen dulde Ich nicht. Weißt du, was Ich tun werde? Ich mache es wie damals, als Ich in der Welt war: Ich machte eine Geißel aus dünnen Stricken und trieb die Händler aus dem Tempel hinaus, weil Ich nicht dulden wollte, dass das Haus Meines Vaters zu einer Räuberhöhle werde. Und Ich sage dir, dasselbe werde Ich auch jetzt tun: Denn Ich habe eine Geißel aus Geschöpfen gebunden und mit dieser Geißel treibe Ich die unreinen, gierigen, habsüchtigen und stolzen Händler, die mit den Gaben des Heiligen Geistes Geschäfte machen, hinaus.‘ Ich entnahm daraus, dass Er sie durch die Geißel menschlicher Verfolgung vertreiben wollte; das bedeutet, durch Leiden und Verfolgung wollte Er sie von ihrem ungeordneten und unreinen Lebenswandel befreien. Und während das Feuer heiligen Verlangens heftiger in mir glühte, sah ich das Volk – Christen und Ungläubige – in die Seitenwunde des gekreuzigten Christus einziehen. Voll Verlangen und von Liebe erfüllt ging ich in ihrer Mitte und zog mit ihnen in den süßen Christus Jesus ein, begleitet von meinem heiligen Ordensvater, dem heiligen Dominikus, und meinem geliebten Johannes mit allen meinen Kindern.[15] Dann legte Er das Kreuz auf meine Schultern und gab mir den Olivenzweig in die Hand, wie ich es mir gewünscht hatte, und hieß mich, sie dem einen und dem anderen Volk zu bringen. Und Er sprach zu mir: ‚Sage ihnen: Ich verkünde euch eine große Freude.‘ Da wurde meine Seele noch mehr erfüllt; und hineingetaucht in die göttliche Wesenheit, zusammen mit den Seligen in inniger Verbundenheit und Liebe, empfand ich dabei ein solches Entzücken, dass die frühere Betrübnis, die ich beim Anblick der Beleidigung Gottes empfunden hatte, wie verschwunden war und ich ausrief: ‚O gesegnete und glückbringende Schuld.‘“[16]

Im Lichte dieser Vision bot Caterina einige Tage vor Ostern, das in diesem Jahr auf den 13. April fiel, der Republik Florenz ihre Dienste als Vermittlerin zwischen ihr und dem Papst an, „in Erinnerung an das Wort, das unser Erlöser zu seinen Aposteln sprach: Voll Sehnsucht habe ich danach verlangt, dieses Paschamahl mit euch zu essen, bevor ich leide.“ Das Paschamahl, das sie mit den Florentinern essen wollte, war das des Friedens und der Einigkeit mit der Kirche, durch die allein sie die österlichen Geheimnisse erlangen könnten, die Früchte des Blutes Christi und das Erbe des ewigen Lebens.

„Ihr wisst wohl“, schrieb sie, „dass Christus uns seinen Stellvertreter hinterlassen hat, und zwar als Hilfe für unsere Seelen. Denn wir können unser Heil nicht anders erlangen als im mystischen Leib der heiligen Kirche, dessen Haupt Christus ist und worin wir die Glieder sind. Wer dem Christus auf Erden, der den Christus im Himmel vertritt, nicht gehorcht, hat keinen Anteil an der Frucht des Blutes des Gottessohnes. Denn Gott hat verfügt, dass uns dieses Blut durch seine Hände gespendet und gegeben wird und ebenso alle Sakramente der heiligen Kirche, die von diesem Blut das Leben empfangen. Wir können keinen anderen Weg gehen und durch keine andere Tür eintreten, denn die erste Wahrheit hat gesagt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“

Wer sich gegen die Kirche auflehnt, ist ein verfaultes Glied, und was seinem Stellvertreter auf Erden angetan wird, sei es Ehrerbietung oder Beleidigung, das wird Christus im Himmel angetan. „Wenn also Gott mit Euch im Krieg steht wegen des Unrechts, das ihr gegen unseren Vater und seinen Stellvertreter begangen habt, dann versichere ich Euch, dass Ihr unterlegen seid, weil Ihr seine Hilfe verloren habt. Ich will zugestehen, dass viele nicht glauben, dass sie damit Gott beleidigen, sondern meinen, sie würden ihm einen Dienst erweisen, indem sie die Kirche und ihre Hirten verfolgen, und die zu ihrer Verteidigung sagen: ‚Sie sind voll Bosheit und tun alles Böse.‘ Aber ich versichere euch, dass Gott es will und so bestimmt hat, dass – selbst wenn die Hirten und der Christus auf Erden fleischgewordene Teufel wären (wobei letzterer ein guter und wohlwollender Vater ist) – wir ihnen untertan und gehorsam sein müssen, nicht ihres Verhaltens wegen, sondern um Gott gehorsam zu sein und weil dieser der Stellvertreter Christi ist.“

Wenn sie sich mit ihm versöhnen ließen, würde die gesamte Toskana äußeren und inneren Frieden haben, und der Krieg würde sich gegen die Ungläubigen verlagern. Andernfalls „wird über Euch und über die ganze Toskana eine so schlimme Zeit kommen, wie sie unsere Vorfahren noch nie erlebt haben. Glaubt nicht, dass Gott schläft, wenn seine Braut beleidigt wird.“ Sie mögen dieses Paschamahl des Friedens und der Einigkeit innerhalb des Leibes der Kirche essen, wo man die Nahrung der Seele erhält und das Hochzeitsgewand für das Festmahl des ewigen Lebens. „Verzeiht meine Vermessenheit und schreibt sie meiner Liebe für Euer leibliches und geistliches Wohl zu und meiner Sorge über den Schaden, den Ihr geistlich und materiell erleidet. Und glaubt mir, dass ich es Euch lieber mündlich gesagt hätte als durch diesen Brief. Wenn durch mich etwas zur Ehre Gottes getan werden kann, um Euch mit der heiligen Kirche zu versöhnen, so bin ich bereit, mein Leben zu geben, wenn es nötig sein sollte.“[17]

Caterina hatte soeben eine Nachricht von Raimondo aus Avignon erhalten, die sie mit Frieden und Jubel erfüllte. Vermutlich war er, wie viele andere auch, von der Milde des Papstes beeindruckt gewesen und hatte seine friedliebende Gesinnung falsch eingeschätzt. „Freut euch, freut euch und jubelt“, schreibt sie in ihrem Osterbrief an ihn und seine Gefährten, „denn die Zeit ist nahe, in der der Frühling uns süß duftende Blumen bringen wird. Und wundert euch nicht, wenn ihr das Gegenteil kommen seht, sondern seid gerade dann sicherer denn je. Ich möchte nicht eher ruhen, als bis ein Messer meine Kehle zur Ehre Gottes durchtrennt, damit mein Blut in den mystischen Leib der heiligen Kirche ausgegossen wird.“ Und im Postskriptum schlägt sie – vorbehaltlich der Zustimmung Raimondos – vor, Neri di Landoccio an den päpstlichen Hof zu entsenden, um „für den Frieden jener faulen Glieder zu wirken, die sich gegen die heilige Kirche aufgelehnt haben.“[18]

Caterina konnte Neri an ihrer Seite nun leichter entbehren, weil ihre geistliche Familie gerade ein neues Mitglied ähnlicher Art bekommen hatte, das bald ihr auserwählter Freund und geliebtester Schüler werden sollte: Stefano di Corrado Maconi. 1347 geboren, war Stefano gleich alt wie Caterina. Seine Eltern, Messer Corrado und Madonna Giovanna Bandinelli Maconi, gehörten zu den bekannten Familien unter dem niedrigen Adel von Siena, nachdem ein früheres Mitglied der Familie sogar seinen Platz im Inferno des großen Florentiners gefunden hatte. Jung und galant, in einem unter den Adeligen der damaligen Zeit ungewöhnlichen Ausmaß gebildet, zeichnete sich Stefano gleichermaßen durch die Liebenswürdigkeit und Reinheit seines Charakters aus, obwohl er das gesellschaftliche Leben seines Standes und seiner Stadt vollkommen teilte. Durch einen Streit in einer Ehrensache bei einer gesellschaftlichen Veranstaltung waren die Maconi in eine Fehde mit den mächtigen Familien der Tolomei und Rinaldini hineingeraten, und Stefano fühlte sich gezwungen, für die Ehre seiner Angehörigen etwas zu unternehmen. Die Maconi hätten gerne Frieden geschlossen, aber die Tolomei und Rinaldini wollten – trotz der Intervention vieler einflussreicher Bürger – nichts von Versöhnung wissen. Schließlich überredete seine fromme Mutter, Giovanna Maconi, Stefano, eine Unterredung mit Caterina zu suchen, und ein adeliger Freund von ihnen, Pietro Bellanti, der selbst durch ihre Vermittlung mit einem Todfeind versöhnt worden war, erbot sich, ihn zu ihr zu bringen. „Ich besuchte sie also, und sie empfing mich nicht wie eine schüchterne Jungfrau, wie ich erwartet hatte, sondern mit größter Herzlichkeit, als würde sie einen aus fernen Landen heimkehrenden Bruder liebevoll empfangen. Darüber war ich erstaunt, und ich achtete auf ihre eindringlichen und heiligen Worte, mit denen sie mich zur Beichte und zu einem tugendhaften Leben nicht nur ermunterte, sondern geradezu drängte. Ich sagte mir: ‚Hier ist der Finger Gottes.‘ Und als sie den Grund meines Besuchs erfahren hatte, antwortete sie zuversichtlich: ‚Geh, mein lieber Sohn, und vertrau auf den Herrn, denn ich will mich gerne darum bemühen, dass ihr den vollkommenen Frieden erreichen werdet; doch lass es zu, dass ich die ganze Last dieser Angelegenheit auf mich nehme.‘“

Stefano berichtet uns lediglich, dass sie durch ihre Vermittlung auf wundersame Weise Frieden erlangten, sogar gegen den Willen ihrer Feinde. Aber wir verdanken der Feder seines Karthäuser-Biografen die dramatische Geschichte, wie an dem Tag, den Caterina für ein Treffen aller Parteien in der Kirche San Cristoforo auf der Piazza Tolomei anberaumt hatte, Corrado und Stefano mit ihren Verwandten vereinbarungsgemäß zur Stelle waren, die Tolomei und die Rinaldini jedoch nicht erschienen, um auf diese Weise eine neue Beleidigung hinzuzufügen und die Versöhnung unmöglich zu machen. „Sie wollen mich nicht hören“, sagte Caterina, „aber wenn Gott spricht, werden sie hören müssen.“ Als sie betete und vor dem Altar in Ekstase fiel, zog eine geheimnisvolle Kraft die Tolomei und die Rinaldini unabhängig voneinander zur Kirche. Ein himmlisches Licht durchstrahlte die ausgezehrte kniende Gestalt im schwarz­-weißen Habit. Und die zerstrittenen Adeligen, die dies als ein Zeichen Gottes erkannten, legten den ganzen Streit in ihre Hände, hörten ergeben auf ihre Worte und tauschten Vergebung und den Kuss der Freundschaft mit denen aus, die eine Stunde zuvor noch ihre tödlichsten Feinde gewesen waren.[19]

Während Caterina mit dieser Versöhnung befasst war, besuchte Stefano sie häufig; manchmal bat sie ihn zu seiner unaussprechlichen Freude, Briefe nach ihrem Diktat für sie zu schreiben. Bald schon gehörte er ihr mit Herz und Seele, entflammt von der göttlichen Liebe, die immer in ihr brannte. Er freute sich, wenn er dadurch zur Zielscheibe der Scherze in der Stadt wurde und die Spötter ihm Caterinato nachriefen, wenn er durch die Straßen ging. Im Gegenzug liebte ihn Caterina mit einer so besonderen Zuneigung, dass, wie er uns berichtet, viele ihrer anderen Gefolgsleute ihr dies übelnahmen und eine gewisse Eifersucht gegen ihn hegten. Neri gehörte allerdings nicht zu diesen, denn er und Stefano hatten von Beginn an eine tiefe Freundschaft geschlossen, die erst mit dem Tod Neris enden sollte. Stefano wurde nun eine Zeit lang Caterinas bevorzugter Sekretär. „Nach kurzer Zeit“, schreibt er, „sagte die heilige Jungfrau im Geheimen zu mir: ‚Liebster Sohn, du sollst wissen, dass dein größter Wunsch bald in Erfüllung gehen wird.‘ Darüber war ich sehr erstaunt, denn ich konnte mir nicht vorstellen, was ich mir in der Welt, die ich ja eher ganz zu verlassen gedachte, wünschen sollte. Daher fragte ich: ‚O liebste Mutter, was meint Ihr mit dem größten Wunsch, den ich habe?‘ Sie antwortete: ‚Schau‘ in dein Herz.‘ Und ich erwiderte: ‚Gewiss, liebste Mutter, ich kann keinen größeren Wunsch in mir finden, als immer in Eurer Nähe zu sein.‘ Darauf sagte sie geradewegs: ‚Und das wird geschehen.‘ Ich aber konnte mir nicht vorstellen, wie dies auf ehrenhafte und angemessene Weise geschehen sollte, wenn ich unsere unterschiedlichen Verhältnisse und Stellung in Erwägung zog. Er aber, dem nichts unmöglich ist, ordnete auf wunderbare Weise an, dass sie nach Avignon zu Gregor XI. gehen sollte. Und so wurde ich, obgleich unwürdig, in diese heilige Gemeinschaft aufgenommen, wobei ich es für eine Kleinigkeit hielt, Eltern, Brüder, Schwestern und Verwandte zu verlassen, und ich mich glücklich schätzte, die Anwesenheit und vertraute Freundschaft der Jungfrau Caterina zu genießen.“[20]

Neri di Landoccio brach vermutlich von Florenz aus nach Avignon auf. „Dir, liebster und teuerster Sohn in Christus, dem lieben Jesus“, so begann Caterina ihren Brief an ihn, während er in Pisa auf ein Schiff wartete, das ihn nach Marseille bringen sollte, „schreibe ich in seinem kostbaren Blut, mit dem Wunsch, Dich vereint und verwandelt zu sehen im Feuer der brennendsten Liebe, damit Du ein Gefäß der Liebe wirst, um den Namen und das Wort Gottes mit seinen großen Geheimnissen in die Gegenwart unseres lieben Christus auf Erden zu tragen, und damit es Dir gelingen möge, sein Verlangen zu entfachen.“ Neri war der Überbringer eines Briefes, in dem der Papst gebeten wurde, Christus, den guten Hirten, in seinem Umgang mit den Rebellen nachzuahmen, Frieden mit ihnen zu schließen und seine Macht in den Dienst der Erneuerung der Kirche zu stellen. „Ich bitte Euch, hochwürdiger Vater, wenn es Euch möglich ist und Eurem Willen entspricht, so gewährt Neri, dem Überbringer dieses Briefes, was er von Euch erbitten wird. Ich bitte Euch, ihm Gehör zu schenken und zu glauben, was er Euch sagen wird. Und weil es manchmal nicht möglich ist, das zu schreiben, was man gerne sagen möchte, füge ich hinzu: Wenn Ihr mir irgendeine geheime Botschaft übermitteln wollt, dann sagt es ihm mündlich im Vertrauen (Ihr könnt es in aller Zuversicht tun), was auch immer durch mich vollbracht werden kann. Wenn es nötig wäre, mein Leben opfern, so wäre ich dazu gerne bereit zur Ehre Gottes und für das Heil der Seelen.“[21]

Caterinas Appell hatte die Florentiner in einem günstigen Moment erreicht. Obwohl Niccolò Soderini nicht mehr in der Regierung war, gab es in der Signoria, die in den Monaten März und April im Amt war, zumindest einen gemäßigten Mann: Buonaccorso di Lapo Giovanni. Die Zeit drängte: Päpstliche Boten waren von Avignon in alle Richtungen ausgesandt worden, um jedem Herrscher und Gemeinwesen zu gebieten, die Beziehungen zu den Florentinern abzubrechen und sie aus ihrem Hoheitsgebiet zu vertreiben, und viele Staaten hatten gehorcht. Päpstliche Galeeren fingen Florentiner Schiffe ab und machten Beute aus ihrer Handelsware; die bretonischen Söldner formierten sich rasch. Caterinas Vermittlungsangebot wurde angenommen, und Anfang Mai kam sie in Begleitung von Stefano Maconi, Fra Bartolommeo di Domenico und ihrer üblichen Gefolgschaft aus Männern und Frauen nach Florenz. Die neue Signoria war weniger friedliebend gesinnt als ihre Vorgängerin, denn zu ihr gehörte nun auch Giovanni Dini, einen der Acht. Dennoch kamen ihr die Prioren durch das Stadttor entgegen und baten sie, in ihrem Namen nach Avignon zu gehen, um den Botschaftern, die sie entsenden wollten, wenigstens eine wohlwollende Anhörung zu sichern.

Während der wenigen Wochen, die Caterina in Florenz verbrachte, während die diplomatischen Vorkehrungen getroffen wurden, kam sie mit allen Schichten innerhalb des Staates in Kontakt und gewann vielerorts geistliche Schüler. Sie war bereits mit Messer Angelo Ricasoli, dem halbherzigen und um Zeitgewinn bemühten Bischof, und mit Niccolò Soderini, dem aufrechten und ergebenen Republikaner, bekannt; möglicherweise auch mit Carlo Strozzi, einem reichen Bürger aus der Parte Guelfa, dessen Frau Laudamia eine ihrer Briefpartnerinnen war. Buonaccorso di Lapo Giovanni scheint ihr hauptsächliches Verbindungsglied zum Volk gewesen zu sein. Die Familie der Canigiani (Verwandte von Petrarcas Mutter, Eletta Canigiani) war ihr ganz besonders ergeben. Das Familienoberhaupt, Piero di Donato Canigiani, und sein Sohn, Messer Ristoro (ein gelehrter Jurist), waren Persönlichkeiten mit ausgeprägtem Charakter, wohlhabende und einflussreiche Bürger und führende Köpfe in den Gremien der Parte Guelfa. Ein jüngerer Bruder Ristoros, Barduccio di Piero Canigiani, hatte sich – obwohl kaum älter als ein Knabe – dem geistlichen Leben verschrieben und war einer der „Adoptivsöhne“ des Don Giovanni dalle Celle. Aus den niedrigeren Ständen zählten ein Schneider, Franceso di Pippino, und seine Frau, Monna Agnese, zu Caterinas glühendsten Verehrern. Francesco scheint nicht von Geburt Florentiner gewesen zu sein, sondern ein Einwohner von San Miniato al Tedesco, der sich in der Hauptstadt niedergelassen hatte und möglicherweise ein Florentiner Bürger geworden war. Trotz seiner bescheidenen Stellung war er ein Mann von einigem Gewicht unter all denen, die in Florenz nach Gerechtigkeit strebten. In späteren Jahren machte er sein kleines Haus in der Nähe der Piazza del Grano im Viertel Santa Croce in der ihm eigenen unaufdringlichen Art zu einem Zentrum religiösen Lebens in der Stadt. Mit ihnen durch freundschaftliche Bande eng verbunden war ein Ehepaar von hoher Abkunft, Bartolo Usimbardi und seine Frau, Monna Orsa, die Caterina ebenfalls als ihre Führerin im geistlichen Leben annahmen.

Obwohl die Florentiner ihre Kampagne gegen die päpstlichen Beamten in Italien energisch fortsetzten, waren sie bereit, die Autorität des Papstes in geistlichen Belangen zu akzeptieren und das Interdikt zu befolgen. „Heute, am elften Tag des Mai 1376“, schreibt ein Zeitgenosse, „haben sie aufgehört, die Messe in der Stadt und im Umland von Florenz zu zelebrieren, und haben uns, den Bürgern und Bewohnern des Umlandes, nicht mehr den Leib Christi gespendet. Aber wir finden Ihn in unseren Herzen, und Gott weiß, dass wir keine Sarazenen oder Heiden, sondern wahre Christen, die Erwählten Gottes, sind und bleiben werden.“[22] Ein anderer berichtet uns, dass eine leidenschaftliche Frömmigkeit die Bürger erfasste, die sich aus weltlichen Gründen des höchsten Trostes ihrer Religion beraubt sahen: Lo pan che il pio padre a nessun serra.[23] Männer und Frauen drängten in die Kirchen, um Psalmen und Hymnen zu singen. Ununterbrochen wurden Prozessionen durch die Stadt veranstaltet, bei denen die Reliquien der Heiligen herumgetragen wurden. Bis zu fünftausend Flagellanten zogen vorbei und geißelten ihre nackten Schultern, während zwanzigtausend Menschen ihnen folgten. Die Gebote der Kirche wurden gehalten wie nie zuvor, und auf jeden, der seine Religion ausübte, als noch die Messe gelesen wurde, kamen jetzt hundert. Eine Anzahl adeliger und reicher junger Männer bildeten eine Konfraternität, die sich in Fiesole traf, um sich der Kasteiung und Werken der Nächstenliebe zu widmen. Sie bemühten sich insbesondere, gefallene Frauen zu bekehren, die sie kleideten und mit den Mitteln ausstatteten, um ein anständiges Leben zu führen. Andere verschenkten alles und zogen umher, um Almosen für die Armen zu erbetteln: „Und diese Einstellung war so weit verbreitet, dass es tatsächlich schien, als wollten sie den Papst durch ihre Demut erobern und sich der Kirche gehorsam zeigen.“[24]

Die Regierung betrachtete diese Bewegung mit einigem Misstrauen, unternahm aber keine aktiven Schritte, um ihr Einhalt zu gebieten. Gleichzeitig kam es zu einem Wiederaufleben der Fraticelli, der frati della povera vita, die der Meinung waren, dass die Verurteilung der Armut durch Johannes XXII. „die Verurteilung des Lebens Christi“ gewesen wäre und weder er noch seine Nachfolger rechtmäßige Päpste seien. Da die Armut das Gesetz Christi sei, stelle der Hof von Avignon eine Synagoge des Teufels dar. Die Sakramente seien ungültig, wenn sie durch unwürdige Priester gespendet würden. Zahlreiche Florentiner, Männer und Frauen, schlossen sich ihren Lehren an, zumal sie durch das Vorgehen des päpstlichen Hofes gegenüber den Italienern gerechtfertigt schienen.

Tatsache war, dass sich in dieser Phase des Konflikts ganz Florenz gemeinsam gegen den Papst stellte; die Anhänger der Parte Guelfa waren sich mit jenen der Otto della Guerra einig, dass die Republik ihre Rechte und Freiheiten verteidigen müsse. Männer wie Don Giovanni dalle Celle hegten keinen Zweifel, wo die Pflichten jedes Bürgers lagen. „Ich erhielt Nachricht von Euch zum heiligen Osterfest“, schrieb er an Guido dal Palagio, kurz vor Caterinas Ankunft in Florenz, „und ich hörte, dass Ihr gezwungen seid, gewisse Ämter innerhalb der Kommune zu übernehmen, weshalb ich glaube, dass immer wieder Bedenken in Eurem Herzen auftauchen wegen des Krieges, den Ihr gegen den Heiligen Vater führt. Aber Ihr habt keinen Anlass zu zweifeln, solange Ihr Eure Absichten zuerst auf die Ehre Gottes richtet und dann auf den geordneten Zustand Eurer Stadt. Es ist rechtmäßig für Euch, ihr zu helfen, sie zu verteidigen und ihr zu raten, damit sie nicht in die Hände der Feinde fällt. Wenn Ihr die Rechnung begleicht, habt ihr nicht die Absicht, gegen den Papst zu handeln, sondern Euer Land zu verteidigen; mit dieser Einstellung könnt Ihr alle Ämter der Kommune ohne schwere Sünde ausüben. Eine Exkommunikation gebührt jenen, die eine schwere Sünde begehen; nehmt es daher als gewiss an, dass kein Unschuldiger exkommuniziert werden kann. Und solltet Ihr dennoch exkommuniziert werden, wäre es wirkungslos im Angesicht Gottes, der nur das Urteil von Hirten bestätigt, die gerecht und aus einem rechtmäßigen Grund binden und lösen. Ihr müsst Euch nur davor hüten, zu raten oder dafür zu stimmen, dass der Papst oder ein anderer Kleriker oder Ordensangehöriger ergriffen oder getötet werden soll. Ich würde Euch gerne viel mehr in dieser Angelegenheit sagen, wenn ich nicht befürchten müsste, dass mein Brief in die Hände derer fällt, die sich wenig um einen geordneten Zustand dieser Stadt kümmern.“[25]

Genauso nachdrücklich wandte er sich in Wort und Brief gegen die Fraticelli und war bereit, die gesamte Hierarchie der Kirche gegen sie zu verteidigen. „Was kümmert es Euch“, schrieb er an einen Florentiner Handwerker, der sich ihnen angeschlossen hatte, „ob Christus arm oder reich war, solange Ihr glaubt, dass er Euer Retter, Euer Erlöser, Eure Nahrung, der Preis für Eure Erlösung und Euer Lohn ist? Ich glaube gewiss, dass Christus arm war, und ich würde dafür durchs Feuer gehen, und jederzeit alles retten, was unsere heilige Mutter, die katholische und apostolische Kirche, besitzt.“[26]

Wie Birgitta vor ihm, so hatte auch der Mönch den päpstlichen Plänen für einen Kreuzzug zutiefst misstraut. „Wenn du Christus im Sakrament des Altares besitzt, genauso, wie er aus dem Schoß seiner Mutter kam und wie er am Kreuz hing“, schrieb er einer jungen Nonne namens Domitilla, die Caterinas Aufforderungen dahingehend ausgelegt hatte, dass auch sie zum Heiligen Grab ziehen sollte, „warum willst du ihn verlassen, um Dir einen Stein (das Grab) anzusehen?“ Das führte zu einem Briefwechsel mit William Flete, der annahm, dass er Caterina persönlich angegriffen hätte – mit dem Ergebnis, dass sich Don Giovanni kurze Zeit später formell ihrer geistlichen Gefolgschaft anschloss. „Ich würde es sogar als Ehre betrachten“, schrieb er, „gemeinsam mit ihr als Ketzer zu gelten, damit ich, ebenso wie Christus, der von den Pharisäern als Ketzer bezeichnet wurde, weil er sich selbst als Sohn Gottes bekannte, das Kreuz seines Leidens tragen darf. O süßeste Häresie der himmlischen Caterina, die aus Sündern Gerechte macht und – als Freundin der Zöllner und Sünder – die Engel lächeln und den Himmel jauchzen lässt!“[27]

In der Zwischenzeit schürten die Florentiner weiterhin den Aufstand im Kirchenstaat und setzten sogar ein Kopfgeld auf Gomez Albornoz aus, der die Zitadelle von Ascoli tapfer verteidigte. Auch der päpstliche Hof ließ die Waffen nicht ruhen. Am 27. Mai verließ die bretonische Kompanie, sechstausend Mann zu Fuß und viertausend Mann zu Pferd, unter der Führung von Kardinal Robert von Genf die Stadt Avignon mit dem Auftrag, direkt auf Florenz zu marschieren. Sie brüsteten sich damit, dass sie, wenn die Sonne in Florenz aufgehen würde, den Bruder des Papstes, den Vicomte de Turenne, zum Herrn der Stadt machen würden.

Es wird immer die Frage bleiben, ob die Entsendung Caterinas nach Avignon das Ergebnis eines zeitweiligen Sieges von Niccolò Soderini und der Friedenspartei in den Räten der Stadt war oder ein bloßes Mittel der anderen Seite, um Zeit zu gewinnen. In den Florentiner Archiven findet sich offenkundig kein Dokument in dieser Angelegenheit, und wir können das, was geschah, nur aus Caterinas eigenem Brief an Buonaccorso di Lapo Giovanni ableiten. Demzufolge hatten ihr die Signoria und die Acht versichert, dass sie bereuten, gegen die Kirche vorgegangen zu sein und bereit wären, sich der Gnade des Papstes anheimzustellen. „Seht, meine Herren“, sagte sie, „wenn Ihr wirklich in aller Demut sprechen und handeln wollt und einverstanden seid, dass ich Euch Eurem Vater wie tote Söhne darbringen soll, so werde ich mich mit allen Kräften Eurem Wunsch entsprechend darum bemühen. Unter keinen anderen Umständen würde ich gehen.“ Sie erklärten mit Nachdruck, dass dies ihre Absicht sei, und dass sie die Gesandten, die sie ihr nachschicken wollten, beauftragen würden, sich über alles mit ihr zu beraten. „Wir glauben“, sagte einer der Anwesenden, offenkundig Buonaccorso selbst, „dass dieser Friede nur durch die Hilfe der Diener Gottes zustande kommen kann.“[28] Nach dieser Übereinkunft nahm Caterina Ende Mai die Mission an.

„Mir scheint“, schrieb sie dem Papst, „dass die göttliche Güte gerade dabei ist, aus den wilden Wölfen Lämmer zu machen. Darum werde ich nun bald zu Euch kommen, um sie gedemütigt in Euren Schoß zu legen. Ich bin gewiss, dass Ihr sie wie ein Vater aufnehmen werdet, trotz der Art und Weise, in der sie Euch beleidigt und verfolgt haben. Ihr könnt das von der ersten süßen Wahrheit lernen, die sagt, dass der gute Hirte das verlorene Schäflein, sobald er es gefunden hat, auf seine Schultern nimmt und in die Herde zurückbringt. So sollt es auch Ihr tun, Vater. Nun, da Euer verlorenes Schäflein wieder gefunden ist, werdet Ihr es auf die Schultern der Liebe nehmen und in den Schafstall der heiligen Kirche zurückbringen. Danach wünscht und befiehlt Euch unser lieber Erlöser, dass Ihr unverzüglich das Banner des heiligsten Kreuzes gegen die Ungläubigen erhebt und dass der gesamte Krieg gegen sie gerichtet wird. Und was die Söldner betrifft, die Ihr angeworben habt: So haltet sie zurück und lasst sie nicht hierherkommen; denn sie würden eher alles zerstören, als die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Mein lieber Vater, Ihr fragt mich wegen Eures Kommens – und ich antworte und sage Euch, im Namen des gekreuzigten Christus: Kommt, sobald wie Ihr könnt. Wenn es Euch möglich ist, kommt vor September. Und wenn Ihr nicht früher kommen könnt, dann zögert es nicht über das Ende des Monats September hinaus. Und denkt nicht an irgendeinen Widerstand, der Euch begegnen könnte, sondern kommt wie ein tapferer Mann und ohne jede Furcht. Seht aber zu, wenn Euch das Leben lieb ist, dass Ihr nicht mit bewaffneten Männern kommt, sondern nur mit dem Kreuz in der Hand wie ein sanftes Lamm. Wenn Ihr so handelt, werdet Ihr den Willen Gottes erfüllen. Kämet Ihr aber auf andere Weise, würdet Ihr ihn nicht erfüllen, sondern ihn missachten. Freut Euch, Vater, und frohlockt! Kommt, kommt!“[29]



[1] Brief 185 (1), berichtigt durch das Harley MS. Caterina schrieb gleichzeitig dem Erzbischof von Otranto und drängte ihn, dem Papst furchtlos die Wahrheit darüber zu sagen, was ihm der Ehre Gottes und der Erneuerung der Kirche zu dienen scheine; und an den päpstlichen Sekretär, Niccolò da Osimo, dem sie anbot, Fra Raimondo für den Dienst an der Kirche zur Verfügung zu stellen. Briefe 183 (33) und 181 (40).

[2] Gherardi, op. cit., Dok. 183.

[3] Brief vom 4. Januar 1376. Pastor, Geschichte, I. Dokument 4.

[4] Litterae hortativae pro parte domini nostri papae, etc. Datiert Avignon, 6. Januar 1376. Biblioteca Vaticana, Cod. Vat. Lat. 6330, S. 430.

[5] Brief 171 (217). Vgl. Marchionne Stefani, Lib. IX. rubr. 762. Ab 1344 begann die zweimonatige Amtszeit der Florentiner Prioren mit dem 1. Kalendertag, statt mit dem 15. Tag wie zu Dantes Zeit.

[6] Brief 196 (4).

[7] Briefe 177 (29) und 223 (28).

[8] Vgl. Gherardi, op. cit., S. 43 n. wo gezeigt wird, dass die übliche Behauptung, der Papst habe angeboten, Perugia und Città di Castello in Freiheit zu belassen, sofern die Florentiner nicht weiter vorrückten und Bologna nicht belästigten, keine Grundlage hat. Die finanzielle Seite der ganzen Frage war für den Heiligen Stuhl von entscheidender Bedeutung. Allein aus Bologna bezog der Papst die jährliche Summe von 200.000 Florinen. Vgl. Cronica di Bologna, S. 498.

[9] Cronica di Bologna, S. 499 – 501.

[10] Assempro 58: „Come una vergine fu guardata da la Vergine Maria per martirio“ [wie eine Jungfrau mittels ihres Martyriums durch die Jungfrau Maria beschützt wurde]. Die Plünderung von Faenza fand am 28. März 1376 statt. Vgl. Cronaca Riminese (Rer. It. Script., xv.), S. 914; Cronica di Bologna, S. 501, 502. Tatsächlich gab es wenig Blutvergießen.

[11] Brief 206 (5), ergänzt nach dem Harley-MS. Raimondos eigene Worte, Legenda, III. vi. 26 (§ 420) könnten so verstanden werden, dass er nach der Verkündung des Urteils gegen die Florentiner zum Papst gesandt wurde, das heißt im April. Aber der innere Zusammenhang des vorliegenden und des Briefes 219 (87) scheinen das Datum seines Aufbruchs zwischen dem 21. März, dem Tag nach der Revolte von Bologna, und dem 1. April, als Caterina die Vision vom Kreuz und dem Olivenzweig hatte, festzulegen.

[12] Brief 211 (88).

[13] Vgl. Gherardi, op. cit., S. 44 - 46, Dokumente 198, 199; Antoninus, Chronicorum, III. S. 379–382. Am 5. April belegte Karl IV. Florenz mit dem Bann des Kaiserreiches; aber seine früheren „Heldentaten“ in Siena hatten die Florentiner gelehrt, was kaiserliche Drohungen wert waren.

[14] Das heißt, den ursprünglichen Zustand der Reinheit, nicht ihrer irdischen Besitztümer.

[15] Giovanni singolare con tutti quanti i figliuoli miei. Meine Übersetzung will nahelegen, dass es sich bei „Giovanni singolare“ um Fra Raimondo selbst handelt, der uns erzählt, dass Caterina ihn „Johannes“ nannte. Vgl. Legenda, Prolog I. (§ 6).

[16] Brief 219 (87), ergänzt durch das Harley-MS, aus dem hervorgeht, dass Felice da Massa einer derjenigen war, die Raimondo und Giovanni Tantucci nach Avignon begleiteten.

[17] Brief 207 (198). Capecelatro und Augusta Drane beziehen diesen Brief auf Caterinas zweite Gesandtschaft nach Florenz, aber mir scheint, dass Tommaseo zweifellos Recht hat, wenn er ihn diesem früheren Anlass zuordnet.

[18] Brief 226 (89).

[19] Epistola Domni Stephani, §§ 2, 3; Bartholomaeus Senensis, De Vita et Moribus beati Stephani Maconi, Lib. I. Kap. 4 – 6. Bartholomaeus Senensis ordnet den Beginn der Fehde dem Pestjahr 1374 zu, und Augusta Drane vermutet, offensichtlich zu Recht, dass die Versöhnung zu Beginn des Jahres 1376 stattfand.

[20] Epist. cit., §§ 4, 5, 9. Bartholomaeus Senensis, op. cit., Lib. V. Kap. I erzählt die kuriose Geschichte, wie Stefano, nachdem er sich Caterinas Gefolgschaft angeschlossen hatte, dazu verleitet wurde, an einer geheimen Versammlung gegen die Regierung in den Gewölben unterhalb des Spedale teilzunehmen, an dem mehrere adelige Mitglieder der Bruderschaft der disciplinati Unserer Lieben Frau beteiligt waren, und von der Buße, die er sich auf Caterinas Geheiß für die aufrührerischen Worte, die er geäußert hatte, selbst auferlegte.

[21] Briefe 228 (278) und 218 (3).

[22] Diario d‘Anonimo Fiorentino, S. 308.

[23] D.h. des Brotes, „das ein frommer Vater noch keinem vorenthalten hat“ (Dante, Par. xviii. 129).

[24] Marchionne Stefani, Lib. IX. rubr. 757.

[25] Brief in Tocco, I Fraticelli, S. 348.

[26] Wesselofsky, Il Paradiso degli Alberti, I. Dok. 14.

[27] Lettere del B. Giovanni dalle Celle, 19; vgl. dazu Caterinas Brief an Monna Pavola, 144 (371). Don Giovannis Briefe an William Flete (zusammen mit einem dritten, der Caterina gegen den Augustiner Giovanni da Salerno verteidigt) werden bei Gigli am Ende der Opere zitiert, Bd. ii. S. 985–997. Sie sind zusammen mit drei anderen und einem Brief von William an Raimondo im Palatino MS. 60 enthalten.

[28] Brief 234 (215). Vgl. unten, S. ... [ergänzen!]

[29] Brief 229 (6).