50. Jahrestag – Patronin Italiens

 

Johannes Paul II.

Brief an den Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz aus Anlass des fünfzigsten Jahrestages der Proklamation des heiligen Franz von Assisi und der heiligen Caterina von Siena zu Schutzpatronen Italiens

 

Fünfzig Jahre sind vergangen, seit mein verehrungswürdiger Vorgänger Pius XII. in großer Fürsorge und Liebe zu Italien die Heiligen Franz von Assisi und Caterina von Siena zu Schutzpatronen ernannt und proklamiert hat.

In Erinnerung an dieses bedeutende Ereignis möchte ich mich allen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Gläubigen dieses geliebten Landes anschließen, die zu diesem Jahrestag die christliche Verehrung dieser bedeutenden Schutzheiligen und das Vertrauen zu ihnen neu stärken wollen, indem sie Gott auf ihre Fürsprache hin um erneutes Ausgießen der Gnade auf dieses Land bitten, das diese beiden Heiligen so geliebt und dem sie mit einem so außergewöhnlichen Zeugnis des Glaubens und der Nächstenliebe gedient haben.

Die Tugend der Heiligen bleibt sicher nicht im unzugänglichen Bereich des Gewissens in sich selbst verschlossen: wenn sie Liebesspannung zu Gott und zum Nächsten ist, kann sie nicht umhin Gemeinschaft zu werden, indem sie die Liebe Christi auf die anderen ausdehnt und in einer konkreten Haltung großherziger Hingabe verströmt.

Franz von Assisi und Caterina von Siena waren herausragende Beispiele dieser zweifachen Liebe zu Gott und zu den Menschen: zwei außerordentlich geistreiche Persönlichkeiten, die, bewegt von glühendem Glauben, danach strebten, Christus zu verkünden und die Liebe zu Ihm zu erwecken. Ergriffen von Christus (vgl. Phil 3,12) wurden beide von der Natur und von der Gnade vorbereitet, Außerordentliches in Angriff zu nehmen.

Es überrascht daher nicht, dass gerade aus dieser übernatürlichen Quelle jene Kräfte der Anteilnahme und der Solidarität mit den Menschen hervorgegangen sind, die Franziskus und Caterina zu großen Wohltätern für ihr Land gemacht haben, die sich nachdrücklich für die Brüderlichkeit und den Frieden in einer Welt einsetzten, die – in den jeweiligen Zeitaltern – durch schwere bürgerliche und auch kirchliche Spannungen entzweit war. Aus diesem Grund sind sie die Schutzpatrone Italiens: nicht der einfachen Tatsache wegen, dass sie hier geboren wurden, sondern weil sie entschieden in das Leben des Landes eingegriffen und dort eine immer noch lebendige, tiefe Spur hinterlassen haben.

Sie müssen auch für ihre Treue zur Kirche in Erinnerung bleiben, die sie als Braut Christi liebten, da sie in ihr die Wege der Wahrheit über Gott fanden und aus ihr die Kraft und den Ansporn für ihre Initiativen schöpften. Dem Ruf des göttlichen Meisters folgend gaben sie sich Gott hin, und aus diesem Grund waren sie zu einer Liebe zur Kirche und zu den Geschwistern fähig, die ihnen eine unvergleichliche innerliche wie äußerliche Fülle der Barmherzigkeit verlieh. Ihr kontemplatives und aktives, sanftmütiges und aufopferungsvolles, starkes und großherziges Dasein innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft und der Welt war wirklich ein Zeichen des Feuers, das der Heilige Geist für einen erhabenen Plan des Friedens und der Einheit, der Förderung und der Erneuerung in ihnen entzündet hatte.

Franziskus und Caterina liebten die Kirche auch aufgrund ihrer Unzulänglichkeiten, die sie mit der Aufrichtigkeit treuer und ergebener Kinder in ihren menschlichen Mitgliedern erkennen mussten. Sie verstanden, dass man gerade aus diesem Grund der Kirche dienen musste, auf dass die Armseligkeit der Menschen nicht das verberge, was sie wirklich in ihrer sakramentalen Heilsmission ist (vgl. Insegnamenti di Paolo VI, VII [1969] 941). Sie verstanden also zutiefst, dass die Kirche der mystische Leib Christi ist, Quelle der Gnade und Sakrament der Gemeinschaft mit Gott, und daher mit aller Kraft geliebt werden muss.

Ich wünsche mir, dass der kommende Jahrestag dazu beitrage, eine ähnliche Liebe zur Kirche wachsen zu lassen, und innerhalb der katholischen Gemeinschaften in Italien den Wunsch hervorrufe, sich aktiver am Werk der Evangelisierung und der geistlichen Belebung zu beteiligen, die sie heute zutiefst beschäftigen muss.

Italien hat eine eindeutige, historisch im Geschehen der Kirche begründete Rolle, da sich hier nach der göttlichen Vorsehung jener Apostolische Stuhl des Nachfolgers Petri befindet, zu dessen Rückführung nach Rom Caterina in unheilvollen Zeiten beigetragen hat und den Franziskus immer zu Rate zu ziehen für notwendig hielt, um sich das von Jesus, dem Gekreuzigten, empfangene Charisma bestätigen zu lassen.

Ich wende mich in besonderer Weise an die Jugendlichen, den Teil des italienischen Volkes, auf den ich meine größte Hoffnung für die Zukunft setze.

Mit dem Verlangen nach Wahrheit und Transparenz und auf den Wert der moralischen Prinzipien vertrauend, streben sie danach, in einer erneuerten und auf den wahren Werten der Solidarität beruhenden Gesellschaft zu leben. Ihnen also lege ich die Gestalten von Franziskus und Caterina nahe, damit sie sich beim eigenen Lebensplan von ihrem Vorbild inspirieren lassen und sich sowohl dem Wohl der Gesellschaft als auch dem Wachsen des Reiches Gottes widmen. Sie, sowie das ganze italienische Volk, bitte ich vor allem, das innere Leben der Schutzheiligen nachzuahmen, um jene Sicht der Welt zu haben, die jede Fortschrittsidee und jeden Anstoß zur Verbesserung auf dem Wort Christi begründet und sie darauf ausrichtet: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Joh 17,3).

Mit diesen Empfindungen wünsche ich der geliebten italienischen Nation von Herzen alles Gute, während ich auf Fürsprache des heiligen Franziskus und der heiligen Caterina um reiche Ausgießung der himmlischen Gaben auf die Vertreter des öffentlichen Lebens, die Seelenhirten und alle Bürger bitte, denen ich meinen besonderen Apostolischen Segen erteile.

Aus dem Vatikan, den 31. Mai (Fest Mariä Heimsuchung) des Jahres 1989, dem elften des Pontifikats

JOHANNES PAUL II.

 

(Quelle: Vatican Site, Übersetzung aus dem Italienischen von Claudia Reimüller)

 

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