Hoc anno

 

Papst Johannes XXIII.

Brief an Michael Browne, den Generalmagister der Dominikaner, am Ende des fünfhundertsten Jahres nach der Heiligsprechung Caterinas von Siena durch Papst Pius II. Original auf Latein in: AAS 53 (1961) 555–557. Die deutsche Übersetzung wurde eigens für diese Website caterina.at erstellt.

 

Geliebter Sohn, Gruß und Apostolischen Segen!

In diesem Jahr gehen fünf Jahrhunderte zu Ende, seitdem Caterina von Siena durch Pius II. in das Verzeichnis der Heiligen des Himmels aufgenommen worden ist. Unter ungewöhnlichem Prunk hat sich in der Basilika des Vatikans, nachdem der Prozess in rechter Weise zu Ende geführt worden war, wie es der überlieferte Brauch verlangt, das ereignet, was die Bewohner Venedigs – daran zu erinnern ist Uns sehr angenehm – glücklich begonnen hatten. Dies alles in ergebenem Gehorsam nochmals ins Gedächtnis zu rufen, wird die Aufgabe und Freude des Dominikanerordens sein, weil ja, durch die Inspiration und den wunderbaren Geist des hl. Dominikus entflammt und bewegt, diese heilige Jungfrau der Ordensfamilie, der du vorstehst, durch einen außergewöhnlichen und nie abnehmenden Glanz zur Ehre gereicht. Und wir zweifeln nicht daran, lieber Sohn, dass durch deine Ermutigung und Unterweisung die an dieses Ereignis erinnernden und passenden Vorschläge weise und fruchtbar verwirklicht werden.

Die Worte des hl. Apostels Paulus können auf die hl. Caterina von Siena treffend angewandt werden: „Das Schwache in der Welt hat Gott erwählt, um das Starke zuschanden zu machen.“ (1 Kor 1,27). Denn konnte sie sich auch keiner glorreichen Abstammung, keiner großartigen Erkenntnis über menschliche und göttliche Dinge und keiner Bevorzugung bei den Vornehmen rühmen, sie, die als Geringe von Geringen abstammte und sich durch die Kraft himmlischer Gnade auszeichnete, sie, für die es immer ein Gesetz war zu gehorchen, so wurde sie doch so sehr in die Höhe erhoben, dass das, was sie tat, in den Schriften der Völker und der Fürsten erzählt wurde (vgl. Ps 86,6), und dass das, was sie als Ungebildete lehrte, die Bewunderung der Weisen hervorrief. In sehr unruhigen Zeiten hat sie selbst die Amtsgewalt des päpstlichen Stuhls tapfer in Schutz genommen, und dass der römische Papst, nachdem er Avignon verlassen hatte, nach Rom zurückkehrte, hat sie entschlossen angestrebt. In den Bürgerkriegen war sie eine Botin und Vermittlerin des Friedens. Die Briefe aber und das kleine Werk, das den Titel „Dialog über die Göttliche Vorsehung“ trägt, durch welche sie noch in ihrem Leben Männer und Frauen, die nach ihren mystischen Weisungen verlangten, scharenweise zu sich führte, sind und werden auch später für künftige Generationen wie ein äußerst lieblicher Garten Gottes sein, in dem die himmlischen Mysterien, die ganz erhabenen Tugenden und liebenswürdige Ermunterungen wie Balsam träufeln. Aus diesen Werken erschließt sich mit Gewissheit, mit welch eifriger Frömmigkeit sie selbst die Heiligste Eucharistie verehrte, wie sehr sie die Marter und Schmerzen Jesu Christi, dessen Wundmale sie eingeprägt trug, betrachtete und das Heiligste Herz Jesu und das Kostbare Blut verehrte, und welch großen Reichtum an frommen Gedanken sie daraus für sich schöpfte.

Wenn die hl. Caterina bei Gott so viel durch ihre Gebete vermochte, wenn sie den Menschen ihrer Zeit so viele Wohltaten zukommen ließ, wenn ihr Geist, der von einer gewissen männlichen Stärke zeugte, durch so viele Unglücksfälle und Übel nicht gebrochen werden konnte, so geht daraus hervor, dass diese wahrhaft tapfere Frau reich ausgestattet war mit göttlichen Gnadengaben und vor Liebe brannte – sie, für die nichts unüberwindlich war und die nichts unversucht ließ, damit der Ruhm des ewigen Schöpfers aus dem Heil und der Schönheit der Seelen  hervorleuchten konnte.

Aus dem mit päpstlichem Siegel anlässlich der Kanonisation vorgelegten Apostolischen Schreiben tritt dies offen zutage: „Sie überführte die Sünder, und mit überaus gewinnenden Worten bewegte sie sie zur Umkehr. Allen gab sie freudig Weisungen für das Heil. Was zu erstreben und was zu fliehen war, zeigte sie mit froher Miene. Die Abtrünnigen führte sie mit größtem Eifer zur Ordnung zurück. Großen Hass brachte sie zum Erlöschen, und menschliche Feindschaften besiegte sie … Den zwei Päpsten Gregor XI. und Urban VI. war sie überaus willkommen, so sehr, dass sie diplomatische Aufträge übernahm und von ihnen mit vielen geistlichen Gunsterweisungen beschenkt wurde.“ (Bullarium Romanum, tom. V, 1860, p.164).

Mit Fug und Recht also wurde sie von den römischen Päpsten stets offen auf den Leuchter der Kirche gestellt, so dass sie allen, die im Hause sind, erstrahlte (vgl. Mt 5,15). Sie übernahm den ihr anempfohlenen Schutz über jene Angelegenheiten, die ihnen selbst sehr am Herzen lagen: von Pius IX. wurde sie zur Schutzpatronin der Stadt Rom erklärt, vom hl. Pius X. zur Patronin der Frauen in der Katholischen Aktion in Italien, von Pius XII. zur Patronin Italiens, und von demselben Pius XII. zur Patronin der italienischen Krankenpfleger.

Es ist gewiss förderlich, dass die wiederkehrenden Säkularfeiern festlich begangen werden, vor allem durch den Eifer und die Sorge der dominikanischen Ordensfamilie. Mögen die Feste dieser seligen Himmelsbewohnerin wiederkehren, mögen es die Annalen erzählen! Die jungen Männer und die Jungfrauen, die Alten mit den Jungen, jeder Stand und jedes Alter, die vornehmen und die einfachen Bürger, besonders die aus Siena, die sich zu Recht ihrer Mitbürgerin rühmen, sowie jene aus den Gebieten Italiens blicken auf zu ihr als einem freundlichen Stern. Sie bewundern ihren Glanz und den Schmuck ihrer vielgerühmten Heiligkeit. Sie rufen ihre gütige Hilfe an, damit nach Abwehr aller Laster und Irrtümer die glücklichen Zeiten einer freundlichen Periode zu leuchten beginnen.

Wir rufen den himmlischen Beistand an, damit ihr das alles zur Vermehrung und zum Wachstum des katholischen Glaubens bedenken und wirksam vollenden könnt. Dir, o geliebter Sohn, und deinen Gefährten sowie allen, welche in der Hingabe eines frommen Geistes die Taten der vor fünfhundert Jahren in den Kalender der Heiligen aufgenommenen heiligen Caterina von Siena neu bedenken, erteilen wir mit großer Liebe den Apostolischen Segen.

Gegeben zu Rom bei Sankt Peter am 20. Juli 1961 im dritten Jahr Unseres Pontifikats.

Papst Johannes XXIII.

 

(Quelle: Centro Internazionale di Studi Cateriniani, Documenti)

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