Wegbereiterin für ein Weiheamt?
Eine Vereinnahmung, die zu erwarten war
Große Persönlichkeiten aus der Vergangenheit laufen oftmals Gefahr, in der Gegenwart so interpretiert zu werden, bis sie in unsere Vorstellung passen, um damit eigene Ansichten und Positionen zu stützen.
Auch bei Caterina von Siena war zu erwarten, dass der Feminismus bzw. die Gender-Ideologie sie für ihre Ziele vereinnahmen wird. Elisabeth Camenzind schrieb denn auch über sie: „Katharina von Siena ist unübersehbar eine Vorläuferin, Vordenkerin und Vorkämpferin der feministischen Bewegung, der feministischen Wissenschaft und Theologie. Ihr Leben und Werk wartet darauf, von Frauen entdeckt, ausgelotet, gewürdigt und tradiert zu werden“[1]
Entdeckt wurde Caterina von Siena vor einigen Jahren von der katholischen Frauenbewegung Österreichs (kfb), die sie im Jahr 2014 offiziell zu ihrer Patronin erwählte; auch die katholischen Frauenverbände Deutschlands (KDFB, kfd, u.a.) laden seit 2019 am 29. April, dem liturgischen Festtag der hl. Caterina von Siena, zu einem „Tag der Diakonin“ ein. Caterinas caritativer und pastoraler Einsatz und ihre Liebe zur Kirche seien ein Vorbild, von dem man sich auch heute inspirieren lassen wolle, so die lobenswerte Begründung.
Doch dies allein sei zu wenig. Vielmehr gelte es heute, Caterinas selbstbewusstes Auftreten gegenüber den kirchlichen und weltlichen Autoritäten in den Blick zu nehmen. Denn gerade im „Kampf um den Altar“, d.h. um eine „Weiterentwicklung des Weiheamts“, sei dies für die Frauen eine wichtige Ermutigung.
Damit werden allerdings Wunschvorstellungen geweckt und propagiert, die Caterina damals nirgends erwähnte und die sie auch heute nie unterschreiben würde: eine Forderung nach dem Diakonat und der Priesterweihe der Frau und die Forderung nach einem sakramentalen Zuspruch und göttlichen Segen für geschlechtliche Vielfalt.[2] Caterinas Namen und ihre Auszeichnung als Kirchenlehrerin dafür zu missbrauchen, ist daher nicht nur unehrlich und ungerecht, sondern entspricht auch nicht der Wahrheit.
Gewiss, Caterina hat die Kirche geliebt und mit ihr und für sie gelitten wie kaum eine andere Heilige; sie hat die Sünden des Klerus getadelt und auch den Papst ermahnt, seine Autorität zu gebrauchen zur Ehre Gottes und zum Heil der Seelen – aber niemals hätte sie die sakramentale und hierarchische Ordnung der Kirche und die Schöpfungsordnung Gottes in Frage gestellt. Man lese zu Letzterem etwa Brief 21 und Dialog 124!
Und was die Forderung nach einem Zugang für Frauen zu allen kirchlichen Ämtern betrifft, so bezeugt Caterina ja gerade das Gegenteil: Sie wollte für die Kirche eine Erneuerung durch Bekehrung, eine echte Reform, keinen Eingriff in ihr göttliches Erbgut.
Wie kann man allen Ernstes auf die Idee kommen, in einer Heiligen, die sich in ihrer gesamten Briefkorrespondenz in den Einleitungsworten stets als „serva e schiava de´servi di Gesù Cristo“ – als „Dienerin und Sklavin der Diener Jesu Christi“ (d.h. der Priester) bezeichnet und sich auch tatsächlich so begreift, eine „Wegbegleiterin“ und sogar „Wegbereiterin“ für eine Frauenordination sehen zu wollen? [3]
Es stimmt: eine Frau hat Christus, den Ewigen Hohepriester, geboren, ohne sie gäbe es keine Kirche – und diese „Weihe“ ist zugleich ihre höchste Würde. Aber diese Frau, die nach Gott im Himmel die Größte ist, nannte sich „Magd des Herrn“ und nicht im Gegensatz dazu
„Maria 2.0“, was bedeutet: „Alles auf null stellen. Wir sind nicht mehr so.“[4]
Kaum eine andere Heilige hat eine so klare Sicht des Priestertums, seines Ursprungs, seiner Verbindung mit der Eucharistie und dem Sohn Gottes gehabt, wie die heilige Caterina von Siena. Wenn aus ihrem Hauptwerk, dem Dialog, tausendfach deutlich wird, dass es der ewige Gott selbst ist, der in der Kirche den mystischen Leib, d.h. die sakramentale Ordnung begründet und zum „Dienst am Blut seines Sohnes“ beruft – wie kann dann jemand von sich aus behaupten: „Wir können das! Wir haben das Charisma!“[5]?
Die Priester beziehen Ihre Sendung, ihre Weihe und Würde allein von der Eucharistie, von der „Sonne“, von Christus, dem Gesalbten, der sie beruft und den sie am Altar repräsentieren – weshalb sie der himmlische Vater im Dialog als „seine Gesalbten“ bezeichnet.
Caterina schätzte die „männlichen“ Tugenden, Festigkeit, Mut und Standhaftigkeit, aber zugleich begriff sie sich selbst zutiefst als Frau, als Braut Christi und als Mutter gegenüber den ihr von Gott anvertrauten Seelen, so dass sie von allen ihren Anhängern auch „Mutter“
genannt wurde.
Wie sehr ihre Ehrfurcht vor den Gesalbten des Herrn und zugleich ihre mütterliche Sorge um sie – fernab jeder gedanklichen Konkurrenz – zutiefst miteinander verbunden waren, geht aus ihren zahlreichen Briefen hervor, die sie an Welt- und Ordenspriester gerichtet hat.
Dazu zum Abschluss zwei Beispiele:
Ihren Brief an den Kartäuser Don Giovanni dei Sabbatini beginnt Caterina mit den Worten:
„Geliebter und teuerster Vater! Ich nenne Euch Vater aus Ehrfurcht vor dem allerheiligsten Sakrament, dem süßen Leib des Gottessohnes; und ich nenne Euch ebenso Sohn, da ich für Euch in ständigem Gebet und Verlangen vor Gottes Angesicht gleichsam Geburtswehen erleide, genauso wie eine Mutter, die ihr Kind zur Welt bringt. Als Eure Mutter ermutige ich Euch daher im kostbaren Blut des Gottesssohnes und möchte Euch hineingetaucht und versunken sehen im Feuer seiner glühenden Liebe“ (Brief 141).
Auf ähnliche Weise beginnt sie auch ihren Brief an den Benediktiner Prior von San Girolamo in Cervaia:
„Teuerster und liebster Vater! So nenne ich Euch aus Ehrfurcht gegenüber dem allerheiligsten Sakrament, und zugleich nenne ich Euch geliebter Sohn in wahrem und heiligem Verlangen, das dann in Euch geboren wird – so wie die Mutter ihren Sohn gebiert –, wenn Ihr innig betend vor Gottes Angesicht seid“ (Brief 246).
Siehe auch hier unter: Leben / Biographie / Caterinas Persönlichkeit als Frau.
[1] Elisabeth Camenzind, Katharina von Siena – Vorläuferin, Vordenkerin, Vorkämpferin, im Internet unter http://www.traumsymbolika.com/foren-austausch/manuskripte-frauen/katharina-von-siena (Letzter Aufruf: 24.01.2019).
[2] Vgl. das Statement von Dr. Ute Zeilmann, KDFB am Tag der Diakonin +plus, www.frauenbund.de.
[3] Vgl. die Webseiten des KDFB bzw. des kfbö.
[4] Lisa Kötter, die Initiatorin von Maria 2.0 ist laut Wikipedia inzwischen aus der Kirche ausgetreten.
[5] Angelika Ritter-Grepl, Vorsitzende des kfbö, 2021, www.kfb.at