Brief 352 – An Lariella Caracciolo

 

Donna Laura oder Ilaria, deren neapolitanischer Kosename Lariella ist, war die Gemahlin von Francesco (Ceccolo) Caracciolo, eines angesehenen Adeligen in Neapel. Ceccolo hatte wegen seiner Treue zu Urban VI., der ein Verwandter (ein Cousin mütterlicherseits) von ihm war, bei der Königin Johanna von Neapel Gunst und Ansehen verloren. Darüber ärgerte sich Ceccolo‘s Frau. Weil er sich außerdem schon längere Zeit in Rom (beim Papst) aufhielt, brachte er dadurch den Wohlstand seines vornehmen Hauses in Gefahr. Lariella fürchtete den Unmut der Königin. Wie immer die Loyalität Johannas zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch aussah, das Volk von Neapel hielt jedenfalls ganz allgemein zu Urban VI. Caterina bemühte sich – abgesehen von der Kritik an Lariellas Besorgnis, bei der es offenbar vor allem um die eigene Ehre ging – ihr in diesem Brief wieder Mut zu machen.

Wenn sie sich Sorgen macht um das lange Fernbleiben des Gatten in Rom und die damit verbundene Gefahr um ihren Besitz, dann hält ihr Caterina entgegen, dass der eigentliche Grund dieser Sorge die Eigenliebe ist, die Angst um den Verlust des eigenen Ansehens. Mehr wird von Caterina nicht angesprochen.

 

Richtet Eure Hoffnung auf Gott!

Januar / Februar 1379

Im Namen des gekreuzigten Jesus Christus und der lieben Jungfrau Maria.

Liebste Mutter in Christus, dem lieben Jesus. Ich, Caterina, Dienerin der Diener Jesu Christi, schreibe Euch in seinem kostbaren Blut. Ich möchte, dass Ihr Eure Liebe und Eure Hoffnung nur auf Gott setzt und mehr ihm vertraut als den Geschöpfen, da jene, die auf Menschen vertrauen, verflucht genannt werden.[1]

Oh, unsere Zunge könnte gar nicht aussprechen, wie viel Böses daraus folgt und welcher Schaden für unsere Seele und wie eitel dieses Vertrauen ist! Es ist leer und vergänglich, weil wir uns bei dem Streben nach weltlichen Freuden, Titeln und Reichtümern umsonst anstrengen. Und woran sehen wir das? In der geringen Beständigkeit dieser Dinge. Denn wenn wir glauben, wir hätten sie fest in der Hand, dann verlieren wir sie – entweder durch göttliche Fügung, die sie uns zu unserem Besten fortnimmt, oder durch den Tod, wenn wir aus diesem finsteren Leben scheiden. Und gerade dann, wenn wir glauben, wir hätten einen großen Gewinn gemacht oder einen hohen gesellschaftlichen Stand erreicht, verlieren wir, was wir haben. Und selbst wenn es uns gelingt, dies zu behalten, so geschieht es doch nicht ohne große Mühe und der ungeordneten Furcht und Angst davor, es zu verlieren. Dadurch aber werden wir sogar uns selbst unerträglich. So sind also (diese weltlichen Dinge) tatsächlich eitel und jene wahnsinnig, die darauf ihre Hoffnung setzen.

Ich sage, dass einer derartige leere Hoffnung uns schadet, denn sie nimmt uns die Herrschaft und Freiheit und macht uns zu Sklaven – denn wir machen uns selbst zu Dienern von dem, was wir lieben. Wenn wir die Geschöpfe und die geschaffenen Dinge auf ungeordnete Weise außerhalb Gottes lieben, dann sündigen wir. Und wenn wir gegen Gott sündigen, machen wir uns zu Dienern und Sklaven der Sünde, die nicht ist, sowie der geschaffenen Dinge, die alle geringer sind als wir.

Im Grunde sind sie geschaffen, um uns zu dienen und wir sind geschaffen, um Gott zu dienen. Doch wir machen genau das Gegenteil, indem wir unserem Schöpfer den Dienst versagen und diesen Dingen dienen. Diese Dinge nehmen uns das Licht und lassen uns die Wahrheit nicht sehen und erkennen. Denn so wie kranke Augen nicht ins Licht schauen können, so ergeht es auch den Augen unserer Seele, wenn sie wegen der ungeordneten Liebe schwach geworden sind: Sie haben kein Licht und so können wir weder uns noch Gott erkennen – weder unser Elend noch Seine unendliche Güte. Wir verlieren den Reichtum der Tugenden, weil wir von der Neigung zur Liebe abgeschnitten wurden, mit der alle Tugenden verbunden sind. Dann gibt es in uns keine Liebe zu Gott oder zum Nächsten und wir dienen ihm nur zu unserem eigenen Nutzen und dann gibt es auch keine wahre Demut, weil ihr Platz vom Eigendünkel eingenommen wurde, der sich nur darüber freut, für wichtig gehalten zu werden und einen hohen gesellschaftlichen Stand zu besitzen. Unser ganzes Bemühen richtet sich darauf, den Menschen zu gefallen, weil wir selbstgefällig sind; wir wollen lieber ihnen gefallen als dem Schöpfer. Doch wenn wir gekränkt werden, ertragen wir es nur sehr ungeduldig. Und wenn wir unseren Nächsten oder Verwandten zu Diensten stehen und dabei keinen eigenen Vorteil haben oder dafür nicht geehrt werden, dann verlieren wir die Geduld und sind froh, ihnen nicht mehr dienen zu müssen.

Das alles bewirkt die Eigenliebe. Ihr wisst ja wohl, dass sie so ist, da Ihr vermutlich einiges davon an Euch selbst erfahren habt, nachdem sich Herr Ceccolo hier aufhält. Ihr seid darüber verärgert. Wenn Ihr aber sehen würdet, dass der Dienst, den er leistet, ihm etwas einbringen und er dafür den Weihrauch der Welt, also menschlichen Ruhm erhalten würde, wäret Ihr darüber nicht so ungehalten. Ich glaube aber, dass Ihr eher wegen des Geredes der Menschen darunter leidet und wegen der weltlichen Ehre, die Ihr Euch gerne zu Eurem eigenen Vorteil wünschen würdet. Das ist nicht gut; im Gegenteil, es ist ein großer Fehler und nicht ohne Sünde gegen Gott. Euch verursacht Ihr damit seelisches und körperliches Leid und Gott bereitet Ihr dadurch Kummer. Ich möchte nicht, dass Ihr Euch so verhaltet: denn es wäre ein Zeichen dafür, dass Eure Hoffnung und Eure Liebe mehr auf die Menschen und auf die weltlichen Ehren gerichtet sind als auf den Schöpfer, und so dürfen wir nicht handeln. Vielmehr solltet Ihr Euch mutig zeigen und der Welt ins Gesicht lachen. Denkt ein wenig an die Güter des Himmels und an die Ehre Gottes und nicht an Eure eigene Ehre. So möchte ich, dass Ihr Euch verhaltet.

Wenn Euch irgendwelche Leute das Gegenteil sagen sollten, dann antwortet ihnen, Ihr würdet Euch mit heiligem Verlangen wünschen, dass Herr Ceccolo dem Christus auf Erden und der heiligen Kirche von ganzem Herzen und mit all seiner Liebe treulich dient, ohne Rücksicht auf seinen Stand, seine Bedeutung oder seinen eigenen Vorteil, sondern nur zur Ehre Gottes und aufgrund seiner Pflicht, so wie der Sohn sich dem Vater gegenüber verhalten soll. Dann wird es ein Dienst sein, der Gott willkommen und wohlgefällig ist und Euch zur Ehre und zum Vorteil gereicht. Und zwar zum Vorteil im Hinblick auf die Gnade, die jener Vorteil ist, den Gott uns auffordert voller Eifer zu suchen. Wenn Eure Hoffnung auf Gott gerichtet ist, werdet Ihr das tun – sonst nicht. Deswegen habe ich gesagt, ich möchte, dass Ihr Eure Liebe und Eure Hoffnung allein auf Gott richtet. Das müsst Ihr wirklich tun, wo Ihr doch seht, wie verderblich es ist, auf sich selbst oder auf die Menschen oder auf die geschaffenen Dinge außerhalb Gottes zu vertrauen. Daraus würden uns – wie gesagt – nur großer Schaden und großer Kummer erwachsen.

Das Vertrauen auf Gott hat die gegenteilige Wirkung. Denn die Hoffnung geht aus der Liebe hervor, da die Geschöpfe immer darauf ihre Hoffnung setzen, was sie lieben. Wenn wir daher Geschöpfe lieben, so hoffen wir auf dieses Geschöpf; und wenn wir unseren Schöpfer lieben, hoffen wir nur auf ihn. Die Liebe aber, das heißt die Neigung zur Liebe, erfüllt das Herz dessen, der sie besitzt mit höchster Freude. In der Hoffnung haben wir daher größte Freude. All das Gute und Gewinnbringende der Liebe findet sich auch in der Hoffnung, da die Hoffnung aus der Liebe hervorgeht. Die Hoffnung ist demütig und sanftmütig gegenüber jenen, die uns beleidigen. Sie ist geduldig im Ertragen jeglicher Schwierigkeiten, wie auch immer Gott sie uns zukommen lässt. Ja mehr noch: Sie wünscht für den gekreuzigten Christus zu leiden und möchte sich seiner Bedrängnis rühmen. Dort ruht sie aus und in etwas anderem möchte sie sich nicht rühmen, da sie nicht den eigenen Ruhm sucht, sondern den Ruhm des göttlichen Namens. Die Hoffnung sucht nicht ihren Vorteil. Ihr Dienst ist nicht käuflich, denn sie dient nicht für einen Gewinn, den sie dafür erwartet, sondern aus Liebe. Sie erträgt jede Bitterkeit, da sie dem eigenen Willen entsagt und sich mit dem süßen Willen Gottes bekleidet hat. Sie ist so lieblich und angenehm, dass die bitteren Dinge süß, die große Lasten klein und das Missfallen für sie zur Freude werden. Sie enthebt unsere Seele der Erdenschwere und macht uns leicht. Sie führt uns aus dem Kreis der Sterblichen hinauf zur Teilhabe mit den Unsterblichen.

Diese Hoffnung, die in der Liebe gründet, ist so vorteilhaft, dass sie einen hundertfachen Gewinn gewährt. Und wie? Wenn wir bloß unseren freien Willen geben, empfangen wir das Hundertfache an Liebe; und mit dieser Liebe haben wir das ewige Leben. Deswegen hat Christus dem seligen Petrus, als dieser fragte: „Meister, wir haben alles verlassen. Was werden wir dafür bekommen?“ geantwortet: „Das habt Ihr gut gemacht, Petrus“, so als wollte er sagen: „Auf andere Weise könnt Ihr mir nicht folgen.“ Denn wir können dem gekreuzigten Christus nur nachfolgen, wenn wir auf unseren eigenen Willen verzichten. Dann fügte Christus noch hinzu: „Ich werde Euch hundertfach belohnen und ihr werdet das ewige Leben gewinnen.“[2] Sie (die Hoffnung) ist also wirklich sehr vorteilhaft; größer könnte sie gar nicht sein. Sie macht uns frei und kontrolliert, da sie uns dem Dienst an der Sünde entreißt und die eigene Sinnlichkeit beherrschen lässt. Sobald wir Herr sind über uns selbst, sind wir Herr über die Welt; wir lachen ihr ins Gesicht und verweigern ihren Prunk und ihre Freuden, da wir sehen, wie schwach und unbeständig sie sind. Daher haben wir unsere Hoffnung von diesen Dingen zurückgezogen und sie auf unseren Schöpfer gerichtet. Er ist so fest und beständig, dass er sich niemals ändert; und er kann uns nicht genommen werden, wenn wir das nicht selbst wollen.

Oh wie glücklich sind jene, die ihr Herz und ihr Verlangen mit Gott vereinen, der ihre Seligkeit ist! Sobald sie Gott besitzen, sorgen sie sich um nichts anderes mehr. Sie ließen sich selbst dann nicht zur Ungeduld verleiten, wenn sie Mann oder Kinder verlieren würden, den weltlichen Stand oder Reichtum und Ehre, denn das alles betrachten sie nicht als ihr Eigentum, sondern nur als etwas Geliehenes. Nur die göttliche Gnade sehen sie als ihr eigen an. Sie kümmern sich nicht um das Gerede der andern und sie wollen Gott auf keinerlei Weise beleidigen, um anderen Menschen damit zu gefallen. Sie handeln nicht wie viele Einfältige, die ihrem Schöpfer missfallen, um so den Geschöpfen gefällig zu sein.

Die Eitelkeit solcher (Einfältigen) liegt nicht nur darin, dass sie aus menschlicher Rücksicht sündigen. Sie widersetzen sich einer Gnade, die Gott ihnen gibt, dass sie nämlich nicht besorgt sein sollten um den Schmuck ihres Leibes mit feinen Kleidern und um die Pflege ihres Gesichtes. Zu Hause verhalten sie sich so, als würden sie sich über sich selbst keine Sorgen machen. Doch dann bezwingt sie, um anderen zu gefallen, ihre Natur und lehnt sich gegen die göttliche Gnade auf, und in ihrem Verlangen, so wie alle anderen zu sein, beleidigt sie Gott und schadet ihrer eigenen Seele. Und wollte sie jemand tadeln, so würden sie ihm sagen: „Ich mache das nicht für mich, sondern nur, um meinem Gemahl zu gefallen und um nicht schlechter auszusehen als die anderen.“ Aber sie werden getäuscht; durch ihre eigene Selbstgefälligkeit erkennen sie nicht, wo die Tugend ist.

Jene aber, die von Liebe erfüllt sind, erkennen das, wie gesagt, sehr wohl. Daher legen sie jede Eitelkeit ab und umarmen immer und überall die Bescheidenheit. In allem halten sie sich Gott vor Augen und was sie auch tun, tun sie mit heiliger Gottesfurcht. Sie haben Anteil am Blut des gekreuzigten Christus, da sie ihr Gewissen entlastet haben durch eine heilige Beichte mit Buße und Reue über ihre Schuld und der Bereitschaft zur Sühne. Und so empfangen sie das Leben der Gnade. Was für ein Unterschied, liebste Mutter, ist doch zwischen denen, die in Wahrheit auf Gott hoffen und denen, die nicht auf ihn hoffen! Man kann das nicht vergleichen. Was sollen wir also sagen? Wir werden sagen, dass die einen in größter Freude und die anderen im tiefsten Elend leben.

Wir müssen uns also mit großer Bereitschaft von jeder sinnlichen Liebe lösen und unsere Zeit mit süßen Gedanken an Gott und an das im Liebesfeuer für uns vergossene Blut verbringen. Wir müssen die Liebe zu Gott an unseren Nächsten zeigen, indem wir ihnen mit brüderlicher Liebe in ihren Nöten beistehen. Lasst uns unsere Freude finden im Hören des Gotteswortes, in Nachtwachen und im beständigen, demütigen Gebet und indem wir alles um Gottes willen lieben und ohne ihn nichts. Darauf möchte ich, dass ihr Eure Bemühungen richtet, damit Ihr jenes höchste und ewige Gut empfangen könnt, das Euch bereitet ist. Mehr habe ich Euch nicht zu sagen ...

Geliebter Jesus! Jesus, die Liebe!

 


[1] Vgl. Jer 17,5: „Verflucht der Mann, der auf Menschen vertraut, auf schwaches Fleisch sich stützt.“

[2] Vgl. Mk 10,28ff; Mt 19,27.29; Lk 18,28f.

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