Trinke, Meine Tochter

(Foto Mayr), Bildkomposition (Graphik W. S.)

 

Raimund von Capua, Legenda Maior 163

Nach diesem letzten Sieg erschien ihr in der darauffolgenden Nacht, während sie betete, der Erlöser, der Herr Jesus Christus. Er zeigte ihr an seinem Leib die fünf heiligsten Wunden, die er einst am Kreuz für unser Heil erduldet hatte, und sprach: „Meine geliebte Tochter! Viele Kämpfe hast du um Meinetwillen auf dich genommen, und mit Meinem Beistand hast du bis jetzt alle bestanden. Dafür bist du Mir besonders lieb und teuer geworden. Gestern aber habe Ich noch mehr als bisher an dir Gefallen gefunden: Denn du hast nicht nur die Freuden des Körpers verschmäht, das Urteil der Menschen gering geschätzt und die Versuchungen des Feindes überwunden, sondern du hast sogar die Natur des eigenen Leibes bezwungen und in der Glut deiner Liebe zu Mir so freudig den abscheulichen Trank zu dir genommen. Deshalb sage Ich dir: Wie du bei dieser Handlung deine Natur überwunden hast, so will Ich dir einen Trank geben, der jede menschliche Natur und Gewohnheit übersteigt.“ Und indem er seine Rechte um den Nacken der Jungfrau schlang und sie an seine Seitenwunde zog, sagte er: „Trink, Meine Tochter, den Trank aus Meiner Seite; er wird deine Seele mit solcher Süsse erfüllen, dass die Wonne auf wunderbare Weise auch auf deinen Körper überfliessen wird, den du um Meinetwillen verachtet hast.“ Als Caterina merkte, dass sie aus der Quelle des Lebens trinken sollte, setzte sie ihren leiblichen Mund (noch mehr aber den der Seele) an die heiligste Wunde und genoss begierig und in vollen Zügen lange Zeit den unaussprechlichen und geheimnisvollen Trank.

 

Raimund von Capua, Legenda Maior 187

Als sie … den Empfang des verehrungswürdigen Sakramentes ersehnte, sagte sie mit leiser Stimme, aber in einem lauten Aufschrei des Herzens: „Ich möchte den Leib unseres Herrn Jesus Christus!“ Da erschien ihr, wie schon öfter, der Erlöser, um ihr Verlangen zu stillen. Er zog die Jungfrau mit ihrem Mund an seine Seitenwunde und deutete ihr, sie möge sich, soviel sie wolle, an seinem Leib und Blut sättigen. Voll Verlangen tat sie es und trank lange am Quell der heiligsten Brust das Wasser des Lebens. Mit diesem Trank strömte eine solche Süsse in ihr Herz, dass sie glaubte, aus Liebe vergehen zu müssen. Als der Beichtvater sie aber fragte, was sie davon habe bzw. dabei empfinde, antwortete sie ihm, dies könne sie nicht wiedergeben.

 

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