Neri di Landoccio Pagliaresi

Siena, gotische Fenster am Rathaus (Foto Mayr)

 

Neri wurde etwa um 1350 in Siena geboren und entstammte einer einflussreichen und vornehmen ghibellinischen Adelsfamilie, die hohe Ämter in der Republik bekleidete. Auch er selbst war politisch tätig. In den Monaten Mai–Juni 1371 und am 1. 1. 1375 vertrat er den Terzo di San Martino (Stadtdrittel von Siena) im consiglio generale. Neri war ein Bewunderer von Dante, er selbst ist auch als Lyriker hervorgetreten. Während eines Aufenthaltes in Asciano in der Fastenzeit 1372/73 erreichte ihn Caterinas Brief (Br. 99), mit dem sie ihn, seiner Bitte entsprechend, in ihre geistliche Familie aufnahm.

Neri wurde in der Folge Caterinas Hauptsekretär und hat mit anderen zusammen den Dialog niedergeschrieben. Er war ihr Begleiter auf all ihren Reisen. In Rom betraute ihn Caterina mit der Überbringung wichtiger Briefe; vielleicht mit Br. 339 an die Stadtregierung von Perugia, mit Sicherheit aber nach Neapel an den Hof von Königin Johanna. Dort erreichte ihn auch die Nachricht vom Tod Caterinas. Von 1381 bis 1389 zog er sich in die Einsiedelei San Luca in Agromaggio bei Florenz zurück und seit November 1391 finden wir ihn wieder in Siena ansässig, diesmal in der Einsiedelei vor der Porta Nuova. Er starb am 12. März 1406 nach kurzer Krankheit und wurde außerhalb der Stadtmauer von Siena im Olivetaner-Friedhof an der Porta Tufi beerdigt.

Von Neri stammt nicht nur die früheste und wichtigste Sammlung der Briefe Caterinas (heute im Besitz der Österreichischen Nationalbibliothek, CVP 3514), sondern er regte Raimund auch zur Abfassung der Legenda Maior an, die er dann auf Caffarinis Bitte hin ins Italienische zu übersetzen begann. Die restliche Übersetzung besorgte dann nach seinem Tod ein Anonymus aus Piacenza. Insgesamt 11 Briefe Caterinas an ihn sind uns erhalten. Darüber hinaus gibt es auch mehrere Briefe, die Freunde und Schüler Caterinas an Neri gerichtet haben. Weitere Details über Neri berichtet Caffarini im Schlussteil seines Supplements (III, 6, 7).

 

Die 11 Briefe im Überblick

 

1. Ich nehme Dich von Herzen an

Brief 99 (Fastenzeit 1372). Die beiden Dominikaner Bartolomeo Dominici und Simone da Cortona sind zur Fastenmission in Asciano. Auch Neri ist mit dabei. Auf seine Bitte hin antwortet sie ihm nun, dass sie ihn von Herzen als ihren „geistlichen Sohn“ annimmt.

 

2. Grüße Vanni von mir!

Brief 228 (Ende Februar 1376). Vier Jahre später: Aus dem „Ihr“ des ersten Briefes ist inzwischen längst das vertraulichere „Du“ geworden. Neri ist in Pisa, er soll offenbar Raimund nach Avignon nachreisen. Caterina schickt Grüße und gibt kurze Anweisungen.

 

3. Tue alles im Licht Gottes!

Brief 42 (September / Oktober 1378). Das ist der erste von vier Kurz-Briefen, die an Neri in Florenz adressiert sind. Thema: die Eigenliebe.

 

4. Keine Nachlässigkeit und Undankbarkeit!

Brief 106 (September / Oktober 1378). Im zweiten Kurz-Brief ermutigt sie ihn, im Eifer nicht nachzulassen. Eine Hilfe dafür ist die Dankbarkeit.

 

5. Wir müssen innerlich reifen

Brief 212 (September / Oktober 1378). Caterina mahnt ihn, täglich bewusst die Tugend zu üben, „denn wenn wir nicht fortschreiten, bleiben wir zurück.“

 

6. Ich bin immer bei Dir

Brief 269 (September / Oktober 1378). Die Selbsterkenntnis im Licht der Wahrheit, der Blick auf die eigene Armseligkeit – dies lässt uns auch den Nächsten geduldig ertragen.

 

7. Lass Dich durch nichts verwirren!

Brief 178 (September / November 1379). Neri ist entmutigt über seine Sündhaftigkeit. Es scheint, dass er 1378 die ganze Zeit mit Caterina und ihrer Gruppe in Florenz war, mit ihr im August nach Siena aufbrach, jedoch danach erneut nach Florenz zurückkehrte und dort bis Oktober blieb. Jedenfalls war er kaum involviert in das Enddiktat ihres „Buches“ im Spätsommer und Herbst des Jahres 1378 nahe bei Siena. Als sie im November nach Rom reiste, war Neri dabei, bis sie ihn im August 1379 nach Neapel sandte.

 

8. Das vollkommene Licht

Brief 46 (September / November 1379). Zwei weitere Kurz-Briefe: Ohne Licht keine Erkenntnis der Wahrheit.

 

9. In Gott findest Du Frieden

Brief 281 (September / November 1379). Und noch einmal: ohne das Licht des Glaubens keine Unterscheidung und damit kein innerer Friede.

 

10. Wir sind für die Liebe geschaffen

Brief 186 (Ende Oktober 1379). Gott ist immer bereit, zu geben. Und wir müssen immer bereit sein, zu empfangen. Dazu hat Gott uns mit Gedächtnis, Verstand und Wille erschaffen. Das einzige Hindernis ist dabei unsere Ichbezogenheit.

 

11. Meine Antwort auf Deinen Brief

Brief 192 (Dezember 1379). Neri ist im Auftrag Caterinas in Neapel und wohnt im Haus eines gewissen Tommasino. Im ersten Teil des Briefes versucht sie ihren zur Mutlosigkeit neigenden „geistlichen Sohn“ erneut zu trösten. Der zweite Teil des Briefes gibt dann seltene Einblicke in das praktische Geschehen innerhalb von Caterinas geistlicher Familie.

 

Zurück