Entstehung
Die Entstehung der Legenda Maior fällt in die Zeit des großen Abendländischen Schismas, das am 20. September 1378 durch die Wahl des Gegenpapstes Clemens VII. in dem italienischen Städtchen Fondi seinen Anfang nahm und am 11. November 1417 nach fast vierzigjähriger Dauer mit der Wahl Martins V. auf dem Konzil von Konstanz (1414–1418) beendet wurde. Diese für die Kirche so verhängnisvolle Spaltung war die Folge eines nach 70-jähriger Präsenz in Avignon gänzlich französisch gewordenen Papsttums und das eigentliche Fanal der Herbstzeit des Mittelalters.
Die Krise des 14. Jahrhunderts, die die Kirche wie die gesamte Gesellschaft erfasste, traf auch die großen Orden. Bei den Dominikanern kam es, nach einer Stagnation auf bisher erreichtem Niveau, durch immer subtilere Formen des Theologisierens, die Ausübung inquisitorischer Gewalt und die Wahrnehmung bischöflicher und kurialer Ämter zu einer zunehmenden Schwächung. Die schweren Verluste durch die Pest, eine verbreitete Mutlosigkeit, das Absenken der Aufnahmekriterien für neue Bewerber und schließlich die Spaltung des Gesamtordens durch das Schisma taten ein Übriges dazu.
Für Caterina befand sich der Dominikanerorden jedenfalls damals in einem „verwilderten Zustand” (vgl. Brief 185 an Papst Gregor XI. nach Avignon aus dem Jahre 1376. Dazu auch ihre Darstellung des Klerus, Dialog 121–134, und der Orden, Dialog 162), für den ein neuer Generalmagister „dringend nötig” wäre (vgl. Brief 181 an Nicola da Osimo). Caterina war offenbar mit dem damaligen Generalmagister, Élias de Toulouse, nicht zufrieden (vgl. Brief 181, 183). Als dieser nach Ausbruch des Schismas zum Gegenpapst überschwenkte, schrieb Caterina von Rom aus in einem Brief an Raimund: „Immer hat dieser Orden der Verherrlichung unseres Glaubens gedient. Jetzt aber ist er sein Schänder geworden, und dies betrübt mich bis in den Tod” (Brief 344). Da in dieser schwierigen Zeit in Italien zugleich zahlreiche neue Klöster mit hervorragendem Nachwuchs entstanden (Kartäuser, Jesuaten, Olivetaner), erschien jenen Dominikanern, denen an der Aufrechterhaltung ihres Ordensideals gelegen war, eine Erneuerung ihrer Konvente bald als unumgängliche Notwendigkeit. Das Bemühen, einer derartigen Reform zum Durchbruch zu verhelfen, war die Aufgabe, der sich Raimund als neuer Generalmagister verschrieben hatte, indem er in jeder Provinz ein oder auch mehrere Observanten Konvente einrichtete, die den anderen als Modell dienen und sie auch mit geeignetem Nachwuchs versorgen sollten. (Als Observanten bezeichnete man im Spätmittelalter die Träger zeitgemäßer Ordensreform, die sich um eine authentische Interpretation des Gründungsideals und eine genaue Beobachtung der Regel bemühten. Bereits 1382 kam es in Pisa zur Gründung des ersten Konvents von Reformdominikanerinnen unter der Leitung von Klara Gambacorta.)
Es ist letztlich Raimunds Aktivitäten zu verdanken, dass dadurch Geist und Einheit des Ordens erhalten wurden, sodass er sich dadurch mit Recht den Titel eines zweiten Gründers des Dominikanerordens verdient hat. Die auslösende und prägende Kraft für dieses Reformwerk des Predigerordens aber kam von einer Frau: von seinem verehrten ehemaligen Beichtkind Caterina von Siena. Durch ihren starken Einfluss, den sie nicht nur auf ihn, sondern auch auf ihre zahlreichen dominikanischen Schüler ausübte, muss ihr ein wesentlicher Anteil an der inneren Erneuerung des Ordens zugesprochen werden. Es gab übrigens im ausgehenden Mittelalter zahlreiche Frauengestalten, die damals dem geistlichen Leben von Grund auf neue Impulse gegeben haben. Fast zeitgleich mit Caterina wirkten die hl. Birgitta von Schweden (1303–1373) und die hl. Dorothea v. Montau (1347–1394); in Italien die sel. Angela v. Foligno (1248–1309), die hl. Agnes v. Montepulciano (1268–1317), die hl. Juliana Falconieri (1270–1341), die hl. Klara v. Montefalco (1268–1308), die hl. Franziska v. Rom (1384–1440), die hl. Rita v. Cascia (–1457), die hl. Katharina v. Bologna (1413–1463) und die sel. Klara Gambacorta (1362–1419), der Caterina zwei Briefe geschrieben hat (Brief 194 und 262).
Raimund hat sein Werk verfasst, um der Nachwelt jene kostbare Perle zu zeigen, die er gefunden hatte, und die Wunder der Gnade vor der Vergessenheit zu bewahren, deren Zeuge er selber geworden war. Dass er dabei auch an ihre Heiligsprechung dachte, ist verständlich. In einem Brief vom 18. Juli 1394 schrieb Raimund an Caterinas ehemaligen Sekretär Neri di Landoccio Pagliaresi und ihren Schüler Gabriele di Davino dei Piccolomini, dass er Teil I und II der Legenda Maior bereits fertig geschrieben habe, Teil III aber aufgrund seiner vielen Verpflichtungen noch nicht vollendet sei. Inzwischen mögen sie sich weiter um Caterinas Kanonisation bemühen. Auch er, Raimund, werde seine guten Kontakte zum Papst in diesem Anliegen verwenden. Abschließend grüßt er sie in der Hoffnung auf Gott, „dass wir durch die Verdienste der heiligen Mutter (Caterina) die Kanonisation erreichen werden, die wir zu ihrer Ehre und zu ihrem Ruhm erbitten” (Vgl. Grottanelli 336–337).
Es ist verständlich, dass Raimund bei den Reformbemühungen seines Ordens auf das lebendige Beispiel eines seiner Mitglieder verweisen wollte. Der dabei geäußerte Verdacht, er hätte die Biographie seines Beichtkindes bloß im Hinblick auf die Ordensreform verfasst und ihre Gestalt ganz gezielt dafür „aufgebaut”, wird von Caterinas eigenen Schriften widerlegt. Wer sie zur Hand nimmt, spürt: Was Raimund in seiner Legenda preist – ihr Leben nach den evangelischen Räten, ihren Gehorsam und ihre Geduld, ihren apostolischen Eifer, ihre absolute Treue zu Papst und Kirche und ihre glühende Liebe zu Christus –, dies alles ist ihr ureigenstes Denken und Handeln, von dem sie selbst zutiefst durchdrungen war. Hier ist nichts Dürftiges oder Konventionelles, sondern echte Kraft. Ihre Gelehrsamkeit war eine eingegebene, keine erworbene. Sie war mehr Lehrerin als Schülerin, wie schon Papst Pius II. feststellte (vgl. die Heiligsprechungsbulle Misericordias Domini von Papst Pius II. für Caterina von Siena vom 29. Juni 1461, in: Vita S. Catharinae Senensis, Acta Sanctorum, Venedig 1553, 973–977). Nicht Raimund hat sie zur Heiligen hochstilisiert und zur Reformerin „gemacht” (vgl. Boesch Gajano, Sofia; Redon, Odile: La Legenda Maior di Raimondo da Capua, costruzione di una santa. In: Atti del simposio internazionale caterinianobernardiano. Siena, 17–20 aprile 1980. Acura di Domenico Maffei e Paolo Nardi, Siena 1982, 15–35), sondern umgekehrt: Durch ihre innere Glut wird aus dem zunächst vorsichtig agierenden Beichtvater schließlich ein opferbereiter Ordensmann. Es war Caterina, die das Reformkloster Belcaro gründete, die in ihren Briefen zur Erneuerung aufrief und auch Raimund dafür zu begeistern wusste.
Raimund hat für seine Legenda Maior verschiedene Quellen verwendet, über die er in seinem Werk genaue Auskunft gibt. An erster Stelle standen natürlich die persönlichen Berichte und Aussagen aus dem Mund Caterinas – im Zusammenhang mit dem, was er selbst an Caterina gesehen und erlebt hat. Wann immer er etwas Außergewöhnliches an ihr wahrnahm oder von anderen Personen über sie hörte, verschaffte er sich Gewissheit, indem er sein Beichtkind darüber aufs genaueste befragte. Das ging so weit, dass er sie oft im Gehorsam zur Aussage verpflichten musste, wenn sie aus Demut darüber schweigen wollte.
An zweiter Stellen standen dann diverse Schriften, deren er sich bediente. Allen voran natürlich Caterinas eigene Werke: Ihre Gebete, ihr Dialog, den er ins Lateinische übersetzte und aus dem er die beiden letzten Paragraphen zur Gänze übernahm (vgl. Legenda Maior 351–358), und vor allem die von ihr erhaltenen Briefe sowie auch Briefe an andere Adressaten, deren Kopien ihm zur Verfügung standen (Raimund übernahm z.B. aus Brief 221 an Sr. Bartolomea della Seta nahezu wörtlich jenen Abschnitt, in dem Caterina von einem eigenen Erlebnis – in der dritten Person – berichtet). Weiters kamen verschiedene Aufzeichnungen und Schriftstücke ihrer Sekretäre und Schüler dazu, die sich besonders auf ihren letzten Lebensabschnitt bzw. auf die Ereignisse nach ihrem Tod beziehen; und schließlich nicht zuletzt jene Notizen ihres ersten Beichtvaters Tommaso dalla Fonte, aus denen er besonders für seinen ersten Teil Verschiedenes ausgewählt und sprachlich verbessert in seine Legenda übernommen hatte. Dies wird aus dem Vergleich mit Caffarinis Supplementum (I, II, 1–6) deutlich, in dem im Wesentlichen der ursprüngliche Stil der Notizen wiedergegeben wird.
Es bleiben als letztes noch die mündlichen Zeugenaussagen, die Raimund laufend am Ende eines Kapitels anführt, gleichsam als Garanten für die Richtigkeit seiner Darstellung. Es ist eine lange Liste von Zeugen, auf die sich Raimund dabei stützt, angefangen von Caterinas Mutter Lapa bis zu gelehrten Theologen. Mag sein, dass aufgrund des Alters einiger Personen eine letzte Verlässlichkeit nicht immer gegeben war, insgesamt aber ist doch, wenn man die Aussagen untereinander vergleicht (inklusive der späteren Aussagen beim Prozess von Castello) eine große Übereinstimmung festzustellen. Dass die Berichte dabei nicht mit Datum und Uhrzeit versehen sind, schmälert nicht den Wert der Zeugnisse.
gewiss, Raimund war zutiefst beeindruckt von Caterina, deren Leben für ihn ein einziges Wunder war (vgl. Legenda Maior 59, 80, 170). Man spürt förmlich zwischen den Zeilen, wie sehr er davon ergriffen war. Nichts wurde daher von den Alltäglichkeiten, vom politischen und kulturellen Leben in der Stadt oder über die Tätigkeiten einzelner Personen erzählt, wie wir es von einer modernen Biographie erwarten. Was Raimund einzig interessiert und was er uns vor Augen stellen möchte, ist das Große, das der Herr an seinem Beichtkind gewirkt hat, „damit wir Gottes Gnade preisen und entflammt werden, ihn mehr zu lieben” (Legenda Maior 21). Daher die vielen Berichte über außergewöhnliche Ereignisse und Phänomene, über Heilungen, Bekehrungen und Wunder.
Schon zu Lebzeiten Caterinas gab es neben glühenden Verehrern und Bewunderern auch jede Menge Skeptiker, und man merkt im Text, wie sich der Autor müht, die Einwände seiner Zeitgenossen zu entkräften. Heute, ein halbes Jahrtausend später, da Gottes Machttaten selbst aus den Evangelien weg interpretiert werden, muss sich auch Raimunds Biographie erneut massive Vorwürfe gefallen lassen. Er versuche, ein Ideal darzustellen, das mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hätte. Was vor allem stört und Widerspruch erweckt, ist das Zuviel an Übernatürlichem und Wunderbaren, das hier ein offenbar befangener und zu wenig kritischer Autor seinen Lesern zumuten möchte. Man wird aber Raimund nicht gerecht, wenn man ihm unterstellt, dass er leichtgläubig gewesen wäre oder sein Werk bewusst mit ausgeliehenen Einfällen und Wundererzählungen anderer Hagiographen gewürzt hätte, wie dies Adrian Schenker in seiner Einleitung behauptet (vgl. Adrian Schenker. Das Leben der heiligen Katharina von Siena, Legenda Maior des Raimund von Capua, aaO., 24–25). Raimund war nicht irgendwer, sondern gehörte zu den bedeutendsten Dominikanern seiner Zeit. Er stand als Theologe, Organisator, Diplomat und Vertreter des Papstes mit den angesehensten Fürstenhöfen in Verbindung. Sein Zeugnis ist daher ernst zu nehmen und gewichtig. Nie übernahm er blind, was man ihm sagte, sondern er prüfte, untersuchte und ging allem nach, und wenn ihm irgendetwas nicht ganz sicher schien, setzte er ein Fragezeichen.
Ein Beispiel möge genügen: Als ihm die Angehörigen der Heiligen die Sache mit der schneeweißen Taube über dem Haupt der jungen Caterina erzählten (vgl. Legenda Maior 52), über die sie von Caterinas Vater Giacomo erfahren hatten, schreibt Raimund in seiner Legenda: „sie behaupteten sogar, Giacomo habe jene Taube öfter gesehen ...”, und fügt dann abschließend noch hinzu: „Ich habe deshalb darüber mit so großer Zurückhaltung gesprochen, um meine Worte – soweit es an mir liegt – vom Verdacht der Unwahrheit zu bewahren” (vgl. Legenda Maior 56).
Man muss die ehrlichen Erklärungen des Autors zur Kenntnis nehmen, wenn er dem Leser versichert – indem er dabei Gott als Zeugen anruft –, „dass nichts Erdichtetes und nichts Erfundenes darin geschrieben ist, auch nichts Falsches, zumindest in den wesentlichen Dingen, soweit ich es in meiner Unzulänglichkeit erforschen konnte” (Legenda Maior 22). Etwas später wiederholt er noch einmal präziser: „Ich habe zuvor gesagt ..., dass ich in diesem Werk nichts Erdichtetes, nichts Falsches oder Erfundenes schreiben werde, sondern nur Dinge, die ich tatsächlich von Caterina selbst oder von anderen erfahren habe. Du sollst also wissen, lieber Leser, dass ich über gewisse Themen oft und oft mit ihr gesprochen habe, dass ich mich aber nicht ausdrücklich an alle ihre Worte erinnern kann, einerseits wegen meiner Unachtsamkeit und leider auch Gleichgültigkeit, andererseits aber auch deshalb, weil die Beschäftigungen, die sich nach dem Leben mit ihr über mich häuften, mir manches aus dem Gedächtnis tilgten. Zudem spüre ich auch schon mein Älterwerden ... Mit dieser Einschränkung schreibe ich Worte auf, wie sie meiner Meinung nach wirklich gesagt wurden und wie ich mich daran erinnere. Allerdings muss ich zur Ehre des allmächtigen Gottes und seiner Braut, dieser heiligen Jungfrau, und zu meiner Beschämung gestehen, dass mir während des Schreibens durch das Wirken Caterinas immer wieder Dinge in den Sinn kommen, an die ich mich zuvor gar nicht mehr erinnert habe. Oft schien es mir daher, dass sie auf irgendeine Weise gegenwärtig sei und mir gleichsam diktierte, was ich schreibe. ... Was die Fakten betrifft, sollst du wissen, dass ich nichts anderes niederschreibe, als was ich genau und sicher weiß, sei es durch Zeugen oder schriftliche Aufzeichnungen oder durch mein persönliches Erleben”(Legenda Maior 123).
Bei der Frage nach der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit von Raimunds Legenda (die ohne Zweifel zu bejahen ist) sollte man sich noch zwei Dinge vor Augen halten. Zum einen Caterinas Persönlichkeit, wie sie aus ihren Werken – vor allem aus den zahlreichen Briefen mit ihrem lehrhaften Charakter, ihrer göttlichen Weisheit und dem starken prophetischen Klang – sichtbar wird. So kann nur jemand schreiben, der zutiefst im Übernatürlichen verankert ist, der daraus lebt und sich von dort her auch beauftragt weiß. Zum anderen die „Autorisierung” durch das kirchliche Lehramt. Es wäre undenkbar, dass Caterinas Heiligsprechung, ihre Erhebung zur Kirchenlehrerin und die Ernennung zur Patronin Europas ohne genaueste Prüfung stattgefunden hätte – und zwar nicht nur ihrer Lehre, sondern auch ihres Lebens. Dafür war aber gerade das vorliegende Werk Raimunds eine nicht unbedeutende Quelle. Dies bedeutet gewiss nicht, dass jedes Detail und jede Interpretation des Autors dadurch eine Bestätigung erfahren, zweifellos aber die Gesamtheit des von Raimund Überlieferten.
Der formale Aufbau des Werkes orientiert sich am damals üblichen Schema einer Dreiteilung mit jeweils zwölf Kapiteln in den ersten beiden Teilen und sechs Kapiteln im dritten Teil. Der erste Teil handelt von der Kindheit und Jugendzeit Caterinas, von ihrer Einkleidung bei den Mantellatinnen, ihrer dreijährigen Zurückgezogenheit in der elterlichen Wohnung und ihrer mystischen Vermählung mit dem Herrn. Der zweite Teil erzählt von Caterinas Sendung und ihrem vielfältigen öffentlichen Wirken: Werke der Nächstenliebe, Krankenheilungen, Bekehrungen, Prophezeiungen und ihre Liebe zur Eucharistie, wobei Raimund hier, um einer systematischen Zusammenstellung willen, den chronologischen Ablauf mehrfach außer acht lässt. Der dritte und letzte Teil schildert Caterinas Berufung nach Rom, ihren Einsatz für den Papst und die Kirche und ihr heiliges Sterben. Dabei erfahren wir auch einige Dinge über den Autor selbst.
Als eine Art Nachtrag erscheint dann noch der detaillierte Bericht von den Erlebnissen Caterinas in Florenz. Im letzten Kapitel gibt Raimund rückblickend eine kurze Zusammenfassung ihres ganzen Lebens, wobei er auch über die Bedeutsamkeit der Wunder resümiert: Sie waren das Siegel ihrer Sendung, aber nicht das Wichtigste. Was zählt und was bei allen Heiligen entscheidend ist, sind die Tugenden; und hier zeigt Raimund auf, dass es bei Caterina eine Haltung gab, die alle ihre Taten prägte, nämlich die Geduld.
Die vorliegende Biographie ist vom literarischen Standpunkt aus gesehen sicher nicht perfekt, das weiß Raimund auch, wenn er am Ende selbstkritisch die „Weitschweifigkeit” dieses Werkes und die „Kunstlosigkeit” seines Stils bedauert (Legenda Maior 394). Aber das Buch ist mit seinem Herzen geschrieben und damit das Beste, was man in jener Zeit hervorbringen konnte. Obwohl es voll von Wundern ist, wirkt es nicht träumerisch und abgehoben, sondern menschlich, leidenschaftlich und voll tiefster Überzeugung. Es ist das Zeugnis eines Menschen, der die Gnade bekam, neben einer Heiligen zu leben – in der andauernden Aura des Übernatürlichen –, und der mehr als alle anderen sagen konnte: Ich habe sie gesehen, und sie war ein lebendes Wunder unter den Menschen.
Das Buch nennt sich Legenda im Sinne der ursprünglichen Bedeutung des Wortes, die soviel wie „etwas zum Lesen, etwas Lesenswertes” heißt. Es wurde Maior genannt, um es von der später durch Caffarini verfassten Kurzform des Werkes, der Legenda Minor, zu unterscheiden.